Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.sie war außerdem immer froh, wenn in Abwesenheit des Besitzers durch Als er auf der Fabrik anlangte, fand er in dem Hofe derselben Was solls geben, erwiderte mürrisch der Gefragte, nichts, was Esther, hieß sie? rief Hugo entsetzt, und eine furchtbare Ahnung Es war Esther. Obgleich sie furchtbar verstümmelt war, erkannte Hugo übergab alles Geld, was er hatte, dem Werkmeister mit Eduard Mautner. sie war außerdem immer froh, wenn in Abwesenheit des Besitzers durch Als er auf der Fabrik anlangte, fand er in dem Hofe derselben Was solls geben, erwiderte mürrisch der Gefragte, nichts, was Esther, hieß sie? rief Hugo entsetzt, und eine furchtbare Ahnung Es war Esther. Obgleich sie furchtbar verstümmelt war, erkannte Hugo übergab alles Geld, was er hatte, dem Werkmeister mit Eduard Mautner. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0526" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184108"/> <p xml:id="ID_1525" prev="#ID_1524"> sie war außerdem immer froh, wenn in Abwesenheit des Besitzers durch<lb/> Besuche etwas Leben in die Eintönigkeit der Fabrik gebracht wurde.<lb/> Freilich mußte Hugo jedenfalls vor der Rückkehr seines Onkels wieder<lb/> das Feld räumen, und durfte nicht, wie das erste Mal, durch rolle<lb/> Streiche wieder Spuren seiner Anwesenheit zurücklassen. Aber er nahm<lb/> sich auch fest vor, das zu vermeiden,, und so wagte er es denn. Viel¬<lb/> leicht war es doch auch ein leiser, halb unbewußter Gedanke an<lb/> Esther, der ihn in seinem Vorhaben bestärkte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1526"> Als er auf der Fabrik anlangte, fand er in dem Hofe derselben<lb/> fast alle Arbeiter und Arbeiterinnen müßig und in großer Aufregung<lb/> versammelt. Er fragte einen aus dem Haufen, was es denn gäbe?<lb/> '</p><lb/> <p xml:id="ID_1527"> Was solls geben, erwiderte mürrisch der Gefragte, nichts, was<lb/> einem jungen Herrn Ihres Gleichen nahe gehen könnte. Ein armes<lb/> Arbeitermädchen ist durch eine dieser höllischen Maschinen zerschnitten<lb/> worden. Als sich Hugo um die näheren Umstände erkundigte, erzählte man<lb/> ihm, ein junges Judenmädchen aus Eisenstabe, die kaum seit einem<lb/> halben Jahre in der Fabrik arbeitete, sei so eben in die Maschine zum<lb/> Hadern-Zerschneiden gefallen, und gräßlich verstümmelt herausgezogen<lb/> worden. Hineingefallen sagt Ihr? rief ein junges Mädchen. Ich glaube<lb/> die Esther ist hineingesprungen, sie war immer tiefsinnig, immer anders,<lb/> als die andern Alle.</p><lb/> <p xml:id="ID_1528"> Esther, hieß sie? rief Hugo entsetzt, und eine furchtbare Ahnung<lb/> durchzuckte ihn. Wo ist die Leiche? Ich muß sie sehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1529"> Es war Esther. Obgleich sie furchtbar verstümmelt war, erkannte<lb/> sie Hugo doch sogleich wieder. Das arme Mädchen hatte theils aus<lb/> Noth, theils in der Hoffnung, zuweilen etwas von Hugo zu hören,<lb/> oder ihn vielleicht gar wiederzusehen, auf der Fabrik seines Onkels<lb/> Arbeit genommen. Aber Monat um Monat verging und sie hörte<lb/> nichts und er kam nicht, und sie hatte nicht den Muth sich nach ihm<lb/> zu erkundigen. Wer kann nun den Schleier, der über ihre letzten Au¬<lb/> genblicke gebreitet liegt, lüften, wer will entscheiden, ob ihr Tod Zufall<lb/> oder Absicht war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1530"> Hugo übergab alles Geld, was er hatte, dem Werkmeister mit<lb/> der Bitte, das arme Mädchen dafür anständig beerdigen zu lassen.<lb/> Dann reiste er nach Wien zurück, wo ihn ein Nervenfieber selbst an den<lb/> Rand des Grabes brachte. Endlich siegte seine jugendlich kräftige Na¬<lb/> tur, er genaß; aber sein übermüthiger Sinn war gebrochen und in<lb/> seinem ganzen Leben hatte er nie wieder: eine Liebschaft.</p><lb/> <note type="byline"> Eduard Mautner.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0526]
sie war außerdem immer froh, wenn in Abwesenheit des Besitzers durch
Besuche etwas Leben in die Eintönigkeit der Fabrik gebracht wurde.
Freilich mußte Hugo jedenfalls vor der Rückkehr seines Onkels wieder
das Feld räumen, und durfte nicht, wie das erste Mal, durch rolle
Streiche wieder Spuren seiner Anwesenheit zurücklassen. Aber er nahm
sich auch fest vor, das zu vermeiden,, und so wagte er es denn. Viel¬
leicht war es doch auch ein leiser, halb unbewußter Gedanke an
Esther, der ihn in seinem Vorhaben bestärkte.
Als er auf der Fabrik anlangte, fand er in dem Hofe derselben
fast alle Arbeiter und Arbeiterinnen müßig und in großer Aufregung
versammelt. Er fragte einen aus dem Haufen, was es denn gäbe?
'
Was solls geben, erwiderte mürrisch der Gefragte, nichts, was
einem jungen Herrn Ihres Gleichen nahe gehen könnte. Ein armes
Arbeitermädchen ist durch eine dieser höllischen Maschinen zerschnitten
worden. Als sich Hugo um die näheren Umstände erkundigte, erzählte man
ihm, ein junges Judenmädchen aus Eisenstabe, die kaum seit einem
halben Jahre in der Fabrik arbeitete, sei so eben in die Maschine zum
Hadern-Zerschneiden gefallen, und gräßlich verstümmelt herausgezogen
worden. Hineingefallen sagt Ihr? rief ein junges Mädchen. Ich glaube
die Esther ist hineingesprungen, sie war immer tiefsinnig, immer anders,
als die andern Alle.
Esther, hieß sie? rief Hugo entsetzt, und eine furchtbare Ahnung
durchzuckte ihn. Wo ist die Leiche? Ich muß sie sehen.
Es war Esther. Obgleich sie furchtbar verstümmelt war, erkannte
sie Hugo doch sogleich wieder. Das arme Mädchen hatte theils aus
Noth, theils in der Hoffnung, zuweilen etwas von Hugo zu hören,
oder ihn vielleicht gar wiederzusehen, auf der Fabrik seines Onkels
Arbeit genommen. Aber Monat um Monat verging und sie hörte
nichts und er kam nicht, und sie hatte nicht den Muth sich nach ihm
zu erkundigen. Wer kann nun den Schleier, der über ihre letzten Au¬
genblicke gebreitet liegt, lüften, wer will entscheiden, ob ihr Tod Zufall
oder Absicht war.
Hugo übergab alles Geld, was er hatte, dem Werkmeister mit
der Bitte, das arme Mädchen dafür anständig beerdigen zu lassen.
Dann reiste er nach Wien zurück, wo ihn ein Nervenfieber selbst an den
Rand des Grabes brachte. Endlich siegte seine jugendlich kräftige Na¬
tur, er genaß; aber sein übermüthiger Sinn war gebrochen und in
seinem ganzen Leben hatte er nie wieder: eine Liebschaft.
Eduard Mautner.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |