Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.-- Man hat Friedrich dem Großem viele Lobsprüche über seine Mä¬ -- Mau findet oft starken Willen mit schwachem Verstände und -- Kotzebue hat geirrt; er hat für Vaterland, Freiheit, Schule und — Man hat Friedrich dem Großem viele Lobsprüche über seine Mä¬ — Mau findet oft starken Willen mit schwachem Verstände und — Kotzebue hat geirrt; er hat für Vaterland, Freiheit, Schule und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0554" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184136"/> <p xml:id="ID_1603"> — Man hat Friedrich dem Großem viele Lobsprüche über seine Mä¬<lb/> ßigung gemacht, daß er bei so vieler Heldenstärke doch so wenig erobe¬<lb/> rungssüchtig war. Ich glaube nicht, daß er dieses Lob verdient hat,<lb/> da es nicht in seiner Gewalt stand, es anders zu machen. Die Natur<lb/> hatte ihn eben so sehr zum Philosophen als zum Helden gebildet, da¬<lb/> her würde ihm die Philosophie immer im Wege gestanden haben, wenn<lb/> er seinen Heroismus hätte geltend machen wollen. Ich bin überzeugt,<lb/> hätte Friedrich keine Verse gemacht und wäre er weniger witzig gewe¬<lb/> sen, dann würden wir Napoleon fünfzig Jahre früher kennen gelernt<lb/> haben — oder gar nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1604"> — Mau findet oft starken Willen mit schwachem Verstände und<lb/> eine schwache Gemüthsart mit starkem Geiste vereinigt. Das kommt<lb/> daher, weil dort die verschiedenen Seelenkräfte, wegen ihrer niedrigen,<lb/> knechtischen Natur, einer unter ihnen, welche die stärkste ist und sie<lb/> zu beherrschen vermag, willig gehorchen: es ist dieses die Einheit und<lb/> Macht eines despotischen Staates; und weil hier die mehr selbst¬<lb/> ständigen und eigenwilligen Seelenkräfte keine Alleinherrschaft dulden:<lb/> es ist dieses die Unordnung und Schwäche einer Republik. Der<lb/> Geist des Menschen hat die gesetzgebende, sein Charakter die ausübende<lb/> sein Herz die richtende Gewalt, und nur wo diese Gewalten im ge¬<lb/> hörigen Verhältnisse stehen, ist der Mensch vollkommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1605"> — Kotzebue hat geirrt; er hat für Vaterland, Freiheit, Schule und<lb/> Wissenschaft ersprießlich geachtet, was ihnen verderblich war. Allein<lb/> mußte er darum ein Verräther gewesen sein? Ihr sagt, er habe der<lb/> russischen Negierung Berichte über den Geist, die Stimmung und Wissen¬<lb/> schaft Deutschlands eistattet. Ist dieses ein Verbrechen? Das Volk<lb/> sollte sich wegen dieser offnen Anerkennung seiner Wichtigkeit vielmehr<lb/> geschmeichelt fühlen. Es war eine Zeit, wo man sich wenig um die<lb/> Gesinnungen der Völker bekümmerte und aller diplomatische Forschungs--<lb/> geiht nur die Absichten ver Höfe, die Meinungen der Fürsten und die<lb/> Launen ihrer Maitressen zum Ziel hatte. Wenn man jetzt das Volk<lb/> ausspioniren läßt, so ist dieses wahrlich ein gutes Zeichen der Zeit.<lb/> Ihr sagt: Kotzebue habe falsch berichtet; aber wenn auch, glaubt ihr,<lb/> eine so kluge Regierung, wie die russische, werde ihre Ansichten und<lb/> Schlüsse allein nach Kotzebue's Geschwätz richten? Ihr sagt:, er habe<lb/> das deutsche Volk verleumdet? Ein Volk verleumden! wie lächerlich<lb/> 1819, -</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0554]
— Man hat Friedrich dem Großem viele Lobsprüche über seine Mä¬
ßigung gemacht, daß er bei so vieler Heldenstärke doch so wenig erobe¬
rungssüchtig war. Ich glaube nicht, daß er dieses Lob verdient hat,
da es nicht in seiner Gewalt stand, es anders zu machen. Die Natur
hatte ihn eben so sehr zum Philosophen als zum Helden gebildet, da¬
her würde ihm die Philosophie immer im Wege gestanden haben, wenn
er seinen Heroismus hätte geltend machen wollen. Ich bin überzeugt,
hätte Friedrich keine Verse gemacht und wäre er weniger witzig gewe¬
sen, dann würden wir Napoleon fünfzig Jahre früher kennen gelernt
haben — oder gar nicht.
— Mau findet oft starken Willen mit schwachem Verstände und
eine schwache Gemüthsart mit starkem Geiste vereinigt. Das kommt
daher, weil dort die verschiedenen Seelenkräfte, wegen ihrer niedrigen,
knechtischen Natur, einer unter ihnen, welche die stärkste ist und sie
zu beherrschen vermag, willig gehorchen: es ist dieses die Einheit und
Macht eines despotischen Staates; und weil hier die mehr selbst¬
ständigen und eigenwilligen Seelenkräfte keine Alleinherrschaft dulden:
es ist dieses die Unordnung und Schwäche einer Republik. Der
Geist des Menschen hat die gesetzgebende, sein Charakter die ausübende
sein Herz die richtende Gewalt, und nur wo diese Gewalten im ge¬
hörigen Verhältnisse stehen, ist der Mensch vollkommen.
— Kotzebue hat geirrt; er hat für Vaterland, Freiheit, Schule und
Wissenschaft ersprießlich geachtet, was ihnen verderblich war. Allein
mußte er darum ein Verräther gewesen sein? Ihr sagt, er habe der
russischen Negierung Berichte über den Geist, die Stimmung und Wissen¬
schaft Deutschlands eistattet. Ist dieses ein Verbrechen? Das Volk
sollte sich wegen dieser offnen Anerkennung seiner Wichtigkeit vielmehr
geschmeichelt fühlen. Es war eine Zeit, wo man sich wenig um die
Gesinnungen der Völker bekümmerte und aller diplomatische Forschungs--
geiht nur die Absichten ver Höfe, die Meinungen der Fürsten und die
Launen ihrer Maitressen zum Ziel hatte. Wenn man jetzt das Volk
ausspioniren läßt, so ist dieses wahrlich ein gutes Zeichen der Zeit.
Ihr sagt: Kotzebue habe falsch berichtet; aber wenn auch, glaubt ihr,
eine so kluge Regierung, wie die russische, werde ihre Ansichten und
Schlüsse allein nach Kotzebue's Geschwätz richten? Ihr sagt:, er habe
das deutsche Volk verleumdet? Ein Volk verleumden! wie lächerlich
1819, -
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