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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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in ^den Ministerien sich concentrirende Beamtenwelt, unbekannt mit den
Bedürfnissen des Volkes und den Verhältnissen des bürgerlichen Lebens,
in endlosem Formenwesen kreisend, behauptet das Monopol der öffent¬
lichen Verwaltung, jeder Einwirkung des Bürgers, gleich als wäre sie
staatsgefährlich, entgegenkämpfend i ihre Formenlehren und Kastenvor--
urtheile zur höchsten Staatsweisheit erhebend, eng unter sich verbündet
durch die Bande der Verwandtschaft, der Interessen, gleicher Erziehung
und gleicher Vorurtheile. Wo man hinsieht, nichts als Räthe, Be¬
amte, Kanzleien, Amtsgehülfen, Schreiber, Registraturen, Actenkapseln,
Amtsuniformen, Wohlleben und Luxus der Angestellten bis zum Diener
herab. -- Auf der andern Seite Unwerth der Früchte, Stockung der
Gewerbe, Fallen der Güterpreife, Klagen über Geldmangel und Ab¬
gab ensieuerpresser, Gantungen, bittere Beschwerden über unredliche Ma¬
gistrate, gewaltthätige Beamte, geheime Berichte, Mangel an Unpartei¬
lichkeit der Obern) Jammer und Noth überall. Nirgends Ehre, nir¬
gends Einkommen, nirgends Fröhlichkeit, denn allein im Dienstrock. --
Die Verwaltungsbehörden ohne Kenntniß des Handels, Gewerbes und
Ackerbaues und, was noch schlimmer ist, ohne Achtung für die erwer¬
benden Stände, auf todte Formen und veraltete oder unpassende Büreau-
gesetze versessen, die Nationalindustrie meist mehr hemmend als fördernd.
Die Rechtspflege kostspielig, endlos, unbehülflich, aller Oeffentlichkeit
und einer gesunden Gesetzgebung ermangelnd, häufig von Männern
verwaltet, welche statt an dem reinen und frischen Quell der gesunden
Vernunft und des praktischen Lebens zu schöpfen, ihre Weisheit aus
einer längst versunkenen Welt heraufholen. -- Die Staatsfinanzwirth¬
schaft endlich in ihrem durch die schwülstige Verwaltung verursacht,..
Aufwand alle Verhältnisse übersteigend, in ihrem Einkommen den Ver¬
kehr erschwerend, die Industrie hemmend, Unterschleife begünstigend,
kostspielig und unbehülflich in der Erhebung, ohne Gleichheit in der
Einrichtung, das Ganze ohne Plan und staatswirthschaftliches Princip,
dies ist ein kurzer, aber getreuer Abriß unserer Verwaltung."

Ehe noch diese lithographirte Petition verbreitet werden konnte, er¬
theilte ein Befehl des Justizministers von Maucler dem Gerichtshofe
zu Eßlingen den Auftrag, gegen Lift wegen der im Obigen mitgetheil¬
ten Stellen mit Criminaluntersuchung einzuschreiten. Dies geschah,
und zugleich trugen die Anhänger der Regierung in der Kammer dar¬
auf in,, daß List vorläufig aus der Kammer ausscheiden solle. Nach
hartnäckigem Kampf siegte dieser Antrag mit geringer Mehrheit; ein
Ereigniß, welches in Verbindung mit jener von Regierungswegen an-


in ^den Ministerien sich concentrirende Beamtenwelt, unbekannt mit den
Bedürfnissen des Volkes und den Verhältnissen des bürgerlichen Lebens,
in endlosem Formenwesen kreisend, behauptet das Monopol der öffent¬
lichen Verwaltung, jeder Einwirkung des Bürgers, gleich als wäre sie
staatsgefährlich, entgegenkämpfend i ihre Formenlehren und Kastenvor--
urtheile zur höchsten Staatsweisheit erhebend, eng unter sich verbündet
durch die Bande der Verwandtschaft, der Interessen, gleicher Erziehung
und gleicher Vorurtheile. Wo man hinsieht, nichts als Räthe, Be¬
amte, Kanzleien, Amtsgehülfen, Schreiber, Registraturen, Actenkapseln,
Amtsuniformen, Wohlleben und Luxus der Angestellten bis zum Diener
herab. — Auf der andern Seite Unwerth der Früchte, Stockung der
Gewerbe, Fallen der Güterpreife, Klagen über Geldmangel und Ab¬
gab ensieuerpresser, Gantungen, bittere Beschwerden über unredliche Ma¬
gistrate, gewaltthätige Beamte, geheime Berichte, Mangel an Unpartei¬
lichkeit der Obern) Jammer und Noth überall. Nirgends Ehre, nir¬
gends Einkommen, nirgends Fröhlichkeit, denn allein im Dienstrock. —
Die Verwaltungsbehörden ohne Kenntniß des Handels, Gewerbes und
Ackerbaues und, was noch schlimmer ist, ohne Achtung für die erwer¬
benden Stände, auf todte Formen und veraltete oder unpassende Büreau-
gesetze versessen, die Nationalindustrie meist mehr hemmend als fördernd.
Die Rechtspflege kostspielig, endlos, unbehülflich, aller Oeffentlichkeit
und einer gesunden Gesetzgebung ermangelnd, häufig von Männern
verwaltet, welche statt an dem reinen und frischen Quell der gesunden
Vernunft und des praktischen Lebens zu schöpfen, ihre Weisheit aus
einer längst versunkenen Welt heraufholen. — Die Staatsfinanzwirth¬
schaft endlich in ihrem durch die schwülstige Verwaltung verursacht,..
Aufwand alle Verhältnisse übersteigend, in ihrem Einkommen den Ver¬
kehr erschwerend, die Industrie hemmend, Unterschleife begünstigend,
kostspielig und unbehülflich in der Erhebung, ohne Gleichheit in der
Einrichtung, das Ganze ohne Plan und staatswirthschaftliches Princip,
dies ist ein kurzer, aber getreuer Abriß unserer Verwaltung."

Ehe noch diese lithographirte Petition verbreitet werden konnte, er¬
theilte ein Befehl des Justizministers von Maucler dem Gerichtshofe
zu Eßlingen den Auftrag, gegen Lift wegen der im Obigen mitgetheil¬
ten Stellen mit Criminaluntersuchung einzuschreiten. Dies geschah,
und zugleich trugen die Anhänger der Regierung in der Kammer dar¬
auf in,, daß List vorläufig aus der Kammer ausscheiden solle. Nach
hartnäckigem Kampf siegte dieser Antrag mit geringer Mehrheit; ein
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/454>, abgerufen am 26.08.2024.