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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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haben wir wohl auch das Recht zu fragen, was aus den unsn'gen werden
soll. Schlimm genug, daß sie durch so viele Jahre durch einen so enor¬
men Schleichhandel in ihrem ehrlichen und kämpfeschweren Erwerb ge¬
schmälert und erdrückt worden sind. Haben die schlesischen Fabrikanten
wirklich für vier Millionen Thaler Waaren "nach Krakau" (!) geliefert,
um so glücklicher für sie, daß sie diesen Vortheil so lange genossen. Auch
in Oesterreich gibt es arme Weber und Spinner, die ihre abgemagerten
Hände Hülfe rufend und Arbeit fordernd ausstrecken. Auch Oesterreich
muß daran liegen, daß seine Grenzbevölkerung durch das infame Geschäft
des Schmuggels nicht noch tiefer demoralisirt werde. Würde ein An¬
schluß an den Zollverein im Ganzen und Großen für die österreichische
Monarchie bereits reif sein, wir waren die ersten, um ihn zu unterstützen.
Gern würden wir die bedeutenden Nachtheile, die der österreichischen In¬
dustrie im Anfange daraus erwüchsen, tragen, um den Bund mit unsern
Brüdern im großen Vaterlande zu befestigen und um aus der verrosteten
Jsolirung herauszukommen, welche die Niederdrückung der österreichischen
Entwicklung zur Folge hat. Aber zu Gunsten einer auf unrechtmäßige
Ausfuhrmittel gegründeten Specialindustrie einiger Fabrikanten uns zu
opfern und ein gefährliches Loch offen zu lassen, das die natürlichste
Pflicht der Selbsterhaltung zu schließen gebietet -- eine solche Anmuthung
kann kein billig Denkender uns machen.

Die zweideutige Erwerbung Krakaus ist von uns Oesterreichern wahrlich
nicht erwünscht worden, und wir unsers Theils hätten bereitwillig auch
noch ferner auf eine Gebiets - "Bereicherung" verzichtet, welches die
Steuerpflichtigen der Gesammtmonarchie voraussichtlich noch schwere
Opfer kosten wird. Auch ist es sogar von der englischen und französischen
Presse eingestanden worden, daß das Gelüste nach einer Tcrritorialer-
weiterung von einigen armseligen Quadrat-Meilen Oesterreich sicherlich nicht
zu diesem folgenschweren Schritte getrieben hat, den es schon jetzt und
auf viele Jahre hinaus mit so schweren Opfern des Staatsschatzes bezahlen
muß, und der es, der Himmel weiß in welche Conflicte noch bringen
wird. Und zu diefem Allen fehlte es noch, daß man die Anforderung
an uns stellte, Krakau soll zu Gunsten des Schmuggels einen Staat im
Staate bilden und Oesterreich soll zu der kostspieligen Besatzung, die es
von nun an da unterhalten muß, von der seine zwei Alliirten doch zwei
Drittheile der Vortheile für ihre eigene Sache genießen, noch eine aus¬
gedehnte und dreifache Aollwache unterhalten, um sich gegen einen Theil
seines eigenen Gebietes zu schützen, welches es zum Stapelplatz fremder
Industrie hergeben soll, um den Herren Schmugglern ein Asyl zu berei¬
ten, wo sie ihre Feldlager halten und ihre nächtlichen Züge präpariren
können. Wahrlich eine sonderbare Anmuthung! Und würde man diese
wenigstens noch im Interesse der einverleibten Stadt erheben, wir würden
aus Schonung für sie, und um den Verlust ihrer Unabhängigkeit ihr
minder fühlbar zu machen, ihr gern ein Augestandniß wie an Brody gönnen.
Aber Krakau selbst verliert für seinen Handel durchaus nichts, wie Jeder¬
mann weiß, da ihm die Einrichtung von Transtto-Lagern gestattet wird,


haben wir wohl auch das Recht zu fragen, was aus den unsn'gen werden
soll. Schlimm genug, daß sie durch so viele Jahre durch einen so enor¬
men Schleichhandel in ihrem ehrlichen und kämpfeschweren Erwerb ge¬
schmälert und erdrückt worden sind. Haben die schlesischen Fabrikanten
wirklich für vier Millionen Thaler Waaren „nach Krakau" (!) geliefert,
um so glücklicher für sie, daß sie diesen Vortheil so lange genossen. Auch
in Oesterreich gibt es arme Weber und Spinner, die ihre abgemagerten
Hände Hülfe rufend und Arbeit fordernd ausstrecken. Auch Oesterreich
muß daran liegen, daß seine Grenzbevölkerung durch das infame Geschäft
des Schmuggels nicht noch tiefer demoralisirt werde. Würde ein An¬
schluß an den Zollverein im Ganzen und Großen für die österreichische
Monarchie bereits reif sein, wir waren die ersten, um ihn zu unterstützen.
Gern würden wir die bedeutenden Nachtheile, die der österreichischen In¬
dustrie im Anfange daraus erwüchsen, tragen, um den Bund mit unsern
Brüdern im großen Vaterlande zu befestigen und um aus der verrosteten
Jsolirung herauszukommen, welche die Niederdrückung der österreichischen
Entwicklung zur Folge hat. Aber zu Gunsten einer auf unrechtmäßige
Ausfuhrmittel gegründeten Specialindustrie einiger Fabrikanten uns zu
opfern und ein gefährliches Loch offen zu lassen, das die natürlichste
Pflicht der Selbsterhaltung zu schließen gebietet — eine solche Anmuthung
kann kein billig Denkender uns machen.

Die zweideutige Erwerbung Krakaus ist von uns Oesterreichern wahrlich
nicht erwünscht worden, und wir unsers Theils hätten bereitwillig auch
noch ferner auf eine Gebiets - „Bereicherung" verzichtet, welches die
Steuerpflichtigen der Gesammtmonarchie voraussichtlich noch schwere
Opfer kosten wird. Auch ist es sogar von der englischen und französischen
Presse eingestanden worden, daß das Gelüste nach einer Tcrritorialer-
weiterung von einigen armseligen Quadrat-Meilen Oesterreich sicherlich nicht
zu diesem folgenschweren Schritte getrieben hat, den es schon jetzt und
auf viele Jahre hinaus mit so schweren Opfern des Staatsschatzes bezahlen
muß, und der es, der Himmel weiß in welche Conflicte noch bringen
wird. Und zu diefem Allen fehlte es noch, daß man die Anforderung
an uns stellte, Krakau soll zu Gunsten des Schmuggels einen Staat im
Staate bilden und Oesterreich soll zu der kostspieligen Besatzung, die es
von nun an da unterhalten muß, von der seine zwei Alliirten doch zwei
Drittheile der Vortheile für ihre eigene Sache genießen, noch eine aus¬
gedehnte und dreifache Aollwache unterhalten, um sich gegen einen Theil
seines eigenen Gebietes zu schützen, welches es zum Stapelplatz fremder
Industrie hergeben soll, um den Herren Schmugglern ein Asyl zu berei¬
ten, wo sie ihre Feldlager halten und ihre nächtlichen Züge präpariren
können. Wahrlich eine sonderbare Anmuthung! Und würde man diese
wenigstens noch im Interesse der einverleibten Stadt erheben, wir würden
aus Schonung für sie, und um den Verlust ihrer Unabhängigkeit ihr
minder fühlbar zu machen, ihr gern ein Augestandniß wie an Brody gönnen.
Aber Krakau selbst verliert für seinen Handel durchaus nichts, wie Jeder¬
mann weiß, da ihm die Einrichtung von Transtto-Lagern gestattet wird,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/408>, abgerufen am 26.08.2024.