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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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sitzt, und der ich gesagt habe, daß ich heute Nacht mit Dir auf den
Anstand gehen will. Zum Glück weiß sie nicht, daß jetzt noch gar
keine Jagdzeit ist.

Franz sah jetzt ein, daß alle seine Bemühungen vergeblich seien,
und fügte sich daher mit wahrhaft philosophischem Gleichmuthe in das
Unvermeidliche ; ja vielleicht freute es ihn sogar heimlich, daß sich
Hugo von dem einmal gefaßten Vorsatze nicht wieder abbringen ließ,
wenigstens schienen die zwischen den Zähnen gemurmelten Worte:
Weiß Gott, 'n tüchtiger Junge, zu dieser Annahme zu berechtigen.

Sie gingen, und holten, da sie ihre Schritte möglichst beschleu¬
nigten, bald den Trupp von Kameraden ein, mit denen sie die Aben¬
teuer dieser Nacht bestehen sollten. Ernst und schweigend zogen sie
dahin, als fühle Jeder, daß der Gang dieser Nacht leicht sein letzter
in diesem Leben sein könne. Franz allein behielt seine heitere sorglose
Laune bei, und erzählte bald haarsträubende Geschichten von der Grau^
sanken der ungarischenPascher, wenn sie einen ihrer Feinde gefangen genom¬
men hatten, bald die lustigsten Züge ihrer Verschlagenheit, wenn es darauf
ankam, den Zollbeamten zu entgehen und ihre Waare in Sicherheit
zu bringen.

Unter solchen Gesprächen hatte man die Grenze erreicht. Es war
unterdessen vollkommen Nacht geworden, und zwar eine so finstere
regnerische Nacht, als sich die schwarzer zu ihrem gefährlichen Unter¬
nehmen nur immer wünschen konnten. Die Art und Weise des kleinen
Krieges, welcher hier Jahr aus Jahr ein geführt wurde, war eine sehr ein¬
fache und sich immer gleichbleibende. Ein kleines Grenzflüßchen, die Leitha,
trennt hier nämlich das österreichische und ungarische Gebiet von ein¬
ander, und es kommt also nur darauf an, die wenigen Fürther, durch
welche Männer mit Waarenbündeln auf dem Rücken waten konnten,
und welche die Grenzjäger sehr genau kannten, zu besetzen, und diese
Stellungen, was die Hauptsache ist, gegen die oft sehr entschlossenen
Angriffe der Pascher zu behaupten.

Auf dem Schlachtfelde angelangt vertheilte Franz mit strategischer
Umsicht seine kleine Schaar. Er selbst und Hugo blieben an derjenigen
Stelle, an welcher sich aller Wahrscheinlichkeit nach der erste Angriff
erwarten ließ.

In der That dauerte es auch nicht sehr lange bis sich ein äußerst
verdächtiges Plätschern in dem Flusse vernehmen ließ, und bei dem
Blitze eines auf's Geradewohl abgedrückten Gewehres konnte man eine
ziemliche Anzahl von Männern gewahren, die gut bewaffnet und mit


sitzt, und der ich gesagt habe, daß ich heute Nacht mit Dir auf den
Anstand gehen will. Zum Glück weiß sie nicht, daß jetzt noch gar
keine Jagdzeit ist.

Franz sah jetzt ein, daß alle seine Bemühungen vergeblich seien,
und fügte sich daher mit wahrhaft philosophischem Gleichmuthe in das
Unvermeidliche ; ja vielleicht freute es ihn sogar heimlich, daß sich
Hugo von dem einmal gefaßten Vorsatze nicht wieder abbringen ließ,
wenigstens schienen die zwischen den Zähnen gemurmelten Worte:
Weiß Gott, 'n tüchtiger Junge, zu dieser Annahme zu berechtigen.

Sie gingen, und holten, da sie ihre Schritte möglichst beschleu¬
nigten, bald den Trupp von Kameraden ein, mit denen sie die Aben¬
teuer dieser Nacht bestehen sollten. Ernst und schweigend zogen sie
dahin, als fühle Jeder, daß der Gang dieser Nacht leicht sein letzter
in diesem Leben sein könne. Franz allein behielt seine heitere sorglose
Laune bei, und erzählte bald haarsträubende Geschichten von der Grau^
sanken der ungarischenPascher, wenn sie einen ihrer Feinde gefangen genom¬
men hatten, bald die lustigsten Züge ihrer Verschlagenheit, wenn es darauf
ankam, den Zollbeamten zu entgehen und ihre Waare in Sicherheit
zu bringen.

Unter solchen Gesprächen hatte man die Grenze erreicht. Es war
unterdessen vollkommen Nacht geworden, und zwar eine so finstere
regnerische Nacht, als sich die schwarzer zu ihrem gefährlichen Unter¬
nehmen nur immer wünschen konnten. Die Art und Weise des kleinen
Krieges, welcher hier Jahr aus Jahr ein geführt wurde, war eine sehr ein¬
fache und sich immer gleichbleibende. Ein kleines Grenzflüßchen, die Leitha,
trennt hier nämlich das österreichische und ungarische Gebiet von ein¬
ander, und es kommt also nur darauf an, die wenigen Fürther, durch
welche Männer mit Waarenbündeln auf dem Rücken waten konnten,
und welche die Grenzjäger sehr genau kannten, zu besetzen, und diese
Stellungen, was die Hauptsache ist, gegen die oft sehr entschlossenen
Angriffe der Pascher zu behaupten.

Auf dem Schlachtfelde angelangt vertheilte Franz mit strategischer
Umsicht seine kleine Schaar. Er selbst und Hugo blieben an derjenigen
Stelle, an welcher sich aller Wahrscheinlichkeit nach der erste Angriff
erwarten ließ.

In der That dauerte es auch nicht sehr lange bis sich ein äußerst
verdächtiges Plätschern in dem Flusse vernehmen ließ, und bei dem
Blitze eines auf's Geradewohl abgedrückten Gewehres konnte man eine
ziemliche Anzahl von Männern gewahren, die gut bewaffnet und mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/520>, abgerufen am 26.08.2024.