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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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zweckmäßigste Heilpflaster auszukitten. Eine Allianz Preußens gegen
Oesterreich können wir uns kaum denken, da dieses nicht nur die so
oft und heftig proclamirte deutsche Einheit vollkommen zerstören würde,
sondern auch einen Zustand der Dinge herbei führen würde, die an
die Zeiten des dreißigjährigen Krieges mahnten. Bei jeder Allianz
gegen Frankreich würde Preußen jedoch vor Allem seine Rheinprovinzen
bedroht sehen. Dagegen würde es im Verein mit Oesterreich und
Frankreich ein Heilpflaster finden, durch welches eS keinen Riß in den
Zollverein brächte, wodurch vielmehr diesem selber ein unermeßlicher
Vortheil erwüchse. Es ist freilich wahr, daß Oesterreich sich nicht so
leicht zur Bewilligung dieses Heilpflasters entschließen dürfte, aber
sicher, daß es sich dazu wird entschließen müssen. --

Die dringende Aufforderung, die sonach Preußen, damit es von
der dereinstigen Lösung der orientalischen Frage die vortheilhafteste und
gründlichste Heilung seines bösen Gebrestes ernte, die sonach der Zoll¬
verein besitzt, damit diese anch ihm zum Segen gereiche, alsdann mit
Oesterreich und Frankreich Hand in Hand zu gehen, wird aber noch
wesentlich verstärkt durch ein gewichtiges Moment des deutschen Welt¬
handels. Gleich Oesterreich und Frankreich muß nämlich auch der
Zollverein dafür sorgen, daß die Donau nicht unter russische Herr¬
schaft salle, daß die orientalischen Märkte von Rußland und England
Andern nicht verschlossen werden, was, wenn diese beiden Haie die
Löwenmttheile der türkischen Beute an sich reißen sollten, bet der erclu-
siven Handelspolitik derselben, ganz gewiß erfolgen wird. Der Ver¬
kehr mit dem Oriente ist schon jetzt von großem Belange für Frankreich
und Deutschland, und wird voraussichtlich zu noch weit größerer Be¬
deutung sich erheben, wenn jenen, von der Natur so reich gesegneten
Provinzen erst einmal die Wohlthat geordneter europäischer Verwal¬
tung zu Theil geworden. Die Concurrenz der, noch immer und wohl
noch lange, in den Windeln liegenden russischen Industrie im Oriente
hat Großbritannien nicht zu scheuen, wohl aber die der deutschen und
französischen. Es wird daher zweifelsohne die größten Anstrengungen
machen, diese beiden dort zu verdrängen. Mit der französischen, von
einer großen Seemacht unterstützten, wird ihm das nicht gelingen, wohl
aber mit der deutschen, und am leichtesten mit der des Zollvereins, der
gar keine Seemacht besitzt, wenn ihm Frankreich nicht zur Seite steht,
wenn Preußen durch Verträge mit dieser Macht in der Beziehung
nicht Vorsehung trifft. -- Wo Gründe von so entscheidender Bedeu¬
tung, wie die hier dargelegten, für die Allianz Preußens und des


zweckmäßigste Heilpflaster auszukitten. Eine Allianz Preußens gegen
Oesterreich können wir uns kaum denken, da dieses nicht nur die so
oft und heftig proclamirte deutsche Einheit vollkommen zerstören würde,
sondern auch einen Zustand der Dinge herbei führen würde, die an
die Zeiten des dreißigjährigen Krieges mahnten. Bei jeder Allianz
gegen Frankreich würde Preußen jedoch vor Allem seine Rheinprovinzen
bedroht sehen. Dagegen würde es im Verein mit Oesterreich und
Frankreich ein Heilpflaster finden, durch welches eS keinen Riß in den
Zollverein brächte, wodurch vielmehr diesem selber ein unermeßlicher
Vortheil erwüchse. Es ist freilich wahr, daß Oesterreich sich nicht so
leicht zur Bewilligung dieses Heilpflasters entschließen dürfte, aber
sicher, daß es sich dazu wird entschließen müssen. —

