Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.britanniens Zustimmung wird der Czaar Constantinopel, für ihn die Nun ist aber noch eine dritte Gruppirung möglich, nämlich daß Des Letztern Schwergewicht in der Wagschale der Weltverhält¬ Um, was damals zum unendlichen Verdrusse des Autokraten ge¬ britanniens Zustimmung wird der Czaar Constantinopel, für ihn die Nun ist aber noch eine dritte Gruppirung möglich, nämlich daß Des Letztern Schwergewicht in der Wagschale der Weltverhält¬ Um, was damals zum unendlichen Verdrusse des Autokraten ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0252" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183834"/> <p xml:id="ID_688" prev="#ID_687"> britanniens Zustimmung wird der Czaar Constantinopel, für ihn die<lb/> Perle der türkischen Beute, im , lücklichsten Falle wohl zeitweilig erobern,<lb/> aber nie behaupten, nie besitzen können. Und was ist das schwarze<lb/> Meer für Rußland, wenn die Dardanellen sich im Besitze Master John<lb/> Bull's befinden, welcher liebenswürdige, im Zugreifen gar nicht blöde<lb/> Theerjunge diese, wenn der Moment gekommen, in seinen Pfötchen hal¬<lb/> ten wird, ehe man sich dessen versieht. Und welche Macht der Erde<lb/> wäre dann stark genug, sie ihm zu entreißen?</p><lb/> <p xml:id="ID_689"> Nun ist aber noch eine dritte Gruppirung möglich, nämlich daß<lb/> England mit Rußland, daß Oesterreich mit Frankreich sich alliire, und<lb/> diese Combination, will mich bedünken, ist den beiden andern bet wei¬<lb/> tem vorzuziehen, weil sie allen vier Mächten ungleich größere Vortheile<lb/> bietet. Betrachten wir zunächst die Allianz zwischen Rußland und<lb/> Großbritannien.</p><lb/> <p xml:id="ID_690"> Des Letztern Schwergewicht in der Wagschale der Weltverhält¬<lb/> nisse beruht nicht in seiner Stellung auf dem europäischen Festlande;<lb/> seine Grenzen rückt der Czaar, wie viel er von diesem auch an sich<lb/> reiße, um keines Haares Breite näher. Es ist mithin mehr als jede<lb/> andere Großmacht im Stande, dem heißen Verlangen Rußlands nach<lb/> den europäischen Provinzen des Osmanenreichs Befriedigung zu ge¬<lb/> währen und, wie schon angedeutet, auch im Stande, den Besitz der¬<lb/> selben und zumal Constantinopels ihm zu verschaffen, ihm zu sichern.<lb/> Ebenso unterliegt es keinem Zweifel, daß Rußland um diesen Preis<lb/> den bescheidenen Wünschen John Bull's bezüglich Aegyptens und Syriens<lb/> ein Genüge thun kann, thun wird und zur Behauptung Syriens, wie schon<lb/> berührt, ihm sehr ersprießliche Dienste zu leisten vermag. Ich brauche,<lb/> um mindestens die große Wahrscheinlichkeit dieser Combination noch<lb/> augenfälliger, noch einleuchtender zu machen, daß das Petersburger<lb/> Cabinet hierzu längst entschlossen ist, nur an die Vorgänge von 1840<lb/> zu erinnern.</p><lb/> <p xml:id="ID_691" next="#ID_692"> Um, was damals zum unendlichen Verdrusse des Autokraten ge¬<lb/> scheitert ist, wieder anzubahnen, buhlt derselbe seit einigen Jahren wie¬<lb/> der sehr eifrig um eine erneuerte Allianz mit Großbritannien. Was<lb/> deM Abschlüsse derselben bislang im W?ge stand, erfahren wir vielleicht<lb/> später; möglich, daß es das junge Königreich Griechenland gewesen,<lb/> welches der Czaar noch gerne ganz, ungetheilt mit in den Kauf haben,<lb/> die Meereskönigin ihm aber vorläufig in der Ausdehnug noch nicht<lb/> bewilligen will; möglich auch, daß die holde Dame gegen ihren juchten¬<lb/> duftenden Anbeter seither nur darum die Spröde spielte, um sich noch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0252]
britanniens Zustimmung wird der Czaar Constantinopel, für ihn die
Perle der türkischen Beute, im , lücklichsten Falle wohl zeitweilig erobern,
aber nie behaupten, nie besitzen können. Und was ist das schwarze
Meer für Rußland, wenn die Dardanellen sich im Besitze Master John
Bull's befinden, welcher liebenswürdige, im Zugreifen gar nicht blöde
Theerjunge diese, wenn der Moment gekommen, in seinen Pfötchen hal¬
ten wird, ehe man sich dessen versieht. Und welche Macht der Erde
wäre dann stark genug, sie ihm zu entreißen?
Nun ist aber noch eine dritte Gruppirung möglich, nämlich daß
England mit Rußland, daß Oesterreich mit Frankreich sich alliire, und
diese Combination, will mich bedünken, ist den beiden andern bet wei¬
tem vorzuziehen, weil sie allen vier Mächten ungleich größere Vortheile
bietet. Betrachten wir zunächst die Allianz zwischen Rußland und
Großbritannien.
Des Letztern Schwergewicht in der Wagschale der Weltverhält¬
nisse beruht nicht in seiner Stellung auf dem europäischen Festlande;
seine Grenzen rückt der Czaar, wie viel er von diesem auch an sich
reiße, um keines Haares Breite näher. Es ist mithin mehr als jede
andere Großmacht im Stande, dem heißen Verlangen Rußlands nach
den europäischen Provinzen des Osmanenreichs Befriedigung zu ge¬
währen und, wie schon angedeutet, auch im Stande, den Besitz der¬
selben und zumal Constantinopels ihm zu verschaffen, ihm zu sichern.
Ebenso unterliegt es keinem Zweifel, daß Rußland um diesen Preis
den bescheidenen Wünschen John Bull's bezüglich Aegyptens und Syriens
ein Genüge thun kann, thun wird und zur Behauptung Syriens, wie schon
berührt, ihm sehr ersprießliche Dienste zu leisten vermag. Ich brauche,
um mindestens die große Wahrscheinlichkeit dieser Combination noch
augenfälliger, noch einleuchtender zu machen, daß das Petersburger
Cabinet hierzu längst entschlossen ist, nur an die Vorgänge von 1840
zu erinnern.
Um, was damals zum unendlichen Verdrusse des Autokraten ge¬
scheitert ist, wieder anzubahnen, buhlt derselbe seit einigen Jahren wie¬
der sehr eifrig um eine erneuerte Allianz mit Großbritannien. Was
deM Abschlüsse derselben bislang im W?ge stand, erfahren wir vielleicht
später; möglich, daß es das junge Königreich Griechenland gewesen,
welches der Czaar noch gerne ganz, ungetheilt mit in den Kauf haben,
die Meereskönigin ihm aber vorläufig in der Ausdehnug noch nicht
bewilligen will; möglich auch, daß die holde Dame gegen ihren juchten¬
duftenden Anbeter seither nur darum die Spröde spielte, um sich noch
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