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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Die Leser mögen nicht besorgt sei", daß ein also verklausulirtes
Buch am Ende gar jesuitisch für die Jesuiten geschrieben sei. Der
Verfasser ist ein ehrlicher Norddeutscher, und schon dieser vorläufige
Band schließt nach Mittheilung der statistischen Daten in seinen
Schlußbetrachtungen dahin ab, daß er -- der Abneigung gegen die
Jesuiten Recht gibt.

Dieser Daten halber ist allerdings dieses Bändchen von außeror¬
dentlicher Wichtigkeit.

Das kann ich von einem "Jahrbuche des deutschen Elementes in
Ungarn" nicht sagen, welches ,,mit Originalbeiträgen namhafter
Schriftsteller" von Karl Maria B e nker t so eben herausgegeben wor¬
den ist, und eine literarische Verbindung und Vermittelung zwischen
den Deutschen und Magyaren errichten sott. Zu dieser dankenswer-
then Aufgabe ist es in keiner Weife angethan, nicht in der Anffassungs-
fahigkeit des Herausgebers, nicht in den Beiträgen. Letztere erschei¬
nen zusammengerafft, ohne irgend ein vereinigendes Princip und von
grell ungleichem Werthe. Die Einleitung des Herausgebers aber,
burschikos und lebendig, fährt an den entscheidenden Punkten, inner¬
halb welcher Trennung oder Vereinigung entschieden werden muß,
windig vorüber. Das Thema ist ein ungemein schwieriges, da die
Berechtigung der Magyaren unsern Landsleuten gegenüber eine viel
stärkere ist, als die der Slaven in Ländern, welche seit Jahrhunderten
Deutschland einverleibt, mit lediglich deutscher Cultur und zur Hälfte
mit deutschen Bewohnern angefüllt sind. In Ungarn kann es gründ¬
licher Bildung nur langsam gelingen, dem deutschen Elemente eine
tüchtige Stellung zu verschaffen, eine Stellung, tüchtig für die Ma¬
gyaren und tüchtig für uns, die wir eine organische Verbindung bis
an's schwarze Meer mit allen Kräften erstreben müssen. Solch ein
deutsches Element, welches sich in deutscher Sprache magyarisch ge¬
berdet, kann uns nicht im Geringsten nützen und wird auch in seinem
lüderlicher Style den Magyaren von keiner Bedeutung sein. Das
Beste was es zu Stande bringen kann, wäre eine Anregung für die
Deutschen in Ungarn: einen gründlichen literarischen Mittelpunkt in
einer Monats- oder Vierteljahrsschrift zu suchen, damit die schwierige
Stellung des deutschen Elementes ein Organ für Speculation und
Verständigung gewänne.

Eilen wir zu organisirten Schöpfungen, die in ihrem Kreise ab-
geschlossen sind und deren Betrachtung' ersprießlicher ist. Die letzten


Die Leser mögen nicht besorgt sei», daß ein also verklausulirtes
Buch am Ende gar jesuitisch für die Jesuiten geschrieben sei. Der
Verfasser ist ein ehrlicher Norddeutscher, und schon dieser vorläufige
Band schließt nach Mittheilung der statistischen Daten in seinen
Schlußbetrachtungen dahin ab, daß er — der Abneigung gegen die
Jesuiten Recht gibt.

Dieser Daten halber ist allerdings dieses Bändchen von außeror¬
dentlicher Wichtigkeit.

