Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.Fürst einer dortigen Provinz die Erlaubniß ab, in die Residenz des Usur¬ Ein Theil der hiesigen untergeordneten Beamtenwelt hat sich kürzlich 4V *
Fürst einer dortigen Provinz die Erlaubniß ab, in die Residenz des Usur¬ Ein Theil der hiesigen untergeordneten Beamtenwelt hat sich kürzlich 4V *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0299" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183881"/> <p xml:id="ID_832" prev="#ID_831"> Fürst einer dortigen Provinz die Erlaubniß ab, in die Residenz des Usur¬<lb/> pators der Fürstenthümer zu kommen! Als der Vladika vor einigen<lb/> Jahren das erste Mal hier war, wurde er mit vieler Auszeichnung empfangen;<lb/> hatte dieser Mann damals mehr Bedeutung? Ist der wichtige Schluss<lb/> sel, den er in der Hand halt, jetzt unsicher? In der That: Rußland<lb/> hat mit goldenem Finger diesen Schlüssel .in sich genommen und da¬<lb/> durch eine Festung für sein einstiges Reich an der untern Donau<lb/> gewonnen. Montenegros unbezwungene Berge werden in nicht gar<lb/> serner Zukunft eine wichtige Rolle in jenen Gegenden spielen, denn<lb/> man ist keinen Tag sicher, daß nicht die Nachricht einlauft, Bos¬<lb/> nien, Albanien, die Herzegowina sind gegen den Islam aufgestanden;<lb/> Montenegro, eingekeilt in diesem Winkel, ist der Schlüssel jener herrli¬<lb/> chen Provinzen, und Rußland wird sich diese Gelegenheit, ja kann und<lb/> darf sie sich nicht entgehen lassen, ebenso wenig, als sie Oesterreich sich<lb/> früher entgehen ließ. Werfen Sie einen Blick auf die Karte, welche weite<lb/> Wohnung dann unser Nachbar in unserem Rücken nimmt!</p><lb/> <p xml:id="ID_833" next="#ID_834"> Ein Theil der hiesigen untergeordneten Beamtenwelt hat sich kürzlich<lb/> in einer Eingabe an den Hoftammer-Präsidenten gewendet und in Hin¬<lb/> sicht auf die fo enorm zunehmende Theuerung um einen sogenannten<lb/> „Theuerungsbeitrag" gebeten, weil es Vielen, ja den Meisten nicht mehr<lb/> möglich ist, mit Familie von ihrem äußerst geringen Gehalte zu leben.<lb/> Sie weisen darauf hin, daß auch der König von Baiern seinen Beamten<lb/> für den bevorstehenden Winter einen Theuerungsbeilrag bewilligt, und<lb/> hoffen nun sowohl von der Huld des Kaisers, als der Vorsorge des Prä¬<lb/> sidenten, eine ähnliche Gnade, oder einfacher gesagt: ein ähnliches Almosen.<lb/> Der Präsident Kübel antwortete ihnen aber: er sehe sich leider genöthigt,<lb/> ihnen die ihm selbst so dringend scheinende Bitte abzuschlagen, indem die<lb/> Finanzen des Staates jetzt unmöglich in der Lage seien, eine so uner¬<lb/> wartete und außerordentliche Ausgabe bewilligen zu können. Er hätte noch<lb/> wahrer gesprochen, wenn er unsern jetzigen Zustand eine bittere Armuth<lb/> genannt hätte. Aber dcrHof, dem, wenn auch nicht diese Eingabe, so doch die<lb/> jetzige Theuerung und das jämmerliche Besoldungsverhältniß unserer nie¬<lb/> dern Beamten bekannt sein muß, sollte hochherzig als milder Rettungsengel<lb/> auftreten. Man vergesse nicht, wie ein solcher Austand den Geist<lb/> unserer Beamtenwelt demoralistren muß! Welcher Familienvater soll<lb/> sowohl der Versuchung, der Bestechung widerstehen, wenn er bei dieser Zeit<lb/> seine leidende Familie damit unterstützen kann? und mit welchem Gefühle<lb/> erfüllt dann der Arme seine Pflicht, wenn er sich im Dienste eines Staates<lb/> sieht, der seinen Beamten zur Zeit der Noth wenigstens nicht in etwas<lb/> die rettende Hand bietet? Man hat die allzu niedern Besoldungen schon<lb/> lange als einen Krebsschaden des österreichischen Beamrcnwesens erkannt,<lb/> und man muß, um nur ein Beispiel zu geben, nur die Grenzdistricte<lb/> bereist haben, um zu sehen, wie der Beamte mit seinem niedern Ge¬<lb/> halte sein Gewissen betäubt und selbst die Hand zur Defraudation<lb/> bietet. Es gibt vorzüglich beim Eameralwesen Beamte, welche von den<lb/> betreffenden Parteien einen jährlichen Gehalt beziehen, der oft größer ist<lb/> als jener, welchen der Staat ihnen gibt, und nicht wenige Beamte auch</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 4V *</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0299]
