Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.Sammlungen also wären ein trefflicher Beweis für die Freisinnigkeit Die religiösen Bewegungen: der Neuzeit haben bei uns nicht-den Sammlungen also wären ein trefflicher Beweis für die Freisinnigkeit Die religiösen Bewegungen: der Neuzeit haben bei uns nicht-den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0394" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183976"/> <p xml:id="ID_1166" prev="#ID_1165"> Sammlungen also wären ein trefflicher Beweis für die Freisinnigkeit<lb/> der Cölner gewesen, hätten sie zahlreichern Zuspruch gehabt. Es fan¬<lb/> den sich aber selten mehr als etwa 400 Personen ein. Das ist wenig,<lb/> wenn man bedenkt, daß Cöln 5900 Wahlberechtigte zählte — und<lb/> daß auch jeder nicht Wahlberechtigte Zutritt hatte. Noch geringer<lb/> stellte sich die Theilnahme bei den Wahlen selbst ein. Im Anfang er¬<lb/> schienen von 2300 Wählern der dritten Klasse noch nicht 200 und selbst<lb/> als die Wahlkämpfe lebhafter wurden, erreichte die Zahl der Stimmzettel<lb/> nicht tausend. Nicht zu leugnen ist wiederum, daß diejenigen, die an der<lb/> Wahl Theil nahmen, die lebhafteste Thätigkeit entwickelten. Durch Vorver¬<lb/> sammlungen, durch gedruckte Stimmzettel, durch Aufsätze in den Zeitungen,<lb/> durch persönliche Einwirkungen, durch alle möglichen Mittel ward gewirkt<lb/> und geworben — allein eine allgemeine Theilnahme an der so wich¬<lb/> tigen ersten Wahl trat nicht hervor. Beweis genug, daß allerdings<lb/> Freisinnigkeit, d. h. Theilnahme am Gemeinwohl hier besteht, daß diese<lb/> aber noch lange nicht das Volk so durchdrungen hat, als man aus¬<lb/> wärts von uns glaubt und wir selbst so gern glauben machen. Be¬<lb/> stimmte Parteien, d. h. Parteien, welche sich streng nach verschiedenen<lb/> Grundsätzen scheiden, treten wenig hervor. Und zur Ehre gereicht es<lb/> dem altkatholischeu Cöln, daß konfessionelle Rücksichten fast nie in'S<lb/> Spiel kommen und wo man versuchte, sie geltend zu machen, diese<lb/> Versuche nicht viel wirkten. Nur von Seiten eines einzelnen prote¬<lb/> stantischen Wählers ward die grobe Ungeschicklichkeit begangen, die con-<lb/> fessionelle Saite anzuschlagen, was aber von den Protestanten selbst<lb/> sehr übel vermerkt wurde. So kam es, daß ein Jude und fünf oder<lb/> sechs Protestanten im Gemeinderath sitzen, was nach den Verhältnissen<lb/> der Confessionen (etwa 7000 Protestanten auf nahe an 80,000 Ka¬<lb/> tholiken) ziemlich richtig sein mag. — —</p><lb/> <p xml:id="ID_1167" next="#ID_1168"> Die religiösen Bewegungen: der Neuzeit haben bei uns nicht-den<lb/> leisesten Anklang gefunden. Diese Bewegungen haben eine sehr be¬<lb/> deutende politische Seite, denn sie sind im Grunde nichts Anderes, als<lb/> ein Auflehnen gegen ein starr gewordenes Kirchenregiment, sowohl auf<lb/> protestantischer als auf katholischer Seite. Daß diese politische Seite<lb/> dieser Bewegungen uns ganz entgangen ist, spricht wenigstens für keine<lb/> klarbewußte Fieisinnigkeit. Man kann übrigens von Cöln nicht sagen,<lb/> daß es ultramontan oder ultrakatholisch sei. Es gibt allerdings eine<lb/> solche Partei hier, allein sie findet im eigentlichen Volke keinen Anklang.<lb/> Wenn ich übrigens mich von einer durchgebildeten Freisinnigkeit der<lb/> Rheinländer nicht überzeugen kann, so liegt darin kein eigentlicher</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0394]
Sammlungen also wären ein trefflicher Beweis für die Freisinnigkeit
der Cölner gewesen, hätten sie zahlreichern Zuspruch gehabt. Es fan¬
den sich aber selten mehr als etwa 400 Personen ein. Das ist wenig,
wenn man bedenkt, daß Cöln 5900 Wahlberechtigte zählte — und
daß auch jeder nicht Wahlberechtigte Zutritt hatte. Noch geringer
stellte sich die Theilnahme bei den Wahlen selbst ein. Im Anfang er¬
schienen von 2300 Wählern der dritten Klasse noch nicht 200 und selbst
als die Wahlkämpfe lebhafter wurden, erreichte die Zahl der Stimmzettel
nicht tausend. Nicht zu leugnen ist wiederum, daß diejenigen, die an der
Wahl Theil nahmen, die lebhafteste Thätigkeit entwickelten. Durch Vorver¬
sammlungen, durch gedruckte Stimmzettel, durch Aufsätze in den Zeitungen,
durch persönliche Einwirkungen, durch alle möglichen Mittel ward gewirkt
und geworben — allein eine allgemeine Theilnahme an der so wich¬
tigen ersten Wahl trat nicht hervor. Beweis genug, daß allerdings
Freisinnigkeit, d. h. Theilnahme am Gemeinwohl hier besteht, daß diese
aber noch lange nicht das Volk so durchdrungen hat, als man aus¬
wärts von uns glaubt und wir selbst so gern glauben machen. Be¬
stimmte Parteien, d. h. Parteien, welche sich streng nach verschiedenen
Grundsätzen scheiden, treten wenig hervor. Und zur Ehre gereicht es
dem altkatholischeu Cöln, daß konfessionelle Rücksichten fast nie in'S
Spiel kommen und wo man versuchte, sie geltend zu machen, diese
Versuche nicht viel wirkten. Nur von Seiten eines einzelnen prote¬
stantischen Wählers ward die grobe Ungeschicklichkeit begangen, die con-
fessionelle Saite anzuschlagen, was aber von den Protestanten selbst
sehr übel vermerkt wurde. So kam es, daß ein Jude und fünf oder
sechs Protestanten im Gemeinderath sitzen, was nach den Verhältnissen
der Confessionen (etwa 7000 Protestanten auf nahe an 80,000 Ka¬
tholiken) ziemlich richtig sein mag. — —
Die religiösen Bewegungen: der Neuzeit haben bei uns nicht-den
leisesten Anklang gefunden. Diese Bewegungen haben eine sehr be¬
deutende politische Seite, denn sie sind im Grunde nichts Anderes, als
ein Auflehnen gegen ein starr gewordenes Kirchenregiment, sowohl auf
protestantischer als auf katholischer Seite. Daß diese politische Seite
dieser Bewegungen uns ganz entgangen ist, spricht wenigstens für keine
klarbewußte Fieisinnigkeit. Man kann übrigens von Cöln nicht sagen,
daß es ultramontan oder ultrakatholisch sei. Es gibt allerdings eine
solche Partei hier, allein sie findet im eigentlichen Volke keinen Anklang.
Wenn ich übrigens mich von einer durchgebildeten Freisinnigkeit der
Rheinländer nicht überzeugen kann, so liegt darin kein eigentlicher
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