Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.gesunkenen Vertrauen der Eapitalisten auch noch die Kriegsfurcht getreten Kommen wir auf den russischen Thronfolger zurück, der gleich nach Bei Gelegenheit der Beerdigung dieser jungen Prinzessin, der auf gesunkenen Vertrauen der Eapitalisten auch noch die Kriegsfurcht getreten Kommen wir auf den russischen Thronfolger zurück, der gleich nach Bei Gelegenheit der Beerdigung dieser jungen Prinzessin, der auf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0411" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183993"/> <p xml:id="ID_1213" prev="#ID_1212"> gesunkenen Vertrauen der Eapitalisten auch noch die Kriegsfurcht getreten<lb/> wäre? Durch die höchst wohlthatige Errichtung der Credircasse hat der<lb/> Hofkammer-Präsident einen materiellen und einen moralischen Erfolg er¬<lb/> zielt. Materiell durch die effective Garantie des ActienwerthS, moralisch,<lb/> weil die Regierung durch diesen Act das Vertrauen beurkundete, welches<lb/> sie zu dem ungetrübten Fortbestand des Friedens hat und dieses Vertrauen<lb/> dadurch auch in den weitesten Kreisen befestigte. — Uebrigens ist das<lb/> Gerücht, das allgemein hier herrschte, daß mit der Einverleibung Krakaus<lb/> auch Gebietsabtretungen an Rußland und Preußen gemacht worden seien,<lb/> officiell widerlegt worden. Diese Widerlegung schien um so nothwendig<lb/> gar, als dadurch die Grundidee dargethan wird, daß die Einverleibung<lb/> Krakaus österreichischer Seits nicht als ein Gewinn, sondern als eine<lb/> Last betrachtet wird, und daß die andern zwei Mächte dies anerkannt ha¬<lb/> ben. Für eine Gebictsbereicherung Oesterreichs hatten Nußland und Preu¬<lb/> ßen ein Aequivalent beansprucht, daß sie dies nicht thun konnten, zeigt<lb/> eben, welch einen schlechten Handel Oesterreich anerkannter Weife bei die¬<lb/> ser Bereicherung gemacht hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1214"> Kommen wir auf den russischen Thronfolger zurück, der gleich nach<lb/> seiner Ankunft einen Besuch bei der tiefgebeugten Großfürstin Helene<lb/> machte, die von dem schmerzlichen Verlust, den sie erlitten, sich noch nicht er¬<lb/> holen kann und in Italien die Befestigung der eignen Gesundheit suchen<lb/> will. Dies ist nun die zweite Tochter, die dieser wirklich ausgezeichneten<lb/> Frau innerhalb zwei Jahren dahinstirbt; die erste (vermählt an den Herzog<lb/> von Nassau) wie die zweite prangten in vollem Glanz der Jugend und<lb/> der Schönheit. Was haben diese unschuldigen Blüthen verbrochen, daß<lb/> an ihnen die Schuld der Vorfahren gerächt wird? Was haben diese lieb¬<lb/> lichen Wesen für einen Antheil an den Seufzern, die über die Schlacht¬<lb/> felder Polens hinweg und aus dem Innern Sibiriens zittern? An diesen<lb/> schuldlosen Häuptern hat die Nemesis keinen Antheil!</p><lb/> <p xml:id="ID_1215" next="#ID_1216"> Bei Gelegenheit der Beerdigung dieser jungen Prinzessin, der auf<lb/> einen Befehl des Kaisers die Ehren einer Erzherzogin erwiesen wurden,<lb/> hat sich der spanische Styl unserer officiellen Zeitung wieder in jenem<lb/> eklen Phrasenservilismus gezeigt, von dem man nicht weiß, soll man dar¬<lb/> über lachen oder sott man sich ärgern. Gewiß ist's, daß derlei Phrasen<lb/> in ihrer Gott sei Dank! längst überlebten Plumpheit und Geschmacklosig¬<lb/> keit die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen, die sie beabsichtigen. Wer<lb/> muß selbst bei dem innigsten Mitleid nicht lachen, wenn die Wiener Hof¬<lb/> zeitung meldet: „Gestern Abend um sieben Uhr wurde die höchste Leiche<lb/> Ihrer kaif. Höh. der Frau Großfürstin Marie" -c., also die höchste Leiche<lb/> Ihrer Hoheit! und wo ist die andere? Und ist ein armes Kind, das in<lb/> die Gruft gelegt wird zu andern armen Entseelten, auch da noch höchst?<lb/> Traurig genug, daß man den Lebenden ein Prädicat beilegt, das sie mit<lb/> Gott in eine Linie stellt; die Seele, die Stellung eines Menschen kann<lb/> hoch sein — aber sein Leichnam ist wie jeder andere, und die Religiosität<lb/> verlangt hier sogar Demuth. Ferner heißt es: „Die Grenadier-Division<lb/> die den höchsten Namen Sr. kais. Höh. des Herrn Großfürsten trägt"<lb/> u- s. w. Da haben wir es! In einer Kirche wird der höchste Name</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0411]