Fürst einer dortigen Provinz die Erlaubniß ab, in die Residenz des Usur¬
pators der Fürstenthümer zu kommen! Als der Vladika vor einigen
Jahren das erste Mal hier war, wurde er mit vieler Auszeichnung empfangen;
hatte dieser Mann damals mehr Bedeutung? Ist der wichtige Schluss
sel, den er in der Hand halt, jetzt unsicher? In der That: Rußland
hat mit goldenem Finger diesen Schlüssel .in sich genommen und da¬
durch eine Festung für sein einstiges Reich an der untern Donau
gewonnen. Montenegros unbezwungene Berge werden in nicht gar
serner Zukunft eine wichtige Rolle in jenen Gegenden spielen, denn
man ist keinen Tag sicher, daß nicht die Nachricht einlauft, Bos¬
nien, Albanien, die Herzegowina sind gegen den Islam aufgestanden;
Montenegro, eingekeilt in diesem Winkel, ist der Schlüssel jener herrli¬
chen Provinzen, und Rußland wird sich diese Gelegenheit, ja kann und
darf sie sich nicht entgehen lassen, ebenso wenig, als sie Oesterreich sich
früher entgehen ließ. Werfen Sie einen Blick auf die Karte, welche weite
Wohnung dann unser Nachbar in unserem Rücken nimmt!
Ein Theil der hiesigen untergeordneten Beamtenwelt hat sich kürzlich
in einer Eingabe an den Hoftammer-Präsidenten gewendet und in Hin¬
sicht auf die fo enorm zunehmende Theuerung um einen sogenannten
„Theuerungsbeitrag" gebeten, weil es Vielen, ja den Meisten nicht mehr
möglich ist, mit Familie von ihrem äußerst geringen Gehalte zu leben.
Sie weisen darauf hin, daß auch der König von Baiern seinen Beamten
für den bevorstehenden Winter einen Theuerungsbeilrag bewilligt, und
hoffen nun sowohl von der Huld des Kaisers, als der Vorsorge des Prä¬
sidenten, eine ähnliche Gnade, oder einfacher gesagt: ein ähnliches Almosen.
Der Präsident Kübel antwortete ihnen aber: er sehe sich leider genöthigt,
ihnen die ihm selbst so dringend scheinende Bitte abzuschlagen, indem die
Finanzen des Staates jetzt unmöglich in der Lage seien, eine so uner¬
wartete und außerordentliche Ausgabe bewilligen zu können. Er hätte noch
wahrer gesprochen, wenn er unsern jetzigen Zustand eine bittere Armuth
genannt hätte. Aber dcrHof, dem, wenn auch nicht diese Eingabe, so doch die
jetzige Theuerung und das jämmerliche Besoldungsverhältniß unserer nie¬
dern Beamten bekannt sein muß, sollte hochherzig als milder Rettungsengel
auftreten. Man vergesse nicht, wie ein solcher Austand den Geist
unserer Beamtenwelt demoralistren muß! Welcher Familienvater soll
sowohl der Versuchung, der Bestechung widerstehen, wenn er bei dieser Zeit
seine leidende Familie damit unterstützen kann? und mit welchem Gefühle
erfüllt dann der Arme seine Pflicht, wenn er sich im Dienste eines Staates
sieht, der seinen Beamten zur Zeit der Noth wenigstens nicht in etwas
die rettende Hand bietet? Man hat die allzu niedern Besoldungen schon
lange als einen Krebsschaden des österreichischen Beamrcnwesens erkannt,
und man muß, um nur ein Beispiel zu geben, nur die Grenzdistricte
bereist haben, um zu sehen, wie der Beamte mit seinem niedern Ge¬
halte sein Gewissen betäubt und selbst die Hand zur Defraudation
bietet. Es gibt vorzüglich beim Eameralwesen Beamte, welche von den
betreffenden Parteien einen jährlichen Gehalt beziehen, der oft größer ist
als jener, welchen der Staat ihnen gibt, und nicht wenige Beamte auch
4V *
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |