den Wüsten. Sie treten nicht vor die Lücken und machen sich nicht zur Hürde um das Haus Israel. Sie sprechen, der Herr hat's gesagt, so sie doch der Herr nicht gesandt hat, und mühen sich, daß sie ihre Dinge erhalten; erhalten das Bestehende. Unter Bestehendem wird aber sicher¬ lich nicht verstanden, was am 27. d.J., wo ihr das Zeitungsprogramm gegen die Chaldäer unterschrieben, bestand, sondern Alles, was, wenn Recht und Treue und die wesentliche Wohlfahrt des Ganzen gefördert werden soll, bei uns genesen, oder wenn unterdrückt, zum Wiederaufstehen gerufen werden muß. Und weiter sprach der Herr zu Dahlmann: Du Menschenkind, sage den Aeltesten Israels und sprich zu ihnen: Was treibt ihr unter euch im Lande dies Sprichwort: die Vater haben Herlinge gegessen und den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden ? Was sprechen sie in ihrem Dünkel: fortan sollen die letzten und höchsten Fragen des menschlichen Gemüths nach Gott und göttlichen Dingen nicht mehr theoretisch durch die Philo¬ sophie, vielmehr durch die lebendige Theologie entschieden werden ? So wahr als ich lebe, spricht der Herr Herr, solch Sprichwort soll nicht mehr unter euch gehen in Israel. Wenn nur Einer fromm ist, der recht und wohl thut, der seine Augen nicht aufhebt zu den Götzen, und seines Nächsten Weib nicht be¬ flecket; der Niemand beschädigt, der dem Schuldner sein Pfand wieder¬ gibt, der Niemand etwas mit Gewalt wegnimmt, der nicht wuchert, der Niemanden übersetzt (mit Ausnahme Eugene Sue's und Alexan¬ der Dumas), der zwischen den Leuten Recht urtheilt, der dem Hungrigen sein Brod mittheilt und den Nackenden kleidet, der ist ein frommer Mann, spricht der Herr. Allein in einem völligen Gegensatze zu dieser Innerlichkeit sehe ich die Kirchlichen des neuen Stempels auf¬ treten; ihnen kann es nirgends zu bewegt und unruhig sein, Lein noch so hoher, gebietender Stand in dieser rauschenden Wirklichkeit, den sie nicht einzunehmen willig und beeifert wären. Ich fürchte, daß das letzte Menschenalter die lange Liste der Gebrechen unserer bürgerlichen Gesell¬ schaft mit zwei Lastern der schlimmsten Art vermehrt hat: mit Heuche¬ lei und Leichtfertigkeit in Glaubenssachen. -- So sprach der Prophet Dahlmann in der Stadt Bonn am linken Rheinufer. Und alles Volk horcht der Worte des Propheten und glaubet an ihn.
UnsereMitarbeiter und Freunde werden ersucht, Briefe und sonstige Einsendungen nach wie vor an die Verlags¬ handlung F. L. Herbig oder an die Redaction der Grenz¬ boten nach Leipzig zu adressiren.
Druckfehler. Durch einen unangenehmen Zufall sind im vorigen Hefte die letzten anderthalb Seiten nicht zur zweiten Correctur gekommen, wodurch mehrere sinnentstellende Druckfehler sich einscdlichen: Fr-unde statt Feinde, Declamation statt Reclamation, Guhnaucr statt Guhrauer u. s. w.
Verlag von Fr. i"udw. Herbig. -- Redacreur I. Kurcinda. Druck von Friedrich Andrä.
den Wüsten. Sie treten nicht vor die Lücken und machen sich nicht zur Hürde um das Haus Israel. Sie sprechen, der Herr hat's gesagt, so sie doch der Herr nicht gesandt hat, und mühen sich, daß sie ihre Dinge erhalten; erhalten das Bestehende. Unter Bestehendem wird aber sicher¬ lich nicht verstanden, was am 27. d.J., wo ihr das Zeitungsprogramm gegen die Chaldäer unterschrieben, bestand, sondern Alles, was, wenn Recht und Treue und die wesentliche Wohlfahrt des Ganzen gefördert werden soll, bei uns genesen, oder wenn unterdrückt, zum Wiederaufstehen gerufen werden muß. Und weiter sprach der Herr zu Dahlmann: Du Menschenkind, sage den Aeltesten Israels und sprich zu ihnen: Was treibt ihr unter euch im Lande dies Sprichwort: die Vater haben Herlinge gegessen und den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden ? Was sprechen sie in ihrem Dünkel: fortan sollen die letzten und höchsten Fragen des menschlichen Gemüths nach Gott und göttlichen Dingen nicht mehr theoretisch durch die Philo¬ sophie, vielmehr durch die lebendige Theologie entschieden werden ? So wahr als ich lebe, spricht der Herr Herr, solch Sprichwort soll nicht mehr unter euch gehen in Israel. Wenn nur Einer fromm ist, der recht und wohl thut, der seine Augen nicht aufhebt zu den Götzen, und seines Nächsten Weib nicht be¬ flecket; der Niemand beschädigt, der dem Schuldner sein Pfand wieder¬ gibt, der Niemand etwas mit Gewalt wegnimmt, der nicht wuchert, der Niemanden übersetzt (mit Ausnahme Eugene Sue's und Alexan¬ der Dumas), der zwischen den Leuten Recht urtheilt, der dem Hungrigen sein Brod mittheilt und den Nackenden kleidet, der ist ein frommer Mann, spricht der Herr. Allein in einem völligen Gegensatze zu dieser Innerlichkeit sehe ich die Kirchlichen des neuen Stempels auf¬ treten; ihnen kann es nirgends zu bewegt und unruhig sein, Lein noch so hoher, gebietender Stand in dieser rauschenden Wirklichkeit, den sie nicht einzunehmen willig und beeifert wären. Ich fürchte, daß das letzte Menschenalter die lange Liste der Gebrechen unserer bürgerlichen Gesell¬ schaft mit zwei Lastern der schlimmsten Art vermehrt hat: mit Heuche¬ lei und Leichtfertigkeit in Glaubenssachen. — So sprach der Prophet Dahlmann in der Stadt Bonn am linken Rheinufer. Und alles Volk horcht der Worte des Propheten und glaubet an ihn.
