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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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kostbarer, diesen zu noch größern Gegeneinräumungen geneigt zu machen.
Ich müßte mich aber sehr irren, wenn die Heirath Montpensier's so-
thane Sprödigkeit nicht um ein Bedeutendes minderte, und das pfiffige
Rußland verkennt das so wenig, daß es jetzt, um für diese Sprödig¬
keit sich zu rächen, auch vortheilhaftere Bedingungen mit England ab¬
zuschließen, sich die Miene gibt, als beabsichtige es eine Allianz mit
Frankreich, obwohl ihm an einer solchen, wie vorstehend dargethan
worden, doch bei weitem nicht so viel gelegen sein kann, wie an einem
Bündniß mit dem stolzen Albion.

Es ist jetzt (ich muß bei dem Gegenstande doch etwas verweilen)
in öffentlichen Blättern wieder viel die Rede von einer Allianz zwischen
Rußland und Frankreich, und ängstliche deutsche Politiker trösten sich
damit, daß Kaiser Nikolaus ein viel zu entschiedener Feind der Juli¬
revolution und ihrer Principien, von zu intensiven persönlichen Anti¬
pathien gegen die Dynastie Orleans erfüllt sei, um mit dieser, um mit
dem heutigen Frankreich sich zu verbinden. Paperlapapp! der Scheide¬
wand ist eben nicht viel zu vertrauen. Für seine ohne russische Er-"
laubniß bewerkstelligte Revolution findet Frankreich, für ihre Jllegw'
anat findet die Dynastie Orleans in Se. Petersburg ganz bestimmt
Verzeihung, sobald der natürliche Edelmut!), die angeborne Clemenz
und Versöhnlichkeit des russischen Autokraten durch das Staatsinteresse,
durch die Anforderungen der Staatsraison einige Verstärkungen erhalte,.
Aber dafür, daß Frankreich sich unterstanden hat, das junge Königreich
Griechenland zu gründen -- kein Zweifel, Frankreich ist der eigentliche
Gründer desselben --; daß es ihm behülflich gewesen und noch immer
ist, aus dem Ehaos, in welches zunächst russische Intriguen es gestürzt
und fortwährend zu stürzen suchen, zu einem geordneten constitutionellen
Staatswesen allmälig sich emporzuarbeiten; daß es, in seinem wohl¬
verstandenen Interesse, bei Zeiten dafür gesorgt, daß, wenn die Sterbe¬
stunde des Osmanenreichs schlägt, die griechischen Bevölkerungen des¬
selben an einen andern bestehenden Staat griechischer Religion -- und
das ist die Hauptsache -- sich anschließen können, an einen Staat, der
mit Oesterreichs und Frankreichs Unterstützung wohl im Stande ist,
im Besitze dieser neuen Erwerbungen sich zu behaupten: für diese Tod¬
sünde (sie ist der wahre Grund des Hasses des russischen Autokraten
gegen das Juli-Frankreich und die Dynastie Orleans) wider den hei¬
ligen Geist der russischen Politik gibt es in Se. Petersburg keine Ab¬
solution. Nur wenn Frankreich diese seine Schöpfung fallen lassen,
wenn es sich dazu verstehen würde, sie der russischen Großmuth preis-


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kostbarer, diesen zu noch größern Gegeneinräumungen geneigt zu machen.
Ich müßte mich aber sehr irren, wenn die Heirath Montpensier's so-
thane Sprödigkeit nicht um ein Bedeutendes minderte, und das pfiffige
Rußland verkennt das so wenig, daß es jetzt, um für diese Sprödig¬
keit sich zu rächen, auch vortheilhaftere Bedingungen mit England ab¬
zuschließen, sich die Miene gibt, als beabsichtige es eine Allianz mit
Frankreich, obwohl ihm an einer solchen, wie vorstehend dargethan
worden, doch bei weitem nicht so viel gelegen sein kann, wie an einem
Bündniß mit dem stolzen Albion.

Es ist jetzt (ich muß bei dem Gegenstande doch etwas verweilen)
in öffentlichen Blättern wieder viel die Rede von einer Allianz zwischen
Rußland und Frankreich, und ängstliche deutsche Politiker trösten sich
damit, daß Kaiser Nikolaus ein viel zu entschiedener Feind der Juli¬
revolution und ihrer Principien, von zu intensiven persönlichen Anti¬
pathien gegen die Dynastie Orleans erfüllt sei, um mit dieser, um mit
dem heutigen Frankreich sich zu verbinden. Paperlapapp! der Scheide¬
wand ist eben nicht viel zu vertrauen. Für seine ohne russische Er-"
laubniß bewerkstelligte Revolution findet Frankreich, für ihre Jllegw'
anat findet die Dynastie Orleans in Se. Petersburg ganz bestimmt
Verzeihung, sobald der natürliche Edelmut!), die angeborne Clemenz
und Versöhnlichkeit des russischen Autokraten durch das Staatsinteresse,
durch die Anforderungen der Staatsraison einige Verstärkungen erhalte,.
Aber dafür, daß Frankreich sich unterstanden hat, das junge Königreich
Griechenland zu gründen — kein Zweifel, Frankreich ist der eigentliche
Gründer desselben —; daß es ihm behülflich gewesen und noch immer
ist, aus dem Ehaos, in welches zunächst russische Intriguen es gestürzt
und fortwährend zu stürzen suchen, zu einem geordneten constitutionellen
Staatswesen allmälig sich emporzuarbeiten; daß es, in seinem wohl¬
verstandenen Interesse, bei Zeiten dafür gesorgt, daß, wenn die Sterbe¬
stunde des Osmanenreichs schlägt, die griechischen Bevölkerungen des¬
selben an einen andern bestehenden Staat griechischer Religion — und
das ist die Hauptsache — sich anschließen können, an einen Staat, der
mit Oesterreichs und Frankreichs Unterstützung wohl im Stande ist,
im Besitze dieser neuen Erwerbungen sich zu behaupten: für diese Tod¬
sünde (sie ist der wahre Grund des Hasses des russischen Autokraten
gegen das Juli-Frankreich und die Dynastie Orleans) wider den hei¬
ligen Geist der russischen Politik gibt es in Se. Petersburg keine Ab¬
solution. Nur wenn Frankreich diese seine Schöpfung fallen lassen,
wenn es sich dazu verstehen würde, sie der russischen Großmuth preis-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/253>, abgerufen am 23.07.2024.