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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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rasch, den Thalrücken hinaufzuklettern. Mühsam arbeitete er sich em¬
por, ein tückischer Zufall entführte ihm dabei sein Jagdgewehr, und
muthwillig hüpfte es die Felsenabsätze hinunter. Der Fürst aber klet¬
terte mit verdoppeltem Eifer aufwärts; endlich war die Thalhöhe er¬
stiegen und hell und freudig schollen die Jagdrufe und das Bellen der
verfolgenden Hunde zu ihm herauf. Als er eben im Begriff war, an
den Rand des Abhanges zu treten, sah er dicht vor sich einen jungen
Mann, in grauem Leinwandkittel, der mit gespanntem Gewehr hinter
einem Busche lauerte.

"Hierher Mann!^' rief ihm der Herzog zu, "gebt mir Eure Büchse,
ich habe die meinige drüben im Thal verloren. Geht und sucht sie,
ich lasse Euch dann heute Abend ein Fundgeld zahlen."

Aber zu des Fürsten Erstaunen sprang der junge Waidmann auf,
schüttelte wild seine schwarzen Locken, und die Flinte immer noch
schußfertig im Arm haltend, rief er ihm 'zu:

"Erkennt Ihr den Ort wieder, Fürst? Vor 7 Jahren habt Ihr
hier auch Hatz gehalten, damals aber galt es zwei Männern und ei¬
nem Buben!"

"Was soll das jetzt?" rief der Herzog, einen Schritt zurücktretend,
und den kecken Redner vom Scheitel bis zur Sohle messend, "Laßt
Eure alten Geschichten, und gebt mir rasch Euer Gewehr, denn eine
Minute verloren, Alles verloren."

"Alles verloren!" erwiderte der trotzige Mann im grauen Kittel.
"Mitwäre es, Herr Fürst, wenn jener Bube, dessen Vater Ihr da¬
mals niedergeschossen, wenn jener Bube, dem Eure Kugeln die Mütze
vom Kopfe gerissen und die Wange blutig gezeichnet, wenn jener Bube
groß gewachsen jetzt vor Euch stände, die geladene Büchse im Arme,
eingedenk des gemordeten Vaters und der eignen Narben, wenn er
jetzt vor Euch stände und mehr denn eine Minute Zeit hatte, Euer
Fürstenkleid nicht mehr achtend, als Ihr die grobe Blouse seines Vaters?"

"Nun wohl!" rief der Fürst, "Du siehst, ich bin waffenlos und
mein Gefolge fern, so schieß denn, wenn Du Muth hast!"

Der kecke Bursche legte das Rohr an, aber seine Hand zitterte,
als sie nach dem Drücker am Schlosse suchte; da knallte es plötzlich
auf der Felswand gegenüber, der Fürstenmörder sank getroffen, und
seine graue Blouse färbte sich roth in der Gegend des Herzens. Der
Fürst trat auf den Gefallenen zu und schaute ihm in das blasse, jugend¬
lich schöne Gesicht, dessen Züge der tödtliche Schuß erstarren gemacht.


rasch, den Thalrücken hinaufzuklettern. Mühsam arbeitete er sich em¬
por, ein tückischer Zufall entführte ihm dabei sein Jagdgewehr, und
muthwillig hüpfte es die Felsenabsätze hinunter. Der Fürst aber klet¬
terte mit verdoppeltem Eifer aufwärts; endlich war die Thalhöhe er¬
stiegen und hell und freudig schollen die Jagdrufe und das Bellen der
verfolgenden Hunde zu ihm herauf. Als er eben im Begriff war, an
den Rand des Abhanges zu treten, sah er dicht vor sich einen jungen
Mann, in grauem Leinwandkittel, der mit gespanntem Gewehr hinter
einem Busche lauerte.

„Hierher Mann!^' rief ihm der Herzog zu, „gebt mir Eure Büchse,
ich habe die meinige drüben im Thal verloren. Geht und sucht sie,
ich lasse Euch dann heute Abend ein Fundgeld zahlen."

Aber zu des Fürsten Erstaunen sprang der junge Waidmann auf,
schüttelte wild seine schwarzen Locken, und die Flinte immer noch
schußfertig im Arm haltend, rief er ihm 'zu:

„Erkennt Ihr den Ort wieder, Fürst? Vor 7 Jahren habt Ihr
hier auch Hatz gehalten, damals aber galt es zwei Männern und ei¬
nem Buben!"

„Was soll das jetzt?" rief der Herzog, einen Schritt zurücktretend,
und den kecken Redner vom Scheitel bis zur Sohle messend, „Laßt
Eure alten Geschichten, und gebt mir rasch Euer Gewehr, denn eine
Minute verloren, Alles verloren."

„Alles verloren!" erwiderte der trotzige Mann im grauen Kittel.
„Mitwäre es, Herr Fürst, wenn jener Bube, dessen Vater Ihr da¬
mals niedergeschossen, wenn jener Bube, dem Eure Kugeln die Mütze
vom Kopfe gerissen und die Wange blutig gezeichnet, wenn jener Bube
groß gewachsen jetzt vor Euch stände, die geladene Büchse im Arme,
eingedenk des gemordeten Vaters und der eignen Narben, wenn er
jetzt vor Euch stände und mehr denn eine Minute Zeit hatte, Euer
Fürstenkleid nicht mehr achtend, als Ihr die grobe Blouse seines Vaters?"

„Nun wohl!" rief der Fürst, „Du siehst, ich bin waffenlos und
mein Gefolge fern, so schieß denn, wenn Du Muth hast!"

Der kecke Bursche legte das Rohr an, aber seine Hand zitterte,
als sie nach dem Drücker am Schlosse suchte; da knallte es plötzlich
auf der Felswand gegenüber, der Fürstenmörder sank getroffen, und
seine graue Blouse färbte sich roth in der Gegend des Herzens. Der
Fürst trat auf den Gefallenen zu und schaute ihm in das blasse, jugend¬
lich schöne Gesicht, dessen Züge der tödtliche Schuß erstarren gemacht.


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[0170] rasch, den Thalrücken hinaufzuklettern. Mühsam arbeitete er sich em¬ por, ein tückischer Zufall entführte ihm dabei sein Jagdgewehr, und muthwillig hüpfte es die Felsenabsätze hinunter. Der Fürst aber klet¬ terte mit verdoppeltem Eifer aufwärts; endlich war die Thalhöhe er¬ stiegen und hell und freudig schollen die Jagdrufe und das Bellen der verfolgenden Hunde zu ihm herauf. Als er eben im Begriff war, an den Rand des Abhanges zu treten, sah er dicht vor sich einen jungen Mann, in grauem Leinwandkittel, der mit gespanntem Gewehr hinter einem Busche lauerte. „Hierher Mann!^' rief ihm der Herzog zu, „gebt mir Eure Büchse, ich habe die meinige drüben im Thal verloren. Geht und sucht sie, ich lasse Euch dann heute Abend ein Fundgeld zahlen." Aber zu des Fürsten Erstaunen sprang der junge Waidmann auf, schüttelte wild seine schwarzen Locken, und die Flinte immer noch schußfertig im Arm haltend, rief er ihm 'zu: „Erkennt Ihr den Ort wieder, Fürst? Vor 7 Jahren habt Ihr hier auch Hatz gehalten, damals aber galt es zwei Männern und ei¬ nem Buben!" „Was soll das jetzt?" rief der Herzog, einen Schritt zurücktretend, und den kecken Redner vom Scheitel bis zur Sohle messend, „Laßt Eure alten Geschichten, und gebt mir rasch Euer Gewehr, denn eine Minute verloren, Alles verloren." „Alles verloren!" erwiderte der trotzige Mann im grauen Kittel. „Mitwäre es, Herr Fürst, wenn jener Bube, dessen Vater Ihr da¬ mals niedergeschossen, wenn jener Bube, dem Eure Kugeln die Mütze vom Kopfe gerissen und die Wange blutig gezeichnet, wenn jener Bube groß gewachsen jetzt vor Euch stände, die geladene Büchse im Arme, eingedenk des gemordeten Vaters und der eignen Narben, wenn er jetzt vor Euch stände und mehr denn eine Minute Zeit hatte, Euer Fürstenkleid nicht mehr achtend, als Ihr die grobe Blouse seines Vaters?" „Nun wohl!" rief der Fürst, „Du siehst, ich bin waffenlos und mein Gefolge fern, so schieß denn, wenn Du Muth hast!" Der kecke Bursche legte das Rohr an, aber seine Hand zitterte, als sie nach dem Drücker am Schlosse suchte; da knallte es plötzlich auf der Felswand gegenüber, der Fürstenmörder sank getroffen, und seine graue Blouse färbte sich roth in der Gegend des Herzens. Der Fürst trat auf den Gefallenen zu und schaute ihm in das blasse, jugend¬ lich schöne Gesicht, dessen Züge der tödtliche Schuß erstarren gemacht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/170>, abgerufen am 26.08.2024.