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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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so verschiedener Auslegungen fähig, so voller Schlupfwinkel, daß außer
den Bndgetbewilligungen die Stände nur äußerst geringen Einfluß ha¬
ben und ein gewandter Minister mit ihnen machen kann, was er will.
Treffend verglich ein geistreicher Redner in der bairischen Kammer
(Dekan Wagner aus Baireuth) ihre Verfassung mit einem weichen
Stück Wachs, aus dem die geschickte Hand des Modelleurs durch ei¬
nen unmerklichen Druck ein Engelsantlitz in eine Teufelslarve umwan¬
deln könne, und das jetzige Ministerium sei dieser Modelleur. Auch
die Bestimmung wegen Errichtung der Ausschüsse, ihrer Ergänzung,
ihrer Pflichten n. s. w. ist in Baden weit trefflicher wie in Baiern,
wo sie im höchsten Grade unzweckmäßig ist. Einzelne wenige Mit¬
glieder werden dort durch Arbeiten furchtbar gequält, während die
übrigen den ganzen Landtag nichts zu thun haben, die Geschäfte auf
alle Weise verzögert, die Sitzungen aufgehalten, und die aus gegen¬
seitiger Unkenntniß geschehenen Fehler bei der ersten Wahl der Aus¬
schußmitglieder können für den ganzen Landtag nicht mehr abgeändert
werden. Einen fernern, unendlich mächtigen Vorzug hat der badische
vor dem bairischen Landtag darin, daß er durch eine freiere Presse un¬
terstützt wird. Trotz der vielen Klagen, die in Karlsruhe über die
Bedrückungen der Censur vorkommen, ist die badische Presse doch
""gemein viel freier wie die bairische. Die liberalsten bairischen
Blätter, der "Nürnberger Courier" und der "Nürnberger Correspon-
dent", die einzigen, welche der Erwähnung werth sind (die "All¬
gemeine Zeitung" widmet natürlich den bairischen Zuständen verhält¬
nißmäßig nur geringe Aufmerksamkeit und kann daher nicht als bairi-
sches Blatt im begrenzten Sinne betrachtet werde ), dürfen nicht halb so
freimüthig über die innern Angelegeicheüen sich aussprechen, wie die
"Mannheimer Abendzeitung", das dortige "Journal", die "Seeblätier zu
Constanz". Daß aber eine Opposition eine" sehr schlimmen Stand hat,
wenn sie nicht von einer tüchtige" Presse auf alle Weise unterstützt
wird, ist ja allgemein anerkennn; wo diese fehlt, da dnn.U ihr Wirken
auch nicht in's Blut und Leben des Volles, sie wird stets vereinzelt
dastehen, und von einem gewandte" Ministerium leicht gestürzt wer¬
den können.

Baden ist im Allgemeinen el" viel mehr geistig ausgebildetes Land
Wie Baiern, seine Bewohner sind weit lebendiger, regsamer und Alt'
theil nehmender an den innern Angelegenheiten des Landes. Nur
ni" großer Theil von Franken und ganz Rheinbaiern vermag sich im
Allgemeinen hierin mit Baden ans gleiche Stufe zu stellen; bei den


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so verschiedener Auslegungen fähig, so voller Schlupfwinkel, daß außer
den Bndgetbewilligungen die Stände nur äußerst geringen Einfluß ha¬
ben und ein gewandter Minister mit ihnen machen kann, was er will.
Treffend verglich ein geistreicher Redner in der bairischen Kammer
(Dekan Wagner aus Baireuth) ihre Verfassung mit einem weichen
Stück Wachs, aus dem die geschickte Hand des Modelleurs durch ei¬
nen unmerklichen Druck ein Engelsantlitz in eine Teufelslarve umwan¬
deln könne, und das jetzige Ministerium sei dieser Modelleur. Auch
die Bestimmung wegen Errichtung der Ausschüsse, ihrer Ergänzung,
ihrer Pflichten n. s. w. ist in Baden weit trefflicher wie in Baiern,
wo sie im höchsten Grade unzweckmäßig ist. Einzelne wenige Mit¬
glieder werden dort durch Arbeiten furchtbar gequält, während die
übrigen den ganzen Landtag nichts zu thun haben, die Geschäfte auf
alle Weise verzögert, die Sitzungen aufgehalten, und die aus gegen¬
seitiger Unkenntniß geschehenen Fehler bei der ersten Wahl der Aus¬
schußmitglieder können für den ganzen Landtag nicht mehr abgeändert
werden. Einen fernern, unendlich mächtigen Vorzug hat der badische
vor dem bairischen Landtag darin, daß er durch eine freiere Presse un¬
terstützt wird. Trotz der vielen Klagen, die in Karlsruhe über die
Bedrückungen der Censur vorkommen, ist die badische Presse doch
«»gemein viel freier wie die bairische. Die liberalsten bairischen
Blätter, der „Nürnberger Courier" und der „Nürnberger Correspon-
dent", die einzigen, welche der Erwähnung werth sind (die „All¬
gemeine Zeitung" widmet natürlich den bairischen Zuständen verhält¬
nißmäßig nur geringe Aufmerksamkeit und kann daher nicht als bairi-
sches Blatt im begrenzten Sinne betrachtet werde ), dürfen nicht halb so
freimüthig über die innern Angelegeicheüen sich aussprechen, wie die
„Mannheimer Abendzeitung", das dortige „Journal", die „Seeblätier zu
Constanz". Daß aber eine Opposition eine» sehr schlimmen Stand hat,
wenn sie nicht von einer tüchtige» Presse auf alle Weise unterstützt
wird, ist ja allgemein anerkennn; wo diese fehlt, da dnn.U ihr Wirken
auch nicht in's Blut und Leben des Volles, sie wird stets vereinzelt
dastehen, und von einem gewandte» Ministerium leicht gestürzt wer¬
den können.

Baden ist im Allgemeinen el» viel mehr geistig ausgebildetes Land
Wie Baiern, seine Bewohner sind weit lebendiger, regsamer und Alt'
theil nehmender an den innern Angelegenheiten des Landes. Nur
ni» großer Theil von Franken und ganz Rheinbaiern vermag sich im
Allgemeinen hierin mit Baden ans gleiche Stufe zu stellen; bei den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/231>, abgerufen am 26.08.2024.