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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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fes Thal dämmerte zu Malens Füßen, ihm gegenüber in Büchsenschuß-
weite lag auf der Höhe der Thalwand ein langes Gebäude, das
Jagdschloß des Herzogs. Die Fronte seiner Fenster war hell erleuch¬
tet, und da es still im Thal und Walde, die Lust aber gewitterschwer
war, so drang das Klirren der Gläser und das Schmettern der Musi
deutlich zu Maxens Ohr. Hinter dein Schlosse lagerten feste Wolken¬
schichten, und das Wetterleuchten zeigte auf Augenblicke deutlich die
Formen des Daches und die kleinen Thürmchen am Giebel des Schlos¬
ses. Tief unten im Thal trieb ein Bach ein schweres Mühlenrad,
und dann und wann fuhr ein tiefer Athemzug der Nachtluft durch die
Laubwände des Thales, daß die Eichen mächtig schauerten und ihre
schweren Blätter erzittern machten.

"Sie trinken und musiciren drüben", sprach Mar, der eine Zeit
lang schwelgend in die Nacht gestarrt, "so sorglos sind die Menschen!
Hinter ihrem Giebel droht doch ein Wetter! Freilich", rief er dann
wildlachend, "freilich ist es kein Wetter mit Donner und zündendem
Strahl, sondern nur ein Leuchten und Flackern -- ein Schuß ohne
Kugel.'

Wieder und immer wieder erklangen die Gläser und folgten die
schmetternden Fanfaren von dem Schloß herüber, ja bisweilen konnte
man einzelne Stimmen unterscheiden, unterbrochen durch das Lachen
einer vergnügten Menge.

"Wie das jubelt und lärmt!" begann Ma.r wieder, "Sie trinken,
scheint es, seine Gesundheit! Trinkt nur, stoßt an, aber hütet Euch,
Gläser Splittern zuweilen. -- Sonst war es mir so wohl, wenn ich
frohe Menschen hörte, warum muß grade dieser Frohsinn mir so in's
Herz schneiden? O Gott! warum so zeitig mich an das Furchtbare
mahnen? Fast seit einem Jahre kenne ich, was es heißt, glücklich zu
sein, der Becher ist noch nicht leer, und mein Durst so groß, warum
schon jetzt ihn gewaltsam von meiner Lippe reißen?"

Der Mond brach eben hell durch eine Wolkenschlucht, und tief
in dem Grunde wurde der silberne Streifen des Baches sichtbar. Deut¬
lich schimmerten die weißen Wände des Schlosses über dem dunkeln
Laub des Waldes, und das Kerzenlicht in den Fenstern verschwand
vor dem mächtigern Strahle. Mar blickte auf,;>>aber nicht hinüber
nach dem Schlosse, sondern nach links, wo das Thal einen Bogen
beschrieb, an dessen Ende ein sonettes Häuschen neugierig über die
Büsche blickte, es war des NevierjägerS Wohnstätte. Da dünkte es


Gvenzhotcn. 'V. 185". Z2

fes Thal dämmerte zu Malens Füßen, ihm gegenüber in Büchsenschuß-
weite lag auf der Höhe der Thalwand ein langes Gebäude, das
Jagdschloß des Herzogs. Die Fronte seiner Fenster war hell erleuch¬
tet, und da es still im Thal und Walde, die Lust aber gewitterschwer
war, so drang das Klirren der Gläser und das Schmettern der Musi
deutlich zu Maxens Ohr. Hinter dein Schlosse lagerten feste Wolken¬
schichten, und das Wetterleuchten zeigte auf Augenblicke deutlich die
Formen des Daches und die kleinen Thürmchen am Giebel des Schlos¬
ses. Tief unten im Thal trieb ein Bach ein schweres Mühlenrad,
und dann und wann fuhr ein tiefer Athemzug der Nachtluft durch die
Laubwände des Thales, daß die Eichen mächtig schauerten und ihre
schweren Blätter erzittern machten.

„Sie trinken und musiciren drüben", sprach Mar, der eine Zeit
lang schwelgend in die Nacht gestarrt, „so sorglos sind die Menschen!
Hinter ihrem Giebel droht doch ein Wetter! Freilich", rief er dann
wildlachend, „freilich ist es kein Wetter mit Donner und zündendem
Strahl, sondern nur ein Leuchten und Flackern — ein Schuß ohne
Kugel.'

