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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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erst das Dach machen und dann erst "n den Grund denken: sie
wollten ihre Industrie emancipiren und begannen zuerst mit dem
Schutzverein, und dann mit dem Fabriks-Verein, d. h. dem Verein
zur Errichtung von Fabriken im Lande; denn, sollte man es glauben,
als der Schutzverein gegründet wurde, hatte das ganze große Un¬
garn keine einzige Spinnfabrik, keine einzige Baumwollwaarenfabnh
Eine Tuchfabrik, zwei Porcellanfabriken, zwei Seidenfabriken in Pesth,
eine Glasfabrik, ein paar Eisenhämmer auf den Coburg'schen Gütern,
einige Papierfabriken und mehrere Cigarrenfabriken; das übrige
waren meist zünftige Gewerbe, als Handschuhmacher, Gerber, Hut¬
macher :c. :c., von einer Industrie im Großen nirgends eine Spur
Diese Industrie, so nothwendig, um den Schutzverein eine Wahrheit
sein zu lassen, sollte nun der Fabriksverein ins Leben rufen, und in
der That figurirten auf den Subfcripttonslisten neben den bescheidenen
Ziffern des vorsichtigen Kaufmaimsstandes, die vielen Nullen des ho¬
hen Adels, so daß man glauben sollte, es müßten Millionen zusam¬
menfließen. Aber endlich, als es zu den Einzahlungen kam, schmolzen
diese großen Subscriptionösummen zu so bescheidenen Ziffern zusam¬
men, daß auch diese Sache zusammenfiel. Unter die Tendenzen des
Fabrikvereins gehörte es auch, Jene, welche in Ungarn Fabriken er¬
richten wollten, durch Vorschüsse zu unterstützen; welche Bedingungen
machte aber da der Verein? Für's Erste natürlich vollkommene Sicher-
stellung des Darlehens, dann sechs Procent Interessen und endlich je¬
derzeit Einsicht in die Bücher des Geschäfts; es waren dieses die klüg¬
sten Bedingungen, um Jedermann von einem Anlehnsgesuche abzuhal¬
ten. Und nun muß man denken, was aus der ungarischen Handels¬
gesellschaft werden mußte, da ihr mit unumschränkter Vollmacht aus¬
gerüsteter Director rein eine Creatur jener Männer war, welche an
der Spitze der oben genannten Vereine standen. Von dem Momente
an, wo nach dem Rechnungsabschlusse des ersten Jahres diese Partei
es durchsetzte, daß Szabo unumschränkte Vollmacht erhielt, waren schon
erfahrene Kaufleute hier und in Pesth der Meinung, daß die ganze Sache
einen schiefen Gang nehmen würde, denn hier kannte man Szabo nur
als einen jungen Menschen ohne Erfahrung und Geschäftskenntniß, in
Pesth aber als einen Schwindler, Radamonteur und -- Bankrotcur!
Die Gesellschaft kann unter den jetzigen Verhältnissen, wo sich die Fäl¬
schungen in der Buchführung immer mehr und mehr herausstellen, froh
fein, wenn sie mit einem Schaden von 2"v,Wi) Fi. durchkomme. Auch
wurde in der letzten Generalfltzung vor einigen Tagen beschlossen, daß


erst das Dach machen und dann erst «n den Grund denken: sie
wollten ihre Industrie emancipiren und begannen zuerst mit dem
Schutzverein, und dann mit dem Fabriks-Verein, d. h. dem Verein
zur Errichtung von Fabriken im Lande; denn, sollte man es glauben,
als der Schutzverein gegründet wurde, hatte das ganze große Un¬
garn keine einzige Spinnfabrik, keine einzige Baumwollwaarenfabnh
Eine Tuchfabrik, zwei Porcellanfabriken, zwei Seidenfabriken in Pesth,
eine Glasfabrik, ein paar Eisenhämmer auf den Coburg'schen Gütern,
einige Papierfabriken und mehrere Cigarrenfabriken; das übrige
waren meist zünftige Gewerbe, als Handschuhmacher, Gerber, Hut¬
macher :c. :c., von einer Industrie im Großen nirgends eine Spur
Diese Industrie, so nothwendig, um den Schutzverein eine Wahrheit
sein zu lassen, sollte nun der Fabriksverein ins Leben rufen, und in
der That figurirten auf den Subfcripttonslisten neben den bescheidenen
Ziffern des vorsichtigen Kaufmaimsstandes, die vielen Nullen des ho¬
hen Adels, so daß man glauben sollte, es müßten Millionen zusam¬
menfließen. Aber endlich, als es zu den Einzahlungen kam, schmolzen
diese großen Subscriptionösummen zu so bescheidenen Ziffern zusam¬
men, daß auch diese Sache zusammenfiel. Unter die Tendenzen des
Fabrikvereins gehörte es auch, Jene, welche in Ungarn Fabriken er¬
richten wollten, durch Vorschüsse zu unterstützen; welche Bedingungen
machte aber da der Verein? Für's Erste natürlich vollkommene Sicher-
stellung des Darlehens, dann sechs Procent Interessen und endlich je¬
derzeit Einsicht in die Bücher des Geschäfts; es waren dieses die klüg¬
sten Bedingungen, um Jedermann von einem Anlehnsgesuche abzuhal¬
ten. Und nun muß man denken, was aus der ungarischen Handels¬
gesellschaft werden mußte, da ihr mit unumschränkter Vollmacht aus¬
gerüsteter Director rein eine Creatur jener Männer war, welche an
der Spitze der oben genannten Vereine standen. Von dem Momente
an, wo nach dem Rechnungsabschlusse des ersten Jahres diese Partei
es durchsetzte, daß Szabo unumschränkte Vollmacht erhielt, waren schon
erfahrene Kaufleute hier und in Pesth der Meinung, daß die ganze Sache
einen schiefen Gang nehmen würde, denn hier kannte man Szabo nur
als einen jungen Menschen ohne Erfahrung und Geschäftskenntniß, in
Pesth aber als einen Schwindler, Radamonteur und — Bankrotcur!
Die Gesellschaft kann unter den jetzigen Verhältnissen, wo sich die Fäl¬
schungen in der Buchführung immer mehr und mehr herausstellen, froh
fein, wenn sie mit einem Schaden von 2»v,Wi) Fi. durchkomme. Auch
wurde in der letzten Generalfltzung vor einigen Tagen beschlossen, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/286>, abgerufen am 23.07.2024.