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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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den einen triumphirenden Eindruck gemacht lind der konstitutionellen
Förderung unendlich geschadet. Letztere argumentiren: "Seht, so wird ein
anerkannt liberales Ministerium in einer Kammer behandelt, es muß doch
nicht viel Gutes an einer Sache sein, die solches zuläßt." Als ob
einzelne Unbesonnenheiten einzelner Mitglieder das unendliche Wohl,
was diese Constitutionen den durch sie gesegneten Völkern schon ge¬
bracht haben, zu beeinträchtigen vermöchten?

Dies ist der Unterschied zwischen beiden Kammern; die bairische
kämpfte gegen, die badische für ihr Ministerium. Erstere hat ihren
Zweck nicht erreicht, weil sie nicht kräftig und einstimmig genug auf¬
trat, letztere hätte ihn fast vernichtet, weil einzelne ihrer Mitglieder zu
heftig waren. Wir haben oft bedauert, daß nicht ein Tausch stattfin¬
den konnte, und hätten die Abgeordneten Hecker, v. Soiron, Napp,
Welcker, Mathy, Bassermann, aus der badischen in die bairische, die
hingegen Wagner, Bauer, v. Lerchenfeldt, v. Gumpenberg aus der
bairischen in die badische gewünscht; gewiß, in mancher Hinsicht Hütte
dieser Wechsel sür beide Kammern keine üble Wirkung gehabt.

Hier eine Vergleichung der einzelnen bedeutendern Mitglieder bei¬
der Kammern zu geben, würde wohl zu weit führen und wir müssen
uns begnügen, blos eine Parallele ihrer ersten Präsidenten zu liefern.
Beide haben sich den fast ungetheilten Beifall der Kammern erworben.

Mittermaier, der Präsident der badischen zweiten Kammer, führte
sein oft unendlich schwieriges Amt mit Glück lind Geschick durch und
hat, was in Baden viel sagen will, es so ziemlich beiden Par¬
teien recht gemacht. Eine vieljährige Uebung zahlreichen Versamm¬
lungen aller Art als Leiter vorzustehen, große Rednergabe, lang¬
geübtes Talent durch den Wirrwarr der verschiedensten Diskussio¬
nen dennoch das Richtige herauszufinden und dabei eine Gabe,
wenn es ihm geeignet scheint, nichts zu hören und zu sehen,
und so den Rednern oft mehr Freiheit, wie ihnen der Geschäftsord¬
nung nach Zustände, zu lassen, dies sind Eigenschaften, welche ihm auf
seinem Platze so sehr zu Statten kamen, ihn allen Parteien so an¬
genehm machten. Obgleich der Präsident Mittermaier stets dem Fort¬
schritt ergeben ist und sich oft mit Wärme dahin ausspricht, so gehört
er doch nach der Bezeichnung in Baden der "Mitte" an, für einen
Präsidenten, der Allen gerecht sein soll, offenbar das Beste.
Stets suchte er daher vermittelnd einzuschreiten, die Aufgeregtheit zu
besänftigen, die Streitenden zu versöhnen, und zwar möglichst durch
Wilde und Ueberredung. So lange als möglich vermied er es, be-


"rcnzboten. IV. 32

den einen triumphirenden Eindruck gemacht lind der konstitutionellen
Förderung unendlich geschadet. Letztere argumentiren: „Seht, so wird ein
anerkannt liberales Ministerium in einer Kammer behandelt, es muß doch
nicht viel Gutes an einer Sache sein, die solches zuläßt." Als ob
einzelne Unbesonnenheiten einzelner Mitglieder das unendliche Wohl,
was diese Constitutionen den durch sie gesegneten Völkern schon ge¬
bracht haben, zu beeinträchtigen vermöchten?

Dies ist der Unterschied zwischen beiden Kammern; die bairische
kämpfte gegen, die badische für ihr Ministerium. Erstere hat ihren
Zweck nicht erreicht, weil sie nicht kräftig und einstimmig genug auf¬
trat, letztere hätte ihn fast vernichtet, weil einzelne ihrer Mitglieder zu
heftig waren. Wir haben oft bedauert, daß nicht ein Tausch stattfin¬
den konnte, und hätten die Abgeordneten Hecker, v. Soiron, Napp,
Welcker, Mathy, Bassermann, aus der badischen in die bairische, die
hingegen Wagner, Bauer, v. Lerchenfeldt, v. Gumpenberg aus der
bairischen in die badische gewünscht; gewiß, in mancher Hinsicht Hütte
dieser Wechsel sür beide Kammern keine üble Wirkung gehabt.

Hier eine Vergleichung der einzelnen bedeutendern Mitglieder bei¬
der Kammern zu geben, würde wohl zu weit führen und wir müssen
uns begnügen, blos eine Parallele ihrer ersten Präsidenten zu liefern.
Beide haben sich den fast ungetheilten Beifall der Kammern erworben.

