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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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-- Adels- und Geldsiolz.Gerecht ist weder der eine noch der
andere; es fragt sich nur, welcher der unerträglichste ist. Ich stimme
für den Adelstolz. Der Geldstolz ist weniger lästig, weil er lächerli¬
cher, daher komischer, daher unterhaltender ist, und weil er dem Ge-
demüthigten die Hoffnung läßt, sich durch Erwerbung von Reichthü¬
mern zu erheben und der Geringschätzung zu entgehen. Der Adelstolz
ist herablassender als der Geldstolz, und darum beleidigender; denn die
Größe der Herablassung ist das Maß der Höhe, auf welcher der sich
Herablassende zu stehen glaubt.

-- Die Aristokratie des Geistes ist die einzig natürliche und
dem Staate nützliche. Sie kann weder verliehen, noch geschenkt, noch
ererbt, noch geheuchelt werden. Sie ist die wahre Herrschaft von
Gottes Gnaden und die ganz unantastbare Legitimität, weil sie nicht
allein das Recht, sondern auch die Kraft hat, Alles erreicht, was ihr
gebührt, und nicht erlangt, was ihr nicht gebührt. Sie Verlangt nicht
Beförderung, nur Freiheit, um ihre Zwecke zu erreichen.

-- Wie wahr ist die Bemerkung, daß bei allem Reichthum von
Weisheit, den die Menschheit besitzt, die Menschen dennoch darben,
weil es der Genius verschmäht, seine große Lehre durch Zertheilung
mehr auszubreiten und faßlicher zu machen, da ja doch die Sonne
selbst ihr erhabenes Licht in Millionen kleine Strahlen aussendet, und
nur so allein die Welt erwärmt und belenchret. Es wäre zu wün¬
schen, die ausübende Weisheit zeigte sich auf dem Markte, und die
belehrende in Kochbüchern, Wandkalendern und in dem Jntelligenz-
blatte; der Mann sollte sich, um von Männern verstanden zu werden,
dem Weibe verständlich zu machen suchen. -- Im Kampfe um die
Wahrheit reicht die Kraft des Mannes nicht zu seinem Muthe hin,
und der Muth des Weibes nicht zu seiner Kraft; darum erreicht je¬
ner nie vollkommen sein Ziel, dieses aber immer mehr, als es gehofft
und gewünscht, sobald es nur strebt. DaS andere Geschlecht tritt
überall zu furchtsam zurück. Wissenschaft und Kunst sind Tempel, die,
sind sie zwar von Männern allein gegründet und aufgebaut, doch auch
Frauen mit gleichen Ansprüchen auf Vortheil und Genuß bewohnen
dürfen und sollen, auch geschieht's. Die Frucht ist willkommen, weil
ihr Mangel schmerzt. Die Blüthe ist durch sich selbst erfreulich. Den
männlichen Geist ernährt, den weiblichen schmückt die Wissenschaft.
Welches ist das schönere Loos? Und glaubet ja der Lüge nicht, daß


— Adels- und Geldsiolz.Gerecht ist weder der eine noch der
andere; es fragt sich nur, welcher der unerträglichste ist. Ich stimme
für den Adelstolz. Der Geldstolz ist weniger lästig, weil er lächerli¬
cher, daher komischer, daher unterhaltender ist, und weil er dem Ge-
demüthigten die Hoffnung läßt, sich durch Erwerbung von Reichthü¬
mern zu erheben und der Geringschätzung zu entgehen. Der Adelstolz
ist herablassender als der Geldstolz, und darum beleidigender; denn die
Größe der Herablassung ist das Maß der Höhe, auf welcher der sich
Herablassende zu stehen glaubt.

— Die Aristokratie des Geistes ist die einzig natürliche und
dem Staate nützliche. Sie kann weder verliehen, noch geschenkt, noch
ererbt, noch geheuchelt werden. Sie ist die wahre Herrschaft von
Gottes Gnaden und die ganz unantastbare Legitimität, weil sie nicht
allein das Recht, sondern auch die Kraft hat, Alles erreicht, was ihr
gebührt, und nicht erlangt, was ihr nicht gebührt. Sie Verlangt nicht
Beförderung, nur Freiheit, um ihre Zwecke zu erreichen.