Die dringende Aufforderung, die sonach Preußen, damit es von
der dereinstigen Lösung der orientalischen Frage die vortheilhafteste und
gründlichste Heilung seines bösen Gebrestes ernte, die sonach der Zoll¬
verein besitzt, damit diese anch ihm zum Segen gereiche, alsdann mit
Oesterreich und Frankreich Hand in Hand zu gehen, wird aber noch
wesentlich verstärkt durch ein gewichtiges Moment des deutschen Welt¬
handels. Gleich Oesterreich und Frankreich muß nämlich auch der
Zollverein dafür sorgen, daß die Donau nicht unter russische Herr¬
schaft salle, daß die orientalischen Märkte von Rußland und England
Andern nicht verschlossen werden, was, wenn diese beiden Haie die
Löwenmttheile der türkischen Beute an sich reißen sollten, bet der erclu-
siven Handelspolitik derselben, ganz gewiß erfolgen wird. Der Ver¬
kehr mit dem Oriente ist schon jetzt von großem Belange für Frankreich
und Deutschland, und wird voraussichtlich zu noch weit größerer Be¬
deutung sich erheben, wenn jenen, von der Natur so reich gesegneten
Provinzen erst einmal die Wohlthat geordneter europäischer Verwal¬
tung zu Theil geworden. Die Concurrenz der, noch immer und wohl
noch lange, in den Windeln liegenden russischen Industrie im Oriente
hat Großbritannien nicht zu scheuen, wohl aber die der deutschen und
französischen. Es wird daher zweifelsohne die größten Anstrengungen
machen, diese beiden dort zu verdrängen. Mit der französischen, von
einer großen Seemacht unterstützten, wird ihm das nicht gelingen, wohl
aber mit der deutschen, und am leichtesten mit der des Zollvereins, der
gar keine Seemacht besitzt, wenn ihm Frankreich nicht zur Seite steht,
wenn Preußen durch Verträge mit dieser Macht in der Beziehung
nicht Vorsehung trifft. — Wo Gründe von so entscheidender Bedeu¬
tung, wie die hier dargelegten, für die Allianz Preußens und des


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[0258] zweckmäßigste Heilpflaster auszukitten. Eine Allianz Preußens gegen Oesterreich können wir uns kaum denken, da dieses nicht nur die so oft und heftig proclamirte deutsche Einheit vollkommen zerstören würde, sondern auch einen Zustand der Dinge herbei führen würde, die an die Zeiten des dreißigjährigen Krieges mahnten. Bei jeder Allianz gegen Frankreich würde Preußen jedoch vor Allem seine Rheinprovinzen bedroht sehen. Dagegen würde es im Verein mit Oesterreich und Frankreich ein Heilpflaster finden, durch welches eS keinen Riß in den Zollverein brächte, wodurch vielmehr diesem selber ein unermeßlicher Vortheil erwüchse. Es ist freilich wahr, daß Oesterreich sich nicht so leicht zur Bewilligung dieses Heilpflasters entschließen dürfte, aber sicher, daß es sich dazu wird entschließen müssen. — Die dringende Aufforderung, die sonach Preußen, damit es von der dereinstigen Lösung der orientalischen Frage die vortheilhafteste und gründlichste Heilung seines bösen Gebrestes ernte, die sonach der Zoll¬ verein besitzt, damit diese anch ihm zum Segen gereiche, alsdann mit Oesterreich und Frankreich Hand in Hand zu gehen, wird aber noch wesentlich verstärkt durch ein gewichtiges Moment des deutschen Welt¬ handels. Gleich Oesterreich und Frankreich muß nämlich auch der Zollverein dafür sorgen, daß die Donau nicht unter russische Herr¬ schaft salle, daß die orientalischen Märkte von Rußland und England Andern nicht verschlossen werden, was, wenn diese beiden Haie die Löwenmttheile der türkischen Beute an sich reißen sollten, bet der erclu- siven Handelspolitik derselben, ganz gewiß erfolgen wird. Der Ver¬ kehr mit dem Oriente ist schon jetzt von großem Belange für Frankreich und Deutschland, und wird voraussichtlich zu noch weit größerer Be¬ deutung sich erheben, wenn jenen, von der Natur so reich gesegneten Provinzen erst einmal die Wohlthat geordneter europäischer Verwal¬ tung zu Theil geworden. Die Concurrenz der, noch immer und wohl noch lange, in den Windeln liegenden russischen Industrie im Oriente hat Großbritannien nicht zu scheuen, wohl aber die der deutschen und französischen. Es wird daher zweifelsohne die größten Anstrengungen machen, diese beiden dort zu verdrängen. Mit der französischen, von einer großen Seemacht unterstützten, wird ihm das nicht gelingen, wohl aber mit der deutschen, und am leichtesten mit der des Zollvereins, der gar keine Seemacht besitzt, wenn ihm Frankreich nicht zur Seite steht, wenn Preußen durch Verträge mit dieser Macht in der Beziehung nicht Vorsehung trifft. — Wo Gründe von so entscheidender Bedeu¬ tung, wie die hier dargelegten, für die Allianz Preußens und des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/258>, abgerufen am 23.07.2024.