Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.und weil jeder von den Regierungen anerkannte Katechismus der schul¬ Steht es um die Erziehung der Kinder mißlich, so noch weit mehr Es ergibt sich nun aus unsern Betrachtungen folgender Schluß: und weil jeder von den Regierungen anerkannte Katechismus der schul¬ Steht es um die Erziehung der Kinder mißlich, so noch weit mehr Es ergibt sich nun aus unsern Betrachtungen folgender Schluß: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183862"/> <p xml:id="ID_778" prev="#ID_777"> und weil jeder von den Regierungen anerkannte Katechismus der schul¬<lb/> gemäßen Behandlung zu arg widerstrebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_779"> Steht es um die Erziehung der Kinder mißlich, so noch weit mehr<lb/> um die richtige Leitung der angehenden Jünglinge während der sittlich<lb/> gefährlichsten Lebensjahre, d. h. vom dreizehnten bis achtzehnten. Der<lb/> junge Mensch, welcher nicht mehr Knabe sein will, beobachtet die Er¬<lb/> wachsenen, denen er sich gern gleichstellt, ohne sich von ihnen sonder¬<lb/> lich beachtet oder doch richtig genommen zu werden, angespannt, ahmt<lb/> ihnen leidenschaftlich blind nach, hält sich aber vorzugsweise an Aeußer-<lb/> lichkeiten, die er mit der Sache selbst verwechselt. Daher ist die Zu¬<lb/> ziehung solcher jungen Leute zu den Gesellschaften, den Vergnügungen,<lb/> den Genüssen der Erwachsenen nicht blos bedenklich, sondern jenen fast<lb/> ohne Ausnahme verderblich und erzeugt allerlei Uebel, deren Wurzel<lb/> man anderwärts vergebens sucht. Von dem nächsten Beispiele, den<lb/> unmittelbaren Umgebungen, den Freundschaften hängt daher sehr oft<lb/> die Sinnesweise, das sich entwickelnde und befestigende sittliche Gepräge,<lb/> also das innere Lebensglück des Menschen ab. Und wer leitet den<lb/> jungen Menschen durch jene Gefahren? Wer sorgt um ihn? Selten<lb/> Jemand ernstlich. Denn ein großer Theil der jungen Leute muß bei<lb/> Herren dienen, wer nicht gefällt, wird fortgejagt, Keiner erzogen; ein<lb/> zweiter, sich selbst und seinen Gelüsten überlassen, arbeitet in Fabriken<lb/> um spärlichen Lohn, Keiner wird erzogen; ein dritter befindet sich in<lb/> der Lehre bei Gewerksmeistern, die aber nicht mehr, wie ehemals, auch<lb/> außer den Arbeitsstunden ihre Lehrlinge in Zucht und Ordnung halten,<lb/> Keiner wird da erzogen; ein vierter genießt höhern Unterricht in Gym¬<lb/> nasien, Gewerböschulen u. s. w. und spielt gern, falls es irgendwie<lb/> angeht, den unabhängigen Herrn. Dieser ist hauptsächlich vielfachen<lb/> und starken Versuchungen zu unsittlichen und unrechtlichen Handlungen<lb/> ausgesetzt und unterliegt ihnen häufiger, als daß er sie inkräftig be¬<lb/> siegt. Aus ihm ergänzt sich aber der Stand der öffentlichen Beamteten,<lb/> der einflußreicheren Kaufleute, der Vorsteher umfassender gewerblicher<lb/> Anstalten u. s. w., überhaupt der Stand, dessen Glieder dem Volke<lb/> Führer und Beispiele sittlichen und rechtlichen Lebenswandels sein sollen.<lb/> Und wie wenige von ihnen, im Ganzen genommen, sind wirklich erzogen,'<lb/> obgleich die meisten wohlunterrichtet!</p><lb/> <p xml:id="ID_780" next="#ID_781"> Es ergibt sich nun aus unsern Betrachtungen folgender Schluß:<lb/> 1. Von einer öffentlichen, richtig geleiteten Erziehung der Jugett'^<lb/> ist weit mehr als vom bloßen Unterrichte für die Hebung und BefeM</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0280]
und weil jeder von den Regierungen anerkannte Katechismus der schul¬
gemäßen Behandlung zu arg widerstrebt.
Steht es um die Erziehung der Kinder mißlich, so noch weit mehr
um die richtige Leitung der angehenden Jünglinge während der sittlich
gefährlichsten Lebensjahre, d. h. vom dreizehnten bis achtzehnten. Der
junge Mensch, welcher nicht mehr Knabe sein will, beobachtet die Er¬
wachsenen, denen er sich gern gleichstellt, ohne sich von ihnen sonder¬
lich beachtet oder doch richtig genommen zu werden, angespannt, ahmt
ihnen leidenschaftlich blind nach, hält sich aber vorzugsweise an Aeußer-
lichkeiten, die er mit der Sache selbst verwechselt. Daher ist die Zu¬
ziehung solcher jungen Leute zu den Gesellschaften, den Vergnügungen,
den Genüssen der Erwachsenen nicht blos bedenklich, sondern jenen fast
ohne Ausnahme verderblich und erzeugt allerlei Uebel, deren Wurzel
man anderwärts vergebens sucht. Von dem nächsten Beispiele, den
unmittelbaren Umgebungen, den Freundschaften hängt daher sehr oft
die Sinnesweise, das sich entwickelnde und befestigende sittliche Gepräge,
also das innere Lebensglück des Menschen ab. Und wer leitet den
jungen Menschen durch jene Gefahren? Wer sorgt um ihn? Selten
Jemand ernstlich. Denn ein großer Theil der jungen Leute muß bei
Herren dienen, wer nicht gefällt, wird fortgejagt, Keiner erzogen; ein
zweiter, sich selbst und seinen Gelüsten überlassen, arbeitet in Fabriken
um spärlichen Lohn, Keiner wird erzogen; ein dritter befindet sich in
der Lehre bei Gewerksmeistern, die aber nicht mehr, wie ehemals, auch
außer den Arbeitsstunden ihre Lehrlinge in Zucht und Ordnung halten,
Keiner wird da erzogen; ein vierter genießt höhern Unterricht in Gym¬
nasien, Gewerböschulen u. s. w. und spielt gern, falls es irgendwie
angeht, den unabhängigen Herrn. Dieser ist hauptsächlich vielfachen
und starken Versuchungen zu unsittlichen und unrechtlichen Handlungen
ausgesetzt und unterliegt ihnen häufiger, als daß er sie inkräftig be¬
siegt. Aus ihm ergänzt sich aber der Stand der öffentlichen Beamteten,
der einflußreicheren Kaufleute, der Vorsteher umfassender gewerblicher
Anstalten u. s. w., überhaupt der Stand, dessen Glieder dem Volke
Führer und Beispiele sittlichen und rechtlichen Lebenswandels sein sollen.
Und wie wenige von ihnen, im Ganzen genommen, sind wirklich erzogen,'
obgleich die meisten wohlunterrichtet!
Es ergibt sich nun aus unsern Betrachtungen folgender Schluß:
1. Von einer öffentlichen, richtig geleiteten Erziehung der Jugett'^
ist weit mehr als vom bloßen Unterrichte für die Hebung und BefeM
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