Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.andere "Thränen", wie der Student einen mäßigen Trunk nennt, ge¬ "Wo hab' ich denn geschlafen?" rief ich, mir die Augen reibend, "In meinem Bette, Fuchs. Es ist zehn Uhr und Du kannst auf¬ "In Deinem Bette? Und du?" "Auf dem Sopha. Du warst gestern etwas trunkfällig geworden, "Verzeih' mir, daß ich Dir lästig geworden bin. In Deinem "Hat gar nichts zu bedeuten, da ich Dich ohnehin gestern zu Die Seminolen zählten keinen bessern Mann als Perglow, und andere „Thränen", wie der Student einen mäßigen Trunk nennt, ge¬ „Wo hab' ich denn geschlafen?" rief ich, mir die Augen reibend, „In meinem Bette, Fuchs. Es ist zehn Uhr und Du kannst auf¬ „In Deinem Bette? Und du?" „Auf dem Sopha. Du warst gestern etwas trunkfällig geworden, „Verzeih' mir, daß ich Dir lästig geworden bin. In Deinem „Hat gar nichts zu bedeuten, da ich Dich ohnehin gestern zu Die Seminolen zählten keinen bessern Mann als Perglow, und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0340" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183922"/> <p xml:id="ID_1030" prev="#ID_1029"> andere „Thränen", wie der Student einen mäßigen Trunk nennt, ge¬<lb/> kommen und nach und nach vergaß ich den engen Sitz auf dem Ein¬<lb/> spänner. Ich muß später noch viel mehr vergessen haben, d. h. selbst<lb/> meine Wohnung im Hütel de Pologne. Denn als ich des andern<lb/> Morgens erwachte, lag ich, anstatt in meinem Zimmer, in einem dun¬<lb/> keln Alkoven, der wie eine Waffenkammer mit allerhand Säbel- und<lb/> Degenklingen ausgeschmückt war, inmitten welcher dicke Fechthandschuhe,<lb/> auch Pistolen und Paukhüte hingen. Betroffen richtete ich mich im<lb/> Bette empor; die Stubenthür stand offen und draußen, wo es Heller<lb/> Tag war, gewahrte ich die ritterliche Gestalt Perglow's, die dort<lb/> munter auf- und abging.</p><lb/> <p xml:id="ID_1031"> „Wo hab' ich denn geschlafen?" rief ich, mir die Augen reibend,<lb/> in'S Zimmer hinein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1032"> „In meinem Bette, Fuchs. Es ist zehn Uhr und Du kannst auf¬<lb/> stehen. Ich habe das Frühstück bestellt."</p><lb/> <p xml:id="ID_1033"> „In Deinem Bette? Und du?"</p><lb/> <p xml:id="ID_1034"> „Auf dem Sopha. Du warst gestern etwas trunkfällig geworden,<lb/> als wir nach Hause gingen und wußtest nicht recht, wohin. Da nahm<lb/> ich Dich denn mit mir."</p><lb/> <p xml:id="ID_1035"> „Verzeih' mir, daß ich Dir lästig geworden bin. In Deinem<lb/> Bette! Du auf dem Sopha!" Die Herablassung des großen Häupt¬<lb/> lings rührte und entzückte mich, daß ich nur mit weicher, erschütterter<lb/> Stimme zu sprechen vermochte, ungefähr wie Ziethen aus dem Kupfer¬<lb/> stiche, wo ihm König Friedrich Is. seinen Besuch vor dem Bette macht.<lb/> „Es soll mir eine solche Rücksichtslosigkeit nicht wieder begegnen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1036"> „Hat gar nichts zu bedeuten, da ich Dich ohnehin gestern zu<lb/> meinem Leibfuchs ausgewählt habe. Ich werde Dich selbst einschlagen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1037"> Die Seminolen zählten keinen bessern Mann als Perglow, und<lb/> kein anderer Kriegerstamm der Universität hatte einen Helden seines<lb/> Gleichen aufzuweisen. Ich sein Leibfuchs! Damit stand ich auf dem<lb/> Gipfel akademischen Glücks. Fahr' wohl, Julie! Was war mir Deine<lb/> verrathene Liebe gegen die entgegengebrachte Freundschaft eines Perglow!<lb/> Als ich eine Stunde später mit ihm über den Marktplatz ging, war es<lb/> sehr wohlgethan von den Laternenpfählcn, daß sie niir auswichen. Mein<lb/> Stolz schritt zu straff vorwärts, um irgend einem lebendigen oder leb¬<lb/> losen Hindernisse aus dem Wege zu treten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0340]
andere „Thränen", wie der Student einen mäßigen Trunk nennt, ge¬
kommen und nach und nach vergaß ich den engen Sitz auf dem Ein¬
spänner. Ich muß später noch viel mehr vergessen haben, d. h. selbst
meine Wohnung im Hütel de Pologne. Denn als ich des andern
Morgens erwachte, lag ich, anstatt in meinem Zimmer, in einem dun¬
keln Alkoven, der wie eine Waffenkammer mit allerhand Säbel- und
Degenklingen ausgeschmückt war, inmitten welcher dicke Fechthandschuhe,
auch Pistolen und Paukhüte hingen. Betroffen richtete ich mich im
Bette empor; die Stubenthür stand offen und draußen, wo es Heller
Tag war, gewahrte ich die ritterliche Gestalt Perglow's, die dort
munter auf- und abging.
„Wo hab' ich denn geschlafen?" rief ich, mir die Augen reibend,
in'S Zimmer hinein.
„In meinem Bette, Fuchs. Es ist zehn Uhr und Du kannst auf¬
stehen. Ich habe das Frühstück bestellt."
„In Deinem Bette? Und du?"
„Auf dem Sopha. Du warst gestern etwas trunkfällig geworden,
als wir nach Hause gingen und wußtest nicht recht, wohin. Da nahm
ich Dich denn mit mir."
„Verzeih' mir, daß ich Dir lästig geworden bin. In Deinem
Bette! Du auf dem Sopha!" Die Herablassung des großen Häupt¬
lings rührte und entzückte mich, daß ich nur mit weicher, erschütterter
Stimme zu sprechen vermochte, ungefähr wie Ziethen aus dem Kupfer¬
stiche, wo ihm König Friedrich Is. seinen Besuch vor dem Bette macht.
„Es soll mir eine solche Rücksichtslosigkeit nicht wieder begegnen."
„Hat gar nichts zu bedeuten, da ich Dich ohnehin gestern zu
meinem Leibfuchs ausgewählt habe. Ich werde Dich selbst einschlagen."
Die Seminolen zählten keinen bessern Mann als Perglow, und
kein anderer Kriegerstamm der Universität hatte einen Helden seines
Gleichen aufzuweisen. Ich sein Leibfuchs! Damit stand ich auf dem
Gipfel akademischen Glücks. Fahr' wohl, Julie! Was war mir Deine
verrathene Liebe gegen die entgegengebrachte Freundschaft eines Perglow!
Als ich eine Stunde später mit ihm über den Marktplatz ging, war es
sehr wohlgethan von den Laternenpfählcn, daß sie niir auswichen. Mein
Stolz schritt zu straff vorwärts, um irgend einem lebendigen oder leb¬
losen Hindernisse aus dem Wege zu treten.
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