— Wie wahr ist die Bemerkung, daß bei allem Reichthum von
Weisheit, den die Menschheit besitzt, die Menschen dennoch darben,
weil es der Genius verschmäht, seine große Lehre durch Zertheilung
mehr auszubreiten und faßlicher zu machen, da ja doch die Sonne
selbst ihr erhabenes Licht in Millionen kleine Strahlen aussendet, und
nur so allein die Welt erwärmt und belenchret. Es wäre zu wün¬
schen, die ausübende Weisheit zeigte sich auf dem Markte, und die
belehrende in Kochbüchern, Wandkalendern und in dem Jntelligenz-
blatte; der Mann sollte sich, um von Männern verstanden zu werden,
dem Weibe verständlich zu machen suchen. — Im Kampfe um die
Wahrheit reicht die Kraft des Mannes nicht zu seinem Muthe hin,
und der Muth des Weibes nicht zu seiner Kraft; darum erreicht je¬
ner nie vollkommen sein Ziel, dieses aber immer mehr, als es gehofft
und gewünscht, sobald es nur strebt. DaS andere Geschlecht tritt
überall zu furchtsam zurück. Wissenschaft und Kunst sind Tempel, die,
sind sie zwar von Männern allein gegründet und aufgebaut, doch auch
Frauen mit gleichen Ansprüchen auf Vortheil und Genuß bewohnen
dürfen und sollen, auch geschieht's. Die Frucht ist willkommen, weil
ihr Mangel schmerzt. Die Blüthe ist durch sich selbst erfreulich. Den
männlichen Geist ernährt, den weiblichen schmückt die Wissenschaft.
Welches ist das schönere Loos? Und glaubet ja der Lüge nicht, daß


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[0556] — Adels- und Geldsiolz.Gerecht ist weder der eine noch der andere; es fragt sich nur, welcher der unerträglichste ist. Ich stimme für den Adelstolz. Der Geldstolz ist weniger lästig, weil er lächerli¬ cher, daher komischer, daher unterhaltender ist, und weil er dem Ge- demüthigten die Hoffnung läßt, sich durch Erwerbung von Reichthü¬ mern zu erheben und der Geringschätzung zu entgehen. Der Adelstolz ist herablassender als der Geldstolz, und darum beleidigender; denn die Größe der Herablassung ist das Maß der Höhe, auf welcher der sich Herablassende zu stehen glaubt. — Die Aristokratie des Geistes ist die einzig natürliche und dem Staate nützliche. Sie kann weder verliehen, noch geschenkt, noch ererbt, noch geheuchelt werden. Sie ist die wahre Herrschaft von Gottes Gnaden und die ganz unantastbare Legitimität, weil sie nicht allein das Recht, sondern auch die Kraft hat, Alles erreicht, was ihr gebührt, und nicht erlangt, was ihr nicht gebührt. Sie Verlangt nicht Beförderung, nur Freiheit, um ihre Zwecke zu erreichen. — Wie wahr ist die Bemerkung, daß bei allem Reichthum von Weisheit, den die Menschheit besitzt, die Menschen dennoch darben, weil es der Genius verschmäht, seine große Lehre durch Zertheilung mehr auszubreiten und faßlicher zu machen, da ja doch die Sonne selbst ihr erhabenes Licht in Millionen kleine Strahlen aussendet, und nur so allein die Welt erwärmt und belenchret. Es wäre zu wün¬ schen, die ausübende Weisheit zeigte sich auf dem Markte, und die belehrende in Kochbüchern, Wandkalendern und in dem Jntelligenz- blatte; der Mann sollte sich, um von Männern verstanden zu werden, dem Weibe verständlich zu machen suchen. — Im Kampfe um die Wahrheit reicht die Kraft des Mannes nicht zu seinem Muthe hin, und der Muth des Weibes nicht zu seiner Kraft; darum erreicht je¬ ner nie vollkommen sein Ziel, dieses aber immer mehr, als es gehofft und gewünscht, sobald es nur strebt. DaS andere Geschlecht tritt überall zu furchtsam zurück. Wissenschaft und Kunst sind Tempel, die, sind sie zwar von Männern allein gegründet und aufgebaut, doch auch Frauen mit gleichen Ansprüchen auf Vortheil und Genuß bewohnen dürfen und sollen, auch geschieht's. Die Frucht ist willkommen, weil ihr Mangel schmerzt. Die Blüthe ist durch sich selbst erfreulich. Den männlichen Geist ernährt, den weiblichen schmückt die Wissenschaft. Welches ist das schönere Loos? Und glaubet ja der Lüge nicht, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/556>, abgerufen am 23.07.2024.