Mittermaier, der Präsident der badischen zweiten Kammer, führte
sein oft unendlich schwieriges Amt mit Glück lind Geschick durch und
hat, was in Baden viel sagen will, es so ziemlich beiden Par¬
teien recht gemacht. Eine vieljährige Uebung zahlreichen Versamm¬
lungen aller Art als Leiter vorzustehen, große Rednergabe, lang¬
geübtes Talent durch den Wirrwarr der verschiedensten Diskussio¬
nen dennoch das Richtige herauszufinden und dabei eine Gabe,
wenn es ihm geeignet scheint, nichts zu hören und zu sehen,
und so den Rednern oft mehr Freiheit, wie ihnen der Geschäftsord¬
nung nach Zustände, zu lassen, dies sind Eigenschaften, welche ihm auf
seinem Platze so sehr zu Statten kamen, ihn allen Parteien so an¬
genehm machten. Obgleich der Präsident Mittermaier stets dem Fort¬
schritt ergeben ist und sich oft mit Wärme dahin ausspricht, so gehört
er doch nach der Bezeichnung in Baden der „Mitte" an, für einen
Präsidenten, der Allen gerecht sein soll, offenbar das Beste.
Stets suchte er daher vermittelnd einzuschreiten, die Aufgeregtheit zu
besänftigen, die Streitenden zu versöhnen, und zwar möglichst durch
Wilde und Ueberredung. So lange als möglich vermied er es, be-


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[0237] den einen triumphirenden Eindruck gemacht lind der konstitutionellen Förderung unendlich geschadet. Letztere argumentiren: „Seht, so wird ein anerkannt liberales Ministerium in einer Kammer behandelt, es muß doch nicht viel Gutes an einer Sache sein, die solches zuläßt." Als ob einzelne Unbesonnenheiten einzelner Mitglieder das unendliche Wohl, was diese Constitutionen den durch sie gesegneten Völkern schon ge¬ bracht haben, zu beeinträchtigen vermöchten? Dies ist der Unterschied zwischen beiden Kammern; die bairische kämpfte gegen, die badische für ihr Ministerium. Erstere hat ihren Zweck nicht erreicht, weil sie nicht kräftig und einstimmig genug auf¬ trat, letztere hätte ihn fast vernichtet, weil einzelne ihrer Mitglieder zu heftig waren. Wir haben oft bedauert, daß nicht ein Tausch stattfin¬ den konnte, und hätten die Abgeordneten Hecker, v. Soiron, Napp, Welcker, Mathy, Bassermann, aus der badischen in die bairische, die hingegen Wagner, Bauer, v. Lerchenfeldt, v. Gumpenberg aus der bairischen in die badische gewünscht; gewiß, in mancher Hinsicht Hütte dieser Wechsel sür beide Kammern keine üble Wirkung gehabt. Hier eine Vergleichung der einzelnen bedeutendern Mitglieder bei¬ der Kammern zu geben, würde wohl zu weit führen und wir müssen uns begnügen, blos eine Parallele ihrer ersten Präsidenten zu liefern. Beide haben sich den fast ungetheilten Beifall der Kammern erworben. Mittermaier, der Präsident der badischen zweiten Kammer, führte sein oft unendlich schwieriges Amt mit Glück lind Geschick durch und hat, was in Baden viel sagen will, es so ziemlich beiden Par¬ teien recht gemacht. Eine vieljährige Uebung zahlreichen Versamm¬ lungen aller Art als Leiter vorzustehen, große Rednergabe, lang¬ geübtes Talent durch den Wirrwarr der verschiedensten Diskussio¬ nen dennoch das Richtige herauszufinden und dabei eine Gabe, wenn es ihm geeignet scheint, nichts zu hören und zu sehen, und so den Rednern oft mehr Freiheit, wie ihnen der Geschäftsord¬ nung nach Zustände, zu lassen, dies sind Eigenschaften, welche ihm auf seinem Platze so sehr zu Statten kamen, ihn allen Parteien so an¬ genehm machten. Obgleich der Präsident Mittermaier stets dem Fort¬ schritt ergeben ist und sich oft mit Wärme dahin ausspricht, so gehört er doch nach der Bezeichnung in Baden der „Mitte" an, für einen Präsidenten, der Allen gerecht sein soll, offenbar das Beste. Stets suchte er daher vermittelnd einzuschreiten, die Aufgeregtheit zu besänftigen, die Streitenden zu versöhnen, und zwar möglichst durch Wilde und Ueberredung. So lange als möglich vermied er es, be- «rcnzboten. IV. 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/237>, abgerufen am 26.08.2024.