Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.zeigte in diesem Kampfe doch nur die Selbstbefriedigung und Willkür der zeigte in diesem Kampfe doch nur die Selbstbefriedigung und Willkür der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0541" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184123"/> <p xml:id="ID_1563" prev="#ID_1562" next="#ID_1564"> zeigte in diesem Kampfe doch nur die Selbstbefriedigung und Willkür der<lb/> Persönlichkeit. Es war weit davon entfernt, das Volksleben geistig<lb/> zu durchdringen, in sich zu verarbeiten und in freier und idealer Weise<lb/> wieder darzustellen. Diese Aufgabe stellte sich erst die Burschenschaft,<lb/> nachdem das Volk selbst zum Gefühl seiner Volksthümlichkeit und da¬<lb/> mit zur Tendenz der Selbstgcstaltung wiedererwacht war. Die Bur¬<lb/> schenschaft hat die Aufgabe, die ihr vorschwebte, nicht gelöst, eines-<lb/> theils, weil ein solches Studentenleben, wie sie es wollte, ein wirk¬<lb/> liches und freies Volksleben schon voraussetzt und durch dasselbe be¬<lb/> dingt ist, anderntheils, weil die Tendenz des Studentenlebens, sich im<lb/> Gegensatz vom Volksleben zu besondern, in ihr fortlebte und sich so<lb/> aussprach, daß sie in ihrer Auffassung der Volksthümlichkeit die Ge¬<lb/> genwart ignorirte, und sich in ein aus der Vergangenheit und der<lb/> geträumten Zukunft des Volkes zusammengesetztes Ideal hineinlebte.<lb/> Somit gewann die Burschenschaft allerdings einen Inhalt, der über<lb/> den reinstudentischen Interessen, schwebte, aber dieser Inhalt war nur<lb/> scheinbar das Volksleben und die Volksthümlichkeit, und da die Bur¬<lb/> schenschaft, eben weU sie den Geist des alten Studententhums noch<lb/> nicht überwunden halte, auch dessen Formen theilweise in sich hinein-<lb/> nehmen mußte, so blieb sie in einem beständigen Widerspruche dessen,<lb/> was sie sein wollte, und dessen, was sie war, befangen, und die<lb/> Poesie wie die Freiheit des Scheins, welche das frühere Studenten¬<lb/> leben charakteristrten, wiederholten sich nur innerhalb eines höhern Ge¬<lb/> bietes und eines ideenreicheren Inhalts. Der falsche Idealismus der<lb/> Burschenschafter rächte sich sogleich dadurch, daß > sie das Studenten¬<lb/> leben nicht wirklich bewältigen und umgestalten konnten, sondern nur<lb/> eine Partei in demselben wurden, die eine solche grade wie die Corps<lb/> eine aristokratische Stellung gegen die übrige Studentenschaft einnahm.<lb/> Es war von vorne herein, wir wollen nicht sagen ein Fehler der<lb/> Burschenschafter, aber eine in ihrer Einseitigkeit begründete Nothwen¬<lb/> digkeit, daß sie in einer Verbindung ihr Ideal des Studentenlebens<lb/> verwirklichen zu können meinten, wodurch sie zeigten, daß sie das<lb/> Volksleben nicht als ein gegenwärtiges und allseitiges begriffen hatten<lb/> und nicht zu der Unterscheidung der rechtlichen und sittlichen Gemein-<lb/> schaft gelangt waren. Was die Corps anbetrifft, so bestanden sie im<lb/> Gegensatz zur Burschenschaft und durch diesen Gegensatz fort und vertraten<lb/> einerseits das alte Stndenienthum, andererseits die indifferente und<lb/> realistische Gegenwart. Der Burschenschafter und der Corpsbursch<lb/> in ihrem Nebeneinander find neulich einmal mit Don Quirote und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0541]
zeigte in diesem Kampfe doch nur die Selbstbefriedigung und Willkür der
Persönlichkeit. Es war weit davon entfernt, das Volksleben geistig
zu durchdringen, in sich zu verarbeiten und in freier und idealer Weise
wieder darzustellen. Diese Aufgabe stellte sich erst die Burschenschaft,
nachdem das Volk selbst zum Gefühl seiner Volksthümlichkeit und da¬
mit zur Tendenz der Selbstgcstaltung wiedererwacht war. Die Bur¬
schenschaft hat die Aufgabe, die ihr vorschwebte, nicht gelöst, eines-
theils, weil ein solches Studentenleben, wie sie es wollte, ein wirk¬
liches und freies Volksleben schon voraussetzt und durch dasselbe be¬
dingt ist, anderntheils, weil die Tendenz des Studentenlebens, sich im
Gegensatz vom Volksleben zu besondern, in ihr fortlebte und sich so
aussprach, daß sie in ihrer Auffassung der Volksthümlichkeit die Ge¬
genwart ignorirte, und sich in ein aus der Vergangenheit und der
geträumten Zukunft des Volkes zusammengesetztes Ideal hineinlebte.
Somit gewann die Burschenschaft allerdings einen Inhalt, der über
den reinstudentischen Interessen, schwebte, aber dieser Inhalt war nur
scheinbar das Volksleben und die Volksthümlichkeit, und da die Bur¬
schenschaft, eben weU sie den Geist des alten Studententhums noch
nicht überwunden halte, auch dessen Formen theilweise in sich hinein-
nehmen mußte, so blieb sie in einem beständigen Widerspruche dessen,
was sie sein wollte, und dessen, was sie war, befangen, und die
Poesie wie die Freiheit des Scheins, welche das frühere Studenten¬
leben charakteristrten, wiederholten sich nur innerhalb eines höhern Ge¬
bietes und eines ideenreicheren Inhalts. Der falsche Idealismus der
Burschenschafter rächte sich sogleich dadurch, daß > sie das Studenten¬
leben nicht wirklich bewältigen und umgestalten konnten, sondern nur
eine Partei in demselben wurden, die eine solche grade wie die Corps
eine aristokratische Stellung gegen die übrige Studentenschaft einnahm.
Es war von vorne herein, wir wollen nicht sagen ein Fehler der
Burschenschafter, aber eine in ihrer Einseitigkeit begründete Nothwen¬
digkeit, daß sie in einer Verbindung ihr Ideal des Studentenlebens
verwirklichen zu können meinten, wodurch sie zeigten, daß sie das
Volksleben nicht als ein gegenwärtiges und allseitiges begriffen hatten
und nicht zu der Unterscheidung der rechtlichen und sittlichen Gemein-
schaft gelangt waren. Was die Corps anbetrifft, so bestanden sie im
Gegensatz zur Burschenschaft und durch diesen Gegensatz fort und vertraten
einerseits das alte Stndenienthum, andererseits die indifferente und
realistische Gegenwart. Der Burschenschafter und der Corpsbursch
in ihrem Nebeneinander find neulich einmal mit Don Quirote und
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