Das kann ich von einem „Jahrbuche des deutschen Elementes in
Ungarn" nicht sagen, welches ,,mit Originalbeiträgen namhafter
Schriftsteller" von Karl Maria B e nker t so eben herausgegeben wor¬
den ist, und eine literarische Verbindung und Vermittelung zwischen
den Deutschen und Magyaren errichten sott. Zu dieser dankenswer-
then Aufgabe ist es in keiner Weife angethan, nicht in der Anffassungs-
fahigkeit des Herausgebers, nicht in den Beiträgen. Letztere erschei¬
nen zusammengerafft, ohne irgend ein vereinigendes Princip und von
grell ungleichem Werthe. Die Einleitung des Herausgebers aber,
burschikos und lebendig, fährt an den entscheidenden Punkten, inner¬
halb welcher Trennung oder Vereinigung entschieden werden muß,
windig vorüber. Das Thema ist ein ungemein schwieriges, da die
Berechtigung der Magyaren unsern Landsleuten gegenüber eine viel
stärkere ist, als die der Slaven in Ländern, welche seit Jahrhunderten
Deutschland einverleibt, mit lediglich deutscher Cultur und zur Hälfte
mit deutschen Bewohnern angefüllt sind. In Ungarn kann es gründ¬
licher Bildung nur langsam gelingen, dem deutschen Elemente eine
tüchtige Stellung zu verschaffen, eine Stellung, tüchtig für die Ma¬
gyaren und tüchtig für uns, die wir eine organische Verbindung bis
an's schwarze Meer mit allen Kräften erstreben müssen. Solch ein
deutsches Element, welches sich in deutscher Sprache magyarisch ge¬
berdet, kann uns nicht im Geringsten nützen und wird auch in seinem
lüderlicher Style den Magyaren von keiner Bedeutung sein. Das
Beste was es zu Stande bringen kann, wäre eine Anregung für die
Deutschen in Ungarn: einen gründlichen literarischen Mittelpunkt in
einer Monats- oder Vierteljahrsschrift zu suchen, damit die schwierige
Stellung des deutschen Elementes ein Organ für Speculation und
Verständigung gewänne.

Eilen wir zu organisirten Schöpfungen, die in ihrem Kreise ab-
geschlossen sind und deren Betrachtung' ersprießlicher ist. Die letzten


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[0152] Die Leser mögen nicht besorgt sei», daß ein also verklausulirtes Buch am Ende gar jesuitisch für die Jesuiten geschrieben sei. Der Verfasser ist ein ehrlicher Norddeutscher, und schon dieser vorläufige Band schließt nach Mittheilung der statistischen Daten in seinen Schlußbetrachtungen dahin ab, daß er — der Abneigung gegen die Jesuiten Recht gibt. Dieser Daten halber ist allerdings dieses Bändchen von außeror¬ dentlicher Wichtigkeit. Das kann ich von einem „Jahrbuche des deutschen Elementes in Ungarn" nicht sagen, welches ,,mit Originalbeiträgen namhafter Schriftsteller" von Karl Maria B e nker t so eben herausgegeben wor¬ den ist, und eine literarische Verbindung und Vermittelung zwischen den Deutschen und Magyaren errichten sott. Zu dieser dankenswer- then Aufgabe ist es in keiner Weife angethan, nicht in der Anffassungs- fahigkeit des Herausgebers, nicht in den Beiträgen. Letztere erschei¬ nen zusammengerafft, ohne irgend ein vereinigendes Princip und von grell ungleichem Werthe. Die Einleitung des Herausgebers aber, burschikos und lebendig, fährt an den entscheidenden Punkten, inner¬ halb welcher Trennung oder Vereinigung entschieden werden muß, windig vorüber. Das Thema ist ein ungemein schwieriges, da die Berechtigung der Magyaren unsern Landsleuten gegenüber eine viel stärkere ist, als die der Slaven in Ländern, welche seit Jahrhunderten Deutschland einverleibt, mit lediglich deutscher Cultur und zur Hälfte mit deutschen Bewohnern angefüllt sind. In Ungarn kann es gründ¬ licher Bildung nur langsam gelingen, dem deutschen Elemente eine tüchtige Stellung zu verschaffen, eine Stellung, tüchtig für die Ma¬ gyaren und tüchtig für uns, die wir eine organische Verbindung bis an's schwarze Meer mit allen Kräften erstreben müssen. Solch ein deutsches Element, welches sich in deutscher Sprache magyarisch ge¬ berdet, kann uns nicht im Geringsten nützen und wird auch in seinem lüderlicher Style den Magyaren von keiner Bedeutung sein. Das Beste was es zu Stande bringen kann, wäre eine Anregung für die Deutschen in Ungarn: einen gründlichen literarischen Mittelpunkt in einer Monats- oder Vierteljahrsschrift zu suchen, damit die schwierige Stellung des deutschen Elementes ein Organ für Speculation und Verständigung gewänne. Eilen wir zu organisirten Schöpfungen, die in ihrem Kreise ab- geschlossen sind und deren Betrachtung' ersprießlicher ist. Die letzten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/152>, abgerufen am 26.08.2024.