gesunkenen Vertrauen der Eapitalisten auch noch die Kriegsfurcht getreten
wäre? Durch die höchst wohlthatige Errichtung der Credircasse hat der
Hofkammer-Präsident einen materiellen und einen moralischen Erfolg er¬
zielt. Materiell durch die effective Garantie des ActienwerthS, moralisch,
weil die Regierung durch diesen Act das Vertrauen beurkundete, welches
sie zu dem ungetrübten Fortbestand des Friedens hat und dieses Vertrauen
dadurch auch in den weitesten Kreisen befestigte. — Uebrigens ist das
Gerücht, das allgemein hier herrschte, daß mit der Einverleibung Krakaus
auch Gebietsabtretungen an Rußland und Preußen gemacht worden seien,
officiell widerlegt worden. Diese Widerlegung schien um so nothwendig
gar, als dadurch die Grundidee dargethan wird, daß die Einverleibung
Krakaus österreichischer Seits nicht als ein Gewinn, sondern als eine
Last betrachtet wird, und daß die andern zwei Mächte dies anerkannt ha¬
ben. Für eine Gebictsbereicherung Oesterreichs hatten Nußland und Preu¬
ßen ein Aequivalent beansprucht, daß sie dies nicht thun konnten, zeigt
eben, welch einen schlechten Handel Oesterreich anerkannter Weife bei die¬
ser Bereicherung gemacht hat.
Kommen wir auf den russischen Thronfolger zurück, der gleich nach
seiner Ankunft einen Besuch bei der tiefgebeugten Großfürstin Helene
machte, die von dem schmerzlichen Verlust, den sie erlitten, sich noch nicht er¬
holen kann und in Italien die Befestigung der eignen Gesundheit suchen
will. Dies ist nun die zweite Tochter, die dieser wirklich ausgezeichneten
Frau innerhalb zwei Jahren dahinstirbt; die erste (vermählt an den Herzog
von Nassau) wie die zweite prangten in vollem Glanz der Jugend und
der Schönheit. Was haben diese unschuldigen Blüthen verbrochen, daß
an ihnen die Schuld der Vorfahren gerächt wird? Was haben diese lieb¬
lichen Wesen für einen Antheil an den Seufzern, die über die Schlacht¬
felder Polens hinweg und aus dem Innern Sibiriens zittern? An diesen
schuldlosen Häuptern hat die Nemesis keinen Antheil!
Bei Gelegenheit der Beerdigung dieser jungen Prinzessin, der auf
einen Befehl des Kaisers die Ehren einer Erzherzogin erwiesen wurden,
hat sich der spanische Styl unserer officiellen Zeitung wieder in jenem
eklen Phrasenservilismus gezeigt, von dem man nicht weiß, soll man dar¬
über lachen oder sott man sich ärgern. Gewiß ist's, daß derlei Phrasen
in ihrer Gott sei Dank! längst überlebten Plumpheit und Geschmacklosig¬
keit die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen, die sie beabsichtigen. Wer
muß selbst bei dem innigsten Mitleid nicht lachen, wenn die Wiener Hof¬
zeitung meldet: „Gestern Abend um sieben Uhr wurde die höchste Leiche
Ihrer kaif. Höh. der Frau Großfürstin Marie" -c., also die höchste Leiche
Ihrer Hoheit! und wo ist die andere? Und ist ein armes Kind, das in
die Gruft gelegt wird zu andern armen Entseelten, auch da noch höchst?
Traurig genug, daß man den Lebenden ein Prädicat beilegt, das sie mit
Gott in eine Linie stellt; die Seele, die Stellung eines Menschen kann
hoch sein — aber sein Leichnam ist wie jeder andere, und die Religiosität
verlangt hier sogar Demuth. Ferner heißt es: „Die Grenadier-Division
die den höchsten Namen Sr. kais. Höh. des Herrn Großfürsten trägt"
u- s. w. Da haben wir es! In einer Kirche wird der höchste Name
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