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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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manchmal mit den reichern .Krämern und Bauern der Umgegend, da-
mit er ihr Vertrauen gewinnt und sie recht viele Prozesse durch ihn
führen lassen. Diese Hand voll Leute leben nun allerdings auch recht
vertraut miteinander; sie haben ihren Clubb. in welchem hier und da
sogar eine Zeitung gehalten wird, geben einander Gesellschaften und
vergessen über ihren Amtsgeschäften und ihrer Whistpartie alle Ereig¬
nisse deS Tages, Texas und Taiti, die Generalsynode und den Gustav-
Adolfs-Verein.

Von blos gesellschaftlichen Standpunkte aus gerechnet, ist es al¬
lerdings den Beamten nicht zu verdenken, die übrigen Bewohner von
ihrem Umgange und aus ihrer Gemeinschaft auszuschließen. Man
kann sich wohl nicht leicht einen grobem, faulem, unwissendcrn Men¬
schen denken, als einen Bauern dieser Gegend. Man braucht nur die
Dörfer anzusehen, um sich gleich von diesen Eigenschaften ihrer Be¬
wohner zu überzeugen. Verfallene Häuser, aus denen der Rauch
allenthalben, aber nur nicht durch einen Schornstein, herausbringt
vor dessen Thüren die unvermeidliche Düngergrube liegt, dessen Dach
nicht mehr im Stande ist, den Schnee und die Stürme des Winters
abzuhalten, bergen in ihrem Innern einige schmuzige Schweine, noch
schmuzigere Kinder und einen armseligen Hausrath. Die Straße,
welche durch die Dörfer führt, ist so kothig, daß der Wagen der Rei-
senoen oft darin stecken bleibt: oft ist das Bette des Baches, welcher
durch das Dorf fließt, auch der Weg durch dasselbe. Wer als Rei¬
sender in einem solchen Dorfe zu übernachten, oder auch nur zu essen
gezwungen ist, kann vorher sein Testament machen; Ungeziefer, ein
fürchterlicher Geruch und noch fürchterlichere Speisen vereinigen sich,
ihn zu quälen und zu peinigen, so daß er am Ende eine Nacht im
Freien und einen Tag ohne Speise dem Aufenthalt in einem Dorf-
wirthohaute vorzieht.

Die Natur ist nicht Schuld an der Verfallenheit und Armuth
der Dörfer; im Verhältniß zu der dünn gesäten Bevölkerung ist genug
Wald, Acker- und Wiesenland da, um die Leute zu ernähren, ja so¬
gar wohlhabend zu machen. Der Charakter des Volkes ist Schuld
an seinem Elend. Man arbeitet wenig, schläft lange, spielt und trinkt
viel, und verbringt die übrige Zeit in der Messe. Diese Lebensweise
wird durch das Zusammenwohnen der Bauern in Dörfern sehr be¬
günstigt. Sie haben oft eine Stunde Weges bis zu ihren Aeckern
zurückzulegen, und so kommen Pferde und Menschen schon müde zur
Arbeit hin. Dann hat man des Abends, ja sogar des Nachmittags,


7s*

manchmal mit den reichern .Krämern und Bauern der Umgegend, da-
mit er ihr Vertrauen gewinnt und sie recht viele Prozesse durch ihn
führen lassen. Diese Hand voll Leute leben nun allerdings auch recht
vertraut miteinander; sie haben ihren Clubb. in welchem hier und da
sogar eine Zeitung gehalten wird, geben einander Gesellschaften und
vergessen über ihren Amtsgeschäften und ihrer Whistpartie alle Ereig¬
nisse deS Tages, Texas und Taiti, die Generalsynode und den Gustav-
Adolfs-Verein.

Von blos gesellschaftlichen Standpunkte aus gerechnet, ist es al¬
lerdings den Beamten nicht zu verdenken, die übrigen Bewohner von
ihrem Umgange und aus ihrer Gemeinschaft auszuschließen. Man
kann sich wohl nicht leicht einen grobem, faulem, unwissendcrn Men¬
schen denken, als einen Bauern dieser Gegend. Man braucht nur die
Dörfer anzusehen, um sich gleich von diesen Eigenschaften ihrer Be¬
wohner zu überzeugen. Verfallene Häuser, aus denen der Rauch
allenthalben, aber nur nicht durch einen Schornstein, herausbringt
vor dessen Thüren die unvermeidliche Düngergrube liegt, dessen Dach
nicht mehr im Stande ist, den Schnee und die Stürme des Winters
abzuhalten, bergen in ihrem Innern einige schmuzige Schweine, noch
schmuzigere Kinder und einen armseligen Hausrath. Die Straße,
welche durch die Dörfer führt, ist so kothig, daß der Wagen der Rei-
senoen oft darin stecken bleibt: oft ist das Bette des Baches, welcher
durch das Dorf fließt, auch der Weg durch dasselbe. Wer als Rei¬
sender in einem solchen Dorfe zu übernachten, oder auch nur zu essen
gezwungen ist, kann vorher sein Testament machen; Ungeziefer, ein
fürchterlicher Geruch und noch fürchterlichere Speisen vereinigen sich,
ihn zu quälen und zu peinigen, so daß er am Ende eine Nacht im
Freien und einen Tag ohne Speise dem Aufenthalt in einem Dorf-
wirthohaute vorzieht.

Die Natur ist nicht Schuld an der Verfallenheit und Armuth
der Dörfer; im Verhältniß zu der dünn gesäten Bevölkerung ist genug
Wald, Acker- und Wiesenland da, um die Leute zu ernähren, ja so¬
gar wohlhabend zu machen. Der Charakter des Volkes ist Schuld
an seinem Elend. Man arbeitet wenig, schläft lange, spielt und trinkt
viel, und verbringt die übrige Zeit in der Messe. Diese Lebensweise
wird durch das Zusammenwohnen der Bauern in Dörfern sehr be¬
günstigt. Sie haben oft eine Stunde Weges bis zu ihren Aeckern
zurückzulegen, und so kommen Pferde und Menschen schon müde zur
Arbeit hin. Dann hat man des Abends, ja sogar des Nachmittags,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/547>, abgerufen am 23.07.2024.