hat sich jedoch auch kürzlich hierselbst zugetragen, denn als bei der Anwe¬ senheit des Tenoristen Herrn Kraus aus Wien die Aufführung der Stum¬ men von Portici beabsichtigt wurde, kam auf desfallsige Anfrage höhern Orts der Bescheid: daß die genannte Oper unter den heutigen Umstan¬ den mißliebig und vom Einstudiren derselben sofort abzustehen sek. Trotz dieser Beschränkungen gedeiht unsere Tagesliteratur. So brachte die neuerscheinende Zeitungshalle gestern den ausführlichen Bericht über die erste Sitzung des hiesigen königl. Kriminalgerichts nach dem neuen Untersuchungsvecfahren. Wenn es sich auch zuerst um ein paar gewöhn¬ liche Diebstahlsvcrvrechcn handelte, so erblickt der Redacteur des betreffen¬ den Artikels doch mit Recht darin den Embryo eines neun libralen ee Z. Z. Rechtszustandes.
V Zwölf Sonette vo" Emanuel Geibel.
Emanuel Geibel, in dem wir stets einen rechten Minnesänger von altem Schlage vermutheten, beweist jetzt, daß er auf jenen schönen Titel vollen Anspruch habe, indem er sich, wo es Noth thut, ganz nach Art seiner Brüder aus vergangenen romantischen Zeiten, auch ein schönes, scharfes, glänzendes Schwert umgürtet: ein ächter Bertrand de Born. Daß er hier und da gerne in glänzenden Burgen einkehrt und sich an ihrer romantischen Pracht erfreut, und daß er den Glauben an ver¬ gangene Herrlichkeiten, an die sonst Niemand mehr glaubt, mit Gewalt festhält -- ist vielleicht noch ein Beweis mehr für den romantischen Troubadour. Die zwölf Sonette, die eben so viele Schwertstreiche gegen den neuen Feind als Weckrufe und Liebeskusse für's Vaterland sind, wer¬ den gewiß das Schönste bleiben, was die angedrohte Gefahr aus deutschen Herzen zu Tage rief. Es mußte vielleicht auch grade ein Kind Lübecks sein, das die schönsten Lieder gegen Dänemark zu singen bestimmt war, da ist es denn gut, daß sich Emanuel Geibel erhob, der für den Norden und seine Zustände und seine Poesie so viel Sinn hat und ihn in schöner südlicher Form besingt wie Keiner. So sind diese zwölf Sonette gegen Dänemark wirkliche politische Gedichte und nicht bloße politische Ex- pectorationen und unharmonisches Gezeter geworden, wie wir an dergleichen leider Gottes schon seit Jahren gewöhnt sind. Als eine Probe, wie groß und wie poetisch Geibel seinen Stoff aufgefaßt, wollen wir nur ein So¬ nett, das dritte, mittheilen. Wer alle zwölf kennen will, mag sie kaufen, sie sind bei Aschenfeldt in Lübeck erschienen und kosten nur vier Groschen.
Es ist ein Ruf ins Niederland gekommen Vom Gau her, wo der Eider Fluten münden. Der jede deutsche Seele muß entzünden, Und war sie nie bis heul' in Zorn entglommen.
hat sich jedoch auch kürzlich hierselbst zugetragen, denn als bei der Anwe¬ senheit des Tenoristen Herrn Kraus aus Wien die Aufführung der Stum¬ men von Portici beabsichtigt wurde, kam auf desfallsige Anfrage höhern Orts der Bescheid: daß die genannte Oper unter den heutigen Umstan¬ den mißliebig und vom Einstudiren derselben sofort abzustehen sek. Trotz dieser Beschränkungen gedeiht unsere Tagesliteratur. So brachte die neuerscheinende Zeitungshalle gestern den ausführlichen Bericht über die erste Sitzung des hiesigen königl. Kriminalgerichts nach dem neuen Untersuchungsvecfahren. Wenn es sich auch zuerst um ein paar gewöhn¬ liche Diebstahlsvcrvrechcn handelte, so erblickt der Redacteur des betreffen¬ den Artikels doch mit Recht darin den Embryo eines neun libralen ee Z. Z. Rechtszustandes.
V Zwölf Sonette vo» Emanuel Geibel.
Emanuel Geibel, in dem wir stets einen rechten Minnesänger von altem Schlage vermutheten, beweist jetzt, daß er auf jenen schönen Titel vollen Anspruch habe, indem er sich, wo es Noth thut, ganz nach Art seiner Brüder aus vergangenen romantischen Zeiten, auch ein schönes, scharfes, glänzendes Schwert umgürtet: ein ächter Bertrand de Born. Daß er hier und da gerne in glänzenden Burgen einkehrt und sich an ihrer romantischen Pracht erfreut, und daß er den Glauben an ver¬ gangene Herrlichkeiten, an die sonst Niemand mehr glaubt, mit Gewalt festhält — ist vielleicht noch ein Beweis mehr für den romantischen Troubadour. Die zwölf Sonette, die eben so viele Schwertstreiche gegen den neuen Feind als Weckrufe und Liebeskusse für's Vaterland sind, wer¬ den gewiß das Schönste bleiben, was die angedrohte Gefahr aus deutschen Herzen zu Tage rief. Es mