Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

damals besaß, nicht würdig bewiesen und in entgcistetem Starrsinn
und aus Furcht, daß sich einige spitzige Dornen darunter verstecken
könnten, die Krone der poetischen Verherrlichung nicht annehmen wollte,
nach der jedes intelligente Volk der Weltgeschichte als nach seinem
höchsten Ruhme ringt; solche Umstände bewogen ihn vielmehr, lieber
seinen eigentlichen dramatischen Beruf zu verlassen und sich wieder der
theatralischen Einkleidung von Phantomen zuzuwenden, die kein Volks¬
herz begeistern können und denen kein Pulsschlag der Gegenwart zupocht.
Er schrieb: "der treue Diener seines Herrn," ausgeführt I83l),
und dichtete mit dem ganzen Aufgebot seines reichen lyrischen Talen¬
tes die Liebestragödie von Hero und Leander, fand aber mit diesen
Dramen keinen bleibenden Erfolg, der ihn für das Aufgeben eines
würdigeren Terrains nur einigermaßen hätte entschädigen können.

"Der treueDiener seines Herr n" zumal erscheint uns fast wie
die allegorische Darstellung seines Schicksals, wie die Apotheose einer
Dienstbarkeit, der er seine Muse nicht entziehen konnte oder mochte.
König Andreas von Ungarn, im Begriff, mit seinem Heer gegen den
Feind zu ziehen, übergibt seinein treuen Diener Bancbannus die Ne¬
gierung, und betraut ihn zugleich mit der Sorge für die rückbleibende
Königin und ihr Kind. Herzog Otto von Meran, der Bruder der
Königin, aus Frankreich kommend, wild, sittenlos und von der Köni¬
gin, die ihm mit blinder Schwesterliebe ergeben ist, in seinem Treiben
mehr unterstützt als gehindert, untergräbt während der Abwesenheit des
Königs das Lebensglück des Bancbannus, indem er dessen Gattin Errp,
die ihm längst mit Zorn und Verachtung begegnete, durch Hilfe der
Königin in sein Zimmer lockt, wo sie auf sein Drohen und Bitten
nicht einmal das Wort Verachtung zurücknehmen wollend, und sich
endlich in seiner Gewalt sehend, keinen Ausweg findet, als sich den
Dolch in'ö Herz zu stoßen. Die Brüder und Verwandten der todten
Errp und ihres Gatten Bancbannus halten indeß den Herzog Otto
selbst für den Mörder, sie wiegeln das Volk auf, und drohen die Burg
zu stürmen, wenn die Königin nicht den vermeintlichen Mörder ihrer
Rache überliefert. Die Königin weigert's und sieht ihrem und ihres
Kindes Untergang durch die Hände des empörten Volkes entgegen.
Da erscheint Bancbannus, und obwohl Schmerz und Rache in seinem
Herzen lodern, bleibt er eingedenk der Pflicht, die er seinem Herrn und
König gelobte; er rettet die Königin und ihr Kind und selbst den Tod¬
feind Herzog Otto, als sich die Königin nur um diesen Preis will
retten lassen, er führt dem zurückkehrenden König das aufgewiegelte


damals besaß, nicht würdig bewiesen und in entgcistetem Starrsinn
und aus Furcht, daß sich einige spitzige Dornen darunter verstecken
könnten, die Krone der poetischen Verherrlichung nicht annehmen wollte,
nach der jedes intelligente Volk der Weltgeschichte als nach seinem
höchsten Ruhme ringt; solche Umstände bewogen ihn vielmehr, lieber
seinen eigentlichen dramatischen Beruf zu verlassen und sich wieder der
theatralischen Einkleidung von Phantomen zuzuwenden, die kein Volks¬
herz begeistern können und denen kein Pulsschlag der Gegenwart zupocht.
Er schrieb: „der treue Diener seines Herrn," ausgeführt I83l),
und dichtete mit dem ganzen Aufgebot seines reichen lyrischen Talen¬
tes die Liebestragödie von Hero und Leander, fand aber mit diesen
Dramen keinen bleibenden Erfolg, der ihn für das Aufgeben eines
würdigeren Terrains nur einigermaßen hätte entschädigen können.

„Der treueDiener seines Herr n" zumal erscheint uns fast wie
die allegorische Darstellung seines Schicksals, wie die Apotheose einer
Dienstbarkeit, der er seine Muse nicht entziehen konnte oder mochte.
König Andreas von Ungarn, im Begriff, mit seinem Heer gegen den
Feind zu ziehen, übergibt seinein treuen Diener Bancbannus die Ne¬
gierung, und betraut ihn zugleich mit der Sorge für die rückbleibende
Königin und ihr Kind. Herzog Otto von Meran, der Bruder der
Königin, aus Frankreich kommend, wild, sittenlos und von der Köni¬
gin, die ihm mit blinder Schwesterliebe ergeben ist, in seinem Treiben
mehr unterstützt als gehindert, untergräbt während der Abwesenheit des
Königs das Lebensglück des Bancbannus, indem er dessen Gattin Errp,
die ihm längst mit Zorn und Verachtung begegnete, durch Hilfe der
Königin in sein Zimmer lockt, wo sie auf sein Drohen und Bitten
nicht einmal das Wort Verachtung zurücknehmen wollend, und sich
endlich in seiner Gewalt sehend, keinen Ausweg findet, als sich den
Dolch in'ö Herz zu stoßen. Die Brüder und Verwandten der todten
Errp und ihres Gatten Bancbannus halten indeß den Herzog Otto
selbst für den Mörder, sie wiegeln das Volk auf, und drohen die Burg
zu stürmen, wenn die Königin nicht den vermeintlichen Mörder ihrer
Rache überliefert. Die Königin weigert's und sieht ihrem und ihres
Kindes Untergang durch die Hände des empörten Volkes entgegen.
Da erscheint Bancbannus, und obwohl Schmerz und Rache in seinem
Herzen lodern, bleibt er eingedenk der Pflicht, die er seinem Herrn und
König gelobte; er rettet die Königin und ihr Kind und selbst den Tod¬
feind Herzog Otto, als sich die Königin nur um diesen Preis will
retten lassen, er führt dem zurückkehrenden König das aufgewiegelte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183770"/>
            <p xml:id="ID_525" prev="#ID_524"> damals besaß, nicht würdig bewiesen und in entgcistetem Starrsinn<lb/>
und aus Furcht, daß sich einige spitzige Dornen darunter verstecken<lb/>
könnten, die Krone der poetischen Verherrlichung nicht annehmen wollte,<lb/>
nach der jedes intelligente Volk der Weltgeschichte als nach seinem<lb/>
höchsten Ruhme ringt; solche Umstände bewogen ihn vielmehr, lieber<lb/>
seinen eigentlichen dramatischen Beruf zu verlassen und sich wieder der<lb/>
theatralischen Einkleidung von Phantomen zuzuwenden, die kein Volks¬<lb/>
herz begeistern können und denen kein Pulsschlag der Gegenwart zupocht.<lb/>
Er schrieb: &#x201E;der treue Diener seines Herrn," ausgeführt I83l),<lb/>
und dichtete mit dem ganzen Aufgebot seines reichen lyrischen Talen¬<lb/>
tes die Liebestragödie von Hero und Leander, fand aber mit diesen<lb/>
Dramen keinen bleibenden Erfolg, der ihn für das Aufgeben eines<lb/>
würdigeren Terrains nur einigermaßen hätte entschädigen können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_526" next="#ID_527"> &#x201E;Der treueDiener seines Herr n" zumal erscheint uns fast wie<lb/>
die allegorische Darstellung seines Schicksals, wie die Apotheose einer<lb/>
Dienstbarkeit, der er seine Muse nicht entziehen konnte oder mochte.<lb/>
König Andreas von Ungarn, im Begriff, mit seinem Heer gegen den<lb/>
Feind zu ziehen, übergibt seinein treuen Diener Bancbannus die Ne¬<lb/>
gierung, und betraut ihn zugleich mit der Sorge für die rückbleibende<lb/>
Königin und ihr Kind. Herzog Otto von Meran, der Bruder der<lb/>
Königin, aus Frankreich kommend, wild, sittenlos und von der Köni¬<lb/>
gin, die ihm mit blinder Schwesterliebe ergeben ist, in seinem Treiben<lb/>
mehr unterstützt als gehindert, untergräbt während der Abwesenheit des<lb/>
Königs das Lebensglück des Bancbannus, indem er dessen Gattin Errp,<lb/>
die ihm längst mit Zorn und Verachtung begegnete, durch Hilfe der<lb/>
Königin in sein Zimmer lockt, wo sie auf sein Drohen und Bitten<lb/>
nicht einmal das Wort Verachtung zurücknehmen wollend, und sich<lb/>
endlich in seiner Gewalt sehend, keinen Ausweg findet, als sich den<lb/>
Dolch in'ö Herz zu stoßen. Die Brüder und Verwandten der todten<lb/>
Errp und ihres Gatten Bancbannus halten indeß den Herzog Otto<lb/>
selbst für den Mörder, sie wiegeln das Volk auf, und drohen die Burg<lb/>
zu stürmen, wenn die Königin nicht den vermeintlichen Mörder ihrer<lb/>
Rache überliefert. Die Königin weigert's und sieht ihrem und ihres<lb/>
Kindes Untergang durch die Hände des empörten Volkes entgegen.<lb/>
Da erscheint Bancbannus, und obwohl Schmerz und Rache in seinem<lb/>
Herzen lodern, bleibt er eingedenk der Pflicht, die er seinem Herrn und<lb/>
König gelobte; er rettet die Königin und ihr Kind und selbst den Tod¬<lb/>
feind Herzog Otto, als sich die Königin nur um diesen Preis will<lb/>
retten lassen, er führt dem zurückkehrenden König das aufgewiegelte</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0188] damals besaß, nicht würdig bewiesen und in entgcistetem Starrsinn und aus Furcht, daß sich einige spitzige Dornen darunter verstecken könnten, die Krone der poetischen Verherrlichung nicht annehmen wollte, nach der jedes intelligente Volk der Weltgeschichte als nach seinem höchsten Ruhme ringt; solche Umstände bewogen ihn vielmehr, lieber seinen eigentlichen dramatischen Beruf zu verlassen und sich wieder der theatralischen Einkleidung von Phantomen zuzuwenden, die kein Volks¬ herz begeistern können und denen kein Pulsschlag der Gegenwart zupocht. Er schrieb: „der treue Diener seines Herrn," ausgeführt I83l), und dichtete mit dem ganzen Aufgebot seines reichen lyrischen Talen¬ tes die Liebestragödie von Hero und Leander, fand aber mit diesen Dramen keinen bleibenden Erfolg, der ihn für das Aufgeben eines würdigeren Terrains nur einigermaßen hätte entschädigen können. „Der treueDiener seines Herr n" zumal erscheint uns fast wie die allegorische Darstellung seines Schicksals, wie die Apotheose einer Dienstbarkeit, der er seine Muse nicht entziehen konnte oder mochte. König Andreas von Ungarn, im Begriff, mit seinem Heer gegen den Feind zu ziehen, übergibt seinein treuen Diener Bancbannus die Ne¬ gierung, und betraut ihn zugleich mit der Sorge für die rückbleibende Königin und ihr Kind. Herzog Otto von Meran, der Bruder der Königin, aus Frankreich kommend, wild, sittenlos und von der Köni¬ gin, die ihm mit blinder Schwesterliebe ergeben ist, in seinem Treiben mehr unterstützt als gehindert, untergräbt während der Abwesenheit des Königs das Lebensglück des Bancbannus, indem er dessen Gattin Errp, die ihm längst mit Zorn und Verachtung begegnete, durch Hilfe der Königin in sein Zimmer lockt, wo sie auf sein Drohen und Bitten nicht einmal das Wort Verachtung zurücknehmen wollend, und sich endlich in seiner Gewalt sehend, keinen Ausweg findet, als sich den Dolch in'ö Herz zu stoßen. Die Brüder und Verwandten der todten Errp und ihres Gatten Bancbannus halten indeß den Herzog Otto selbst für den Mörder, sie wiegeln das Volk auf, und drohen die Burg zu stürmen, wenn die Königin nicht den vermeintlichen Mörder ihrer Rache überliefert. Die Königin weigert's und sieht ihrem und ihres Kindes Untergang durch die Hände des empörten Volkes entgegen. Da erscheint Bancbannus, und obwohl Schmerz und Rache in seinem Herzen lodern, bleibt er eingedenk der Pflicht, die er seinem Herrn und König gelobte; er rettet die Königin und ihr Kind und selbst den Tod¬ feind Herzog Otto, als sich die Königin nur um diesen Preis will retten lassen, er führt dem zurückkehrenden König das aufgewiegelte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/188
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/188>, abgerufen am 26.08.2024.