Wieder und immer wieder erklangen die Gläser und folgten die
schmetternden Fanfaren von dem Schloß herüber, ja bisweilen konnte
man einzelne Stimmen unterscheiden, unterbrochen durch das Lachen
einer vergnügten Menge.

„Wie das jubelt und lärmt!" begann Ma.r wieder, „Sie trinken,
scheint es, seine Gesundheit! Trinkt nur, stoßt an, aber hütet Euch,
Gläser Splittern zuweilen. — Sonst war es mir so wohl, wenn ich
frohe Menschen hörte, warum muß grade dieser Frohsinn mir so in's
Herz schneiden? O Gott! warum so zeitig mich an das Furchtbare
mahnen? Fast seit einem Jahre kenne ich, was es heißt, glücklich zu
sein, der Becher ist noch nicht leer, und mein Durst so groß, warum
schon jetzt ihn gewaltsam von meiner Lippe reißen?"

Der Mond brach eben hell durch eine Wolkenschlucht, und tief
in dem Grunde wurde der silberne Streifen des Baches sichtbar. Deut¬
lich schimmerten die weißen Wände des Schlosses über dem dunkeln
Laub des Waldes, und das Kerzenlicht in den Fenstern verschwand
vor dem mächtigern Strahle. Mar blickte auf,;>>aber nicht hinüber
nach dem Schlosse, sondern nach links, wo das Thal einen Bogen
beschrieb, an dessen Ende ein sonettes Häuschen neugierig über die
Büsche blickte, es war des NevierjägerS Wohnstätte. Da dünkte es


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[0165] fes Thal dämmerte zu Malens Füßen, ihm gegenüber in Büchsenschuß- weite lag auf der Höhe der Thalwand ein langes Gebäude, das Jagdschloß des Herzogs. Die Fronte seiner Fenster war hell erleuch¬ tet, und da es still im Thal und Walde, die Lust aber gewitterschwer war, so drang das Klirren der Gläser und das Schmettern der Musi deutlich zu Maxens Ohr. Hinter dein Schlosse lagerten feste Wolken¬ schichten, und das Wetterleuchten zeigte auf Augenblicke deutlich die Formen des Daches und die kleinen Thürmchen am Giebel des Schlos¬ ses. Tief unten im Thal trieb ein Bach ein schweres Mühlenrad, und dann und wann fuhr ein tiefer Athemzug der Nachtluft durch die Laubwände des Thales, daß die Eichen mächtig schauerten und ihre schweren Blätter erzittern machten. „Sie trinken und musiciren drüben", sprach Mar, der eine Zeit lang schwelgend in die Nacht gestarrt, „so sorglos sind die Menschen! Hinter ihrem Giebel droht doch ein Wetter! Freilich", rief er dann wildlachend, „freilich ist es kein Wetter mit Donner und zündendem Strahl, sondern nur ein Leuchten und Flackern — ein Schuß ohne Kugel.' Wieder und immer wieder erklangen die Gläser und folgten die schmetternden Fanfaren von dem Schloß herüber, ja bisweilen konnte man einzelne Stimmen unterscheiden, unterbrochen durch das Lachen einer vergnügten Menge. „Wie das jubelt und lärmt!" begann Ma.r wieder, „Sie trinken, scheint es, seine Gesundheit! Trinkt nur, stoßt an, aber hütet Euch, Gläser Splittern zuweilen. — Sonst war es mir so wohl, wenn ich frohe Menschen hörte, warum muß grade dieser Frohsinn mir so in's Herz schneiden? O Gott! warum so zeitig mich an das Furchtbare mahnen? Fast seit einem Jahre kenne ich, was es heißt, glücklich zu sein, der Becher ist noch nicht leer, und mein Durst so groß, warum schon jetzt ihn gewaltsam von meiner Lippe reißen?" Der Mond brach eben hell durch eine Wolkenschlucht, und tief in dem Grunde wurde der silberne Streifen des Baches sichtbar. Deut¬ lich schimmerten die weißen Wände des Schlosses über dem dunkeln Laub des Waldes, und das Kerzenlicht in den Fenstern verschwand vor dem mächtigern Strahle. Mar blickte auf,;>>aber nicht hinüber nach dem Schlosse, sondern nach links, wo das Thal einen Bogen beschrieb, an dessen Ende ein sonettes Häuschen neugierig über die Büsche blickte, es war des NevierjägerS Wohnstätte. Da dünkte es Gvenzhotcn. 'V. 185«. Z2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/165>, abgerufen am 23.07.2024.