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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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"Neuere Gedichte" als zu geographisch nicht beliebt ist, daß endlich
Alfred Meißners Ziska Außerordentliches verspricht.

Bei der Morgenröthe hat Alles ein verheißungsvolles Ansehen.
Betrachten wir nun Einiges unter Nüchterirer Beleuchtung.

Eduard Boas. Die Sammlung seiner "Schriften" ist auf
zwölf Bände angelegt, und die zwei ersten liegen vor uiis. Der erste
"heitere Novellen" betitelt, enthält drei Erzählungen, voir denen "der
Buchbinder" und "Bennos Jugendleben" einen eigenen Und nicht un-
interessanter Charakter des Erzählens darstellen. Sre wollen Zu-
stände in größerem Umkreise, zum Beispiele Handwerkerleben schildern,
und einen Charakter entwickeln, an welchem sich typisch unser jetziges
Faustleben spiegelt. Faust fragt heutiges Tags nicht mehr nach jen¬
seitigen Dingen, sondern er fragt: was soll man nach absolvirten Stu¬
dien werden, um leidlich glücklich zu sein, Held oder Doctor/ Künstler
oder Privatmann? Dies Thema behandelt die zweite Novelle, und es
ist der Boasschen Weise nachzurühmen, daß sie sich durch die doktri¬
näre Absicht nicht in doctrinäre Durchführung einspannen laset. Die
Entwickelung des Benno eilt munter und natürlich von Gei'rrebkld zit
Genrebild- in's Leben hinein und befriedigt uNsie Anforderungen, bis
wir an die letzte Höhe kommen. Von dieser macht der Autor ein zü
wohlfeiles Zugeständnis) an die alltägliche Form der Erzählung. Ge^
rügt uns indessen auch der Ausgang nicht, der Weg hat uns ange¬
sprochen, und ich glaube wohl, daß das große Lesepublicum viel An¬
theil nehmen kann, an den Boasschen Formen. Der Buchbinder
ist in der That eine durch Einfachheit wohlthuende Geschichte. Es
mag an ihr zu tadeln sein, daß sie durch ausführliche Schilderung
des Handwerkerlebens in der Einleitung auf einen Kreis sich sticht,
welcher für die eigentliche Erzählung acht nöthig und noch weniger
Kern und Mittelpunkt ist; aber man Mum't' diese Rowmrtik det
Handwerksburschen gern in den Kauf. -- Der zweite Band belügt
die "Pepita", welche sich schon zahlreiche Freunde erworben, und bringt
unter dem gemeinschaftlichen Titel: "Italienerinnen" mehrere solcher
anmuthigen Epen, deren schalkhafte Gattung Eduard Boas als etwas
ganz Originales ansprechen darf.

Schücking's "Eine dunkle That" ist Zeugniß eines geistvollen
Autors und ausgestattet mit manchem guten Detail. Gegen das
Ganze bin ich in einer ungünstigen Stellung, insofern mir die roman¬
tische Art der Erzählung veraltet und uninteressant erscheint. Die Mo¬
tive kommen hinten nach! Dies ist mit eine" Worte die Form die.-


„Neuere Gedichte" als zu geographisch nicht beliebt ist, daß endlich
Alfred Meißners Ziska Außerordentliches verspricht.

Bei der Morgenröthe hat Alles ein verheißungsvolles Ansehen.
Betrachten wir nun Einiges unter Nüchterirer Beleuchtung.

Eduard Boas. Die Sammlung seiner „Schriften" ist auf
zwölf Bände angelegt, und die zwei ersten liegen vor uiis. Der erste
„heitere Novellen" betitelt, enthält drei Erzählungen, voir denen „der
Buchbinder" und „Bennos Jugendleben" einen eigenen Und nicht un-
interessanter Charakter des Erzählens darstellen. Sre wollen Zu-
stände in größerem Umkreise, zum Beispiele Handwerkerleben schildern,
und einen Charakter entwickeln, an welchem sich typisch unser jetziges
Faustleben spiegelt. Faust fragt heutiges Tags nicht mehr nach jen¬
seitigen Dingen, sondern er fragt: was soll man nach absolvirten Stu¬
dien werden, um leidlich glücklich zu sein, Held oder Doctor/ Künstler
oder Privatmann? Dies Thema behandelt die zweite Novelle, und es
ist der Boasschen Weise nachzurühmen, daß sie sich durch die doktri¬
näre Absicht nicht in doctrinäre Durchführung einspannen laset. Die
Entwickelung des Benno eilt munter und natürlich von Gei'rrebkld zit
Genrebild- in's Leben hinein und befriedigt uNsie Anforderungen, bis
wir an die letzte Höhe kommen. Von dieser macht der Autor ein zü
wohlfeiles Zugeständnis) an die alltägliche Form der Erzählung. Ge^
rügt uns indessen auch der Ausgang nicht, der Weg hat uns ange¬
sprochen, und ich glaube wohl, daß das große Lesepublicum viel An¬
theil nehmen kann, an den Boasschen Formen. Der Buchbinder
ist in der That eine durch Einfachheit wohlthuende Geschichte. Es
mag an ihr zu tadeln sein, daß sie durch ausführliche Schilderung
des Handwerkerlebens in der Einleitung auf einen Kreis sich sticht,
welcher für die eigentliche Erzählung acht nöthig und noch weniger
Kern und Mittelpunkt ist; aber man Mum't' diese Rowmrtik det
Handwerksburschen gern in den Kauf. — Der zweite Band belügt
die „Pepita", welche sich schon zahlreiche Freunde erworben, und bringt
unter dem gemeinschaftlichen Titel: „Italienerinnen" mehrere solcher
anmuthigen Epen, deren schalkhafte Gattung Eduard Boas als etwas
ganz Originales ansprechen darf.

Schücking's „Eine dunkle That" ist Zeugniß eines geistvollen
Autors und ausgestattet mit manchem guten Detail. Gegen das
Ganze bin ich in einer ungünstigen Stellung, insofern mir die roman¬
tische Art der Erzählung veraltet und uninteressant erscheint. Die Mo¬
tive kommen hinten nach! Dies ist mit eine« Worte die Form die.-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/154>, abgerufen am 26.08.2024.