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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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endlich herbeiführte, was auch mit der Reise des Grafen Fiquelmont
(bekanntlich früher österreichischer Gesandter in Se. Petersburg) nach
Berlin und mit dem Besuch des Königs von Preußen in Königswart
in Verbindung steht. Oesterreich bequemte sich endlich und mußte eigent¬
lich die ganze Rechnung bezahlen. Denn um das Princip zu retten, daß
Krakau nicht' russisch werden dürfe, mußte es nicht nur den Freistaat
übernehmen, ein Zuwachs, der ihm durchaus nicht willkommen fein
konnte, da es einen ganzen Stamm Revolutionäre in seine eigene Mitte
pflanzt und es mit einem Territorium bereichert, bei dessen Besetzung es
mehr Schaden als Nutzen hat, sondern es mußte obendrein noch diese
zweideutige Erwerbung bezahlen, an Preußen durch eine der fruchtbar¬
sten Länderstrecken in Oberschlesien, und an Rußland durch ein Stück
von seinem Galizischen Boden- Man kann mit Recht sagen: Oesterreich
hat entschiedenes Unglück in diesem Handel und die Wiener machten den
Witz: die Einverleibung Krakau's sei, als ob man Jemand einen wü¬
thenden Hunde zum Geschenk machte. Es liegt für uns Oesterreicher
eine bittere Komik darin, wenn ein Berliner Journal plötzlich die "Un-
eigennützigkeit" des Czaren bei dieser Gelegenheit rühmt, weil ein russi¬
scher (!) Diplomat erzählt hat: I_/on>i>el-cui- -", <je>in,6 c.^no blauen"
^ cauZv 6e lit Lracuviv; fmtesvn ce <in" veins voille?. Frei¬
lich! Nachdem der weise Czar seinen Willen durchgesetzt hat, und
Krakau's Freistaat von der Landcharte verschwunden war und Oesterreich
es übernahm, konnte er gut uneigennützig sein -- "s-utesen o<z qne
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wahrlich, wir würden auch ganz was anderes thun, als Rußland gethan
hätte, wenn es Krakau zugeschlagen bekommen hatte.

Oesterreich, das jetzt von der ganzen Welt als ein Usurpator, als ein
Freiheitsmörder, als der letzte Henker Polens aufgeschrien wird, gegen
das sich alle Blitze der öffentlichen Meinung richten, hat doch in diesem
Augenblicke mit Selbstaufopferung gehandelt. Freilich ist eS komisch,
wenn man von der Selbstaufopferung eines großen Staates in demsel¬
ben Augenblicke spricht, wo es einen anderen kleinern und ohnmächtigen
verschluckt, wo es zur letzten Löschung des freien polnischen Namens sich
zum Werkzeug hergibt! Und doch wiederholen wir, Oesterreich handelte mit
Aufopferung! und obendrein wird (mit Ausnahme des militärischen Vor¬
theils durch die Befestigung der österreichischen und deutschen Flanke nach
dieser Seite zu), aller Vortheil dieses Opfers Krakau selbst zukommen.
Die polnische Sache hat verloren durch die ganze Maßregel -- aber
nachdem diese ein Mal von der Majorität der drei Schutzmachte beschlossen,
war, hat Krakau für sich gewonnen, daß es an Oesterreich und nicht an
die Russen kam.

Eine andere Frage müssen wir Oehls"reicher an unsere Regierung thun.
War die Aufhebung des Freistaats wirklich nicht abzuwehren? War
Oesterreichs Stimme im Rathe der Drei so schwach, um sich beugen
zu müssen? Ist eine Allianz mit Frankreich eine von Oesterreich so ent-


endlich herbeiführte, was auch mit der Reise des Grafen Fiquelmont
(bekanntlich früher österreichischer Gesandter in Se. Petersburg) nach
Berlin und mit dem Besuch des Königs von Preußen in Königswart
in Verbindung steht. Oesterreich bequemte sich endlich und mußte eigent¬
lich die ganze Rechnung bezahlen. Denn um das Princip zu retten, daß
Krakau nicht' russisch werden dürfe, mußte es nicht nur den Freistaat
übernehmen, ein Zuwachs, der ihm durchaus nicht willkommen fein
konnte, da es einen ganzen Stamm Revolutionäre in seine eigene Mitte
pflanzt und es mit einem Territorium bereichert, bei dessen Besetzung es
mehr Schaden als Nutzen hat, sondern es mußte obendrein noch diese
zweideutige Erwerbung bezahlen, an Preußen durch eine der fruchtbar¬
sten Länderstrecken in Oberschlesien, und an Rußland durch ein Stück
von seinem Galizischen Boden- Man kann mit Recht sagen: Oesterreich
hat entschiedenes Unglück in diesem Handel und die Wiener machten den
Witz: die Einverleibung Krakau's sei, als ob man Jemand einen wü¬
thenden Hunde zum Geschenk machte. Es liegt für uns Oesterreicher
eine bittere Komik darin, wenn ein Berliner Journal plötzlich die „Un-
eigennützigkeit" des Czaren bei dieser Gelegenheit rühmt, weil ein russi¬
scher (!) Diplomat erzählt hat: I_/on>i>el-cui- -», <je>in,6 c.^no blauen«
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wahrlich, wir würden auch ganz was anderes thun, als Rußland gethan
hätte, wenn es Krakau zugeschlagen bekommen hatte.

Oesterreich, das jetzt von der ganzen Welt als ein Usurpator, als ein
Freiheitsmörder, als der letzte Henker Polens aufgeschrien wird, gegen
das sich alle Blitze der öffentlichen Meinung richten, hat doch in diesem
Augenblicke mit Selbstaufopferung gehandelt. Freilich ist eS komisch,
wenn man von der Selbstaufopferung eines großen Staates in demsel¬
ben Augenblicke spricht, wo es einen anderen kleinern und ohnmächtigen
verschluckt, wo es zur letzten Löschung des freien polnischen Namens sich
zum Werkzeug hergibt! Und doch wiederholen wir, Oesterreich handelte mit
Aufopferung! und obendrein wird (mit Ausnahme des militärischen Vor¬
theils durch die Befestigung der österreichischen und deutschen Flanke nach
dieser Seite zu), aller Vortheil dieses Opfers Krakau selbst zukommen.
Die polnische Sache hat verloren durch die ganze Maßregel — aber
nachdem diese ein Mal von der Majorität der drei Schutzmachte beschlossen,
war, hat Krakau für sich gewonnen, daß es an Oesterreich und nicht an
die Russen kam.

Eine andere Frage müssen wir Oehls«reicher an unsere Regierung thun.
War die Aufhebung des Freistaats wirklich nicht abzuwehren? War
Oesterreichs Stimme im Rathe der Drei so schwach, um sich beugen
zu müssen? Ist eine Allianz mit Frankreich eine von Oesterreich so ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/357>, abgerufen am 23.07.2024.