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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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das Wohl des Gefeierten sowie seines alten Meisters von Schadow, auf
das Zusammenleben der Bürger und Maler und auf eine schöne Zukunft
der Kunst und ihrer hiesigen Schule berichten. So aber muß ich mich
beschränken, Ihren Lesern mitzutheilen, daß die Demonstration der Bür¬
ger an die Herren der Kunst für letztere von großer Bedeutung sein wird,
Geschaart im Kreise um ihren hochverdienten Director schwuren die Jün¬
ger der Akademie, in fester Vereinigung fortzupflanzen, was er geschaffen ;
Hand in Hand mit ihnen schlössen die Bürger der Stadt einen schönen
Bund für's fernere Ausammenleben und die Losung Aller war: Verein¬
tes Streben zu Ruh und Frommen des Ruhmes der Düsseldorfer
Schule.

Während solchergestalt die rheinische Kunstschule unter sich Triumphe
feiert, geht der böse Geist mit hochgcschwungenem Gänsekiel aus der Ber¬
liner Ausstellung umher, zu suchen, wen er verschlinge. Es sind halt
mal wieder die Düsseldorfer Bilder -- und es ist 'ebenfalls halt wieder
das alte Lied von der Düsseldorfer Sentimentalität! Jenen Kritikern
geht es grade so wie (nach Kalisch) unserm Adel -- sie leben von histo¬
rischen Erinnerungen. Statt sich eine Waffe aus neuer Werkstatt zu
schmieden, greifen sie zu der längst verschimmelten Partisane, hervorgeholt
aus der Rumpelkammer der weiland brühenden Düsseldorfer Romantik;
mit diesem uralten Sündenbock stoßen sie durch die Leinwand der neuen
Bilder, und beweisen damit, daß der zehnjährige Rost, den der neue
Aufschwung unserer Schule auf die alte Waffe gelegt, dies alte Eisen
noch nicht zerfressen hat. Wenn doch die Mitglieder der Düsseldorfer
Schule endlich einmal Ablaß erhielten für ihre uralten Sünden! Die
hartherzigen Berliner Beichtvater können es aber nimmer verschmerzen,
daß die Sünderin, Düsseldorfer Schule genannt, trotz aller Beschimpfung
immer noch schön ist, und daß sie diese ihre bürgerliche Schönheit den
Wünschen und Lüsten des alten Aristokraten, Berliner Akademie benannt,
nicht preisgeben will. Wir kennen einige Falle, wo jener Ablaß von
einzelnen Sündern bei diesem oder jenem Tetzel erhandelt worden, legen
aber darauf kein Gewicht, weil dabei Beichtvater und Sünder auf glei¬
cher Stufe moralischen Werihes standen. Wir wollen auch gerne ge¬
statten, daß eine angemessene Buße und Pönitenz für manches hier
begangene Vergehen auferlegt werde mag immerhin die Geißelung
den Sünder hart verwunden, sie gehört einmal dazu, die Sühne verlangt
ihr Opfer. Aber statt der neuen Vergehen immer wieder das alte Ver¬
brechen vorzunehmen, immer wieder das alte Medusenhaupt als Schreck¬
bild anzuwenden -- das ist ebenso ungerecht wie absurd.

Die in Heften erscheinende humoristische Besprechung der Berliner
Ausstellung hat u. A. "ein Vernet'sches Bild in's Düsseldorf'sche über¬
setzt" in Holzschnitt gegeben, worin sie alle lebensvollen Figuren des
französischen Malers versentimentalistrt, d. h. schlaff und süßlich darstellt.
Vor zehn Jahren hatte dieser Witz treffend genannt werden müssen, jetzt
aber geht es damit wie mit den alten Nantiaden und sonstigen Berliner
W. K. Witzen -- sie ziehen nicht mehr.


das Wohl des Gefeierten sowie seines alten Meisters von Schadow, auf
das Zusammenleben der Bürger und Maler und auf eine schöne Zukunft
der Kunst und ihrer hiesigen Schule berichten. So aber muß ich mich
beschränken, Ihren Lesern mitzutheilen, daß die Demonstration der Bür¬
ger an die Herren der Kunst für letztere von großer Bedeutung sein wird,
Geschaart im Kreise um ihren hochverdienten Director schwuren die Jün¬
ger der Akademie, in fester Vereinigung fortzupflanzen, was er geschaffen ;
Hand in Hand mit ihnen schlössen die Bürger der Stadt einen schönen
Bund für's fernere Ausammenleben und die Losung Aller war: Verein¬
tes Streben zu Ruh und Frommen des Ruhmes der Düsseldorfer
Schule.

Während solchergestalt die rheinische Kunstschule unter sich Triumphe
feiert, geht der böse Geist mit hochgcschwungenem Gänsekiel aus der Ber¬
liner Ausstellung umher, zu suchen, wen er verschlinge. Es sind halt
mal wieder die Düsseldorfer Bilder — und es ist 'ebenfalls halt wieder
das alte Lied von der Düsseldorfer Sentimentalität! Jenen Kritikern
geht es grade so wie (nach Kalisch) unserm Adel — sie leben von histo¬
rischen Erinnerungen. Statt sich eine Waffe aus neuer Werkstatt zu
schmieden, greifen sie zu der längst verschimmelten Partisane, hervorgeholt
aus der Rumpelkammer der weiland brühenden Düsseldorfer Romantik;
mit diesem uralten Sündenbock stoßen sie durch die Leinwand der neuen
Bilder, und beweisen damit, daß der zehnjährige Rost, den der neue
Aufschwung unserer Schule auf die alte Waffe gelegt, dies alte Eisen
noch nicht zerfressen hat. Wenn doch die Mitglieder der Düsseldorfer
Schule endlich einmal Ablaß erhielten für ihre uralten Sünden! Die
hartherzigen Berliner Beichtvater können es aber nimmer verschmerzen,
daß die Sünderin, Düsseldorfer Schule genannt, trotz aller Beschimpfung
immer noch schön ist, und daß sie diese ihre bürgerliche Schönheit den
Wünschen und Lüsten des alten Aristokraten, Berliner Akademie benannt,
nicht preisgeben will. Wir kennen einige Falle, wo jener Ablaß von
einzelnen Sündern bei diesem oder jenem Tetzel erhandelt worden, legen
aber darauf kein Gewicht, weil dabei Beichtvater und Sünder auf glei¬
cher Stufe moralischen Werihes standen. Wir wollen auch gerne ge¬
statten, daß eine angemessene Buße und Pönitenz für manches hier
begangene Vergehen auferlegt werde mag immerhin die Geißelung
den Sünder hart verwunden, sie gehört einmal dazu, die Sühne verlangt
ihr Opfer. Aber statt der neuen Vergehen immer wieder das alte Ver¬
brechen vorzunehmen, immer wieder das alte Medusenhaupt als Schreck¬
bild anzuwenden — das ist ebenso ungerecht wie absurd.

Die in Heften erscheinende humoristische Besprechung der Berliner
Ausstellung hat u. A. „ein Vernet'sches Bild in's Düsseldorf'sche über¬
setzt" in Holzschnitt gegeben, worin sie alle lebensvollen Figuren des
französischen Malers versentimentalistrt, d. h. schlaff und süßlich darstellt.
Vor zehn Jahren hatte dieser Witz treffend genannt werden müssen, jetzt
aber geht es damit wie mit den alten Nantiaden und sonstigen Berliner
W. K. Witzen — sie ziehen nicht mehr.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/263>, abgerufen am 26.08.2024.