UnsereMitarbeiter und Freunde werden ersucht, Briefe und sonstige Einsendungen nach wie vor an die Verlags¬ handlung F. L. Herbig oder an die Redaction der Grenz¬ boten nach Leipzig zu adressiren.
Druckfehler. Durch einen unangenehmen Zufall sind im vorigen Hefte die letzten anderthalb Seiten nicht zur zweiten Correctur gekommen, wodurch mehrere sinnentstellende Druckfehler sich einscdlichen: Fr-unde statt Feinde, Declamation statt Reclamation, Guhnaucr statt Guhrauer u. s. w.
Verlag von Fr. i«udw. Herbig. — Redacreur I. Kurcinda. Druck von Friedrich Andrä.
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0048"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183630"/><pxml:id="ID_93"prev="#ID_92"> den Wüsten. Sie treten nicht vor die Lücken und machen sich nicht zur<lb/>
Hürde um das Haus Israel. Sie sprechen, der Herr hat's gesagt, so<lb/>
sie doch der Herr nicht gesandt hat, und mühen sich, daß sie ihre Dinge<lb/>
erhalten; erhalten das Bestehende. Unter Bestehendem wird aber sicher¬<lb/>
lich nicht verstanden, was am 27. d.J., wo ihr das Zeitungsprogramm gegen<lb/>
die Chaldäer unterschrieben, bestand, sondern Alles, was, wenn Recht und<lb/>
Treue und die wesentliche Wohlfahrt des Ganzen gefördert werden soll, bei<lb/>
uns genesen, oder wenn unterdrückt, zum Wiederaufstehen gerufen werden muß.<lb/>
Und weiter sprach der Herr zu Dahlmann: Du Menschenkind, sage den<lb/>
Aeltesten Israels und sprich zu ihnen: Was treibt ihr unter euch im<lb/>
Lande dies Sprichwort: die Vater haben Herlinge gegessen und den Kindern<lb/>
sind die Zähne davon stumpf geworden ? Was sprechen sie in ihrem Dünkel:<lb/>
fortan sollen die letzten und höchsten Fragen des menschlichen Gemüths<lb/>
nach Gott und göttlichen Dingen nicht mehr theoretisch durch die Philo¬<lb/>
sophie, vielmehr durch die lebendige Theologie entschieden werden ? So wahr<lb/>
als ich lebe, spricht der Herr Herr, solch Sprichwort soll nicht mehr unter euch<lb/>
gehen in Israel. Wenn nur Einer fromm ist, der recht und wohl thut, der<lb/>
seine Augen nicht aufhebt zu den Götzen, und seines Nächsten Weib nicht be¬<lb/>
flecket; der Niemand beschädigt, der dem Schuldner sein Pfand wieder¬<lb/>
gibt, der Niemand etwas mit Gewalt wegnimmt, der nicht wuchert,<lb/>
der Niemanden übersetzt (mit Ausnahme Eugene Sue's und Alexan¬<lb/>
der Dumas), der zwischen den Leuten Recht urtheilt, der dem<lb/>
Hungrigen sein Brod mittheilt und den Nackenden kleidet, der ist ein<lb/>
frommer Mann, spricht der Herr. Allein in einem völligen Gegensatze<lb/>
zu dieser Innerlichkeit sehe ich die Kirchlichen des neuen Stempels auf¬<lb/>
treten; ihnen kann es nirgends zu bewegt und unruhig sein, Lein noch<lb/>
so hoher, gebietender Stand in dieser rauschenden Wirklichkeit, den sie<lb/>
nicht einzunehmen willig und beeifert wären. Ich fürchte, daß das letzte<lb/>
Menschenalter die lange Liste der Gebrechen unserer bürgerlichen Gesell¬<lb/>
schaft mit zwei Lastern der schlimmsten Art vermehrt hat: mit Heuche¬<lb/>
lei und Leichtfertigkeit in Glaubenssachen. — So sprach der Prophet<lb/>
Dahlmann in der Stadt Bonn am linken Rheinufer. Und alles Volk<lb/>
horcht der Worte des Propheten und glaubet an ihn.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/></div></div><div><floatingText><body><divtype="advertisement"><p> UnsereMitarbeiter und Freunde werden ersucht, Briefe<lb/>
und sonstige Einsendungen nach wie vor an die Verlags¬<lb/>
handlung F. L. Herbig oder an die Redaction der Grenz¬<lb/>
boten nach Leipzig zu adressiren.</p></div></body></floatingText></div><lb/><div><pxml:id="ID_94"> Druckfehler. Durch einen unangenehmen Zufall sind im vorigen Hefte die<lb/>
letzten anderthalb Seiten nicht zur zweiten Correctur gekommen, wodurch mehrere<lb/>
sinnentstellende Druckfehler sich einscdlichen: Fr-unde statt Feinde, Declamation<lb/>
statt Reclamation, Guhnaucr statt Guhrauer u. s. w.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><notetype="byline"> Verlag von Fr. i«udw. Herbig. — Redacreur I. Kurcinda.<lb/>
Druck von Friedrich Andrä.</note><lb/></div></body></text></TEI>
[0048]
den Wüsten. Sie treten nicht vor die Lücken und machen sich nicht zur
Hürde um das Haus Israel. Sie sprechen, der Herr hat's gesagt, so
sie doch der Herr nicht gesandt hat, und mühen sich, daß sie ihre Dinge
erhalten; erhalten das Bestehende. Unter Bestehendem wird aber sicher¬
lich nicht verstanden, was am 27. d.J., wo ihr das Zeitungsprogramm gegen
die Chaldäer unterschrieben, bestand, sondern Alles, was, wenn Recht und
Treue und die wesentliche Wohlfahrt des Ganzen gefördert werden soll, bei
uns genesen, oder wenn unterdrückt, zum Wiederaufstehen gerufen werden muß.
Und weiter sprach der Herr zu Dahlmann: Du Menschenkind, sage den
Aeltesten Israels und sprich zu ihnen: Was treibt ihr unter euch im
Lande dies Sprichwort: die Vater haben Herlinge gegessen und den Kindern
sind die Zähne davon stumpf geworden ? Was sprechen sie in ihrem Dünkel:
fortan sollen die letzten und höchsten Fragen des menschlichen Gemüths
nach Gott und göttlichen Dingen nicht mehr theoretisch durch die Philo¬
sophie, vielmehr durch die lebendige Theologie entschieden werden ? So wahr
als ich lebe, spricht der Herr Herr, solch Sprichwort soll nicht mehr unter euch
gehen in Israel. Wenn nur Einer fromm ist, der recht und wohl thut, der
seine Augen nicht aufhebt zu den Götzen, und seines Nächsten Weib nicht be¬
flecket; der Niemand beschädigt, der dem Schuldner sein Pfand wieder¬
gibt, der Niemand etwas mit Gewalt wegnimmt, der nicht wuchert,
der Niemanden übersetzt (mit Ausnahme Eugene Sue's und Alexan¬
der Dumas), der zwischen den Leuten Recht urtheilt, der dem
Hungrigen sein Brod mittheilt und den Nackenden kleidet, der ist ein
frommer Mann, spricht der Herr. Allein in einem völligen Gegensatze
zu dieser Innerlichkeit sehe ich die Kirchlichen des neuen Stempels auf¬
treten; ihnen kann es nirgends zu bewegt und unruhig sein, Lein noch
so hoher, gebietender Stand in dieser rauschenden Wirklichkeit, den sie
nicht einzunehmen willig und beeifert wären. Ich fürchte, daß das letzte
Menschenalter die lange Liste der Gebrechen unserer bürgerlichen Gesell¬
schaft mit zwei Lastern der schlimmsten Art vermehrt hat: mit Heuche¬
lei und Leichtfertigkeit in Glaubenssachen. — So sprach der Prophet
Dahlmann in der Stadt Bonn am linken Rheinufer. Und alles Volk
horcht der Worte des Propheten und glaubet an ihn.
UnsereMitarbeiter und Freunde werden ersucht, Briefe
und sonstige Einsendungen nach wie vor an die Verlags¬
handlung F. L. Herbig oder an die Redaction der Grenz¬
boten nach Leipzig zu adressiren.
Druckfehler. Durch einen unangenehmen Zufall sind im vorigen Hefte die
letzten anderthalb Seiten nicht zur zweiten Correctur gekommen, wodurch mehrere
sinnentstellende Druckfehler sich einscdlichen: Fr-unde statt Feinde, Declamation
statt Reclamation, Guhnaucr statt Guhrauer u. s. w.
Verlag von Fr. i«udw. Herbig. — Redacreur I. Kurcinda.
Druck von Friedrich Andrä.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/48>, abgerufen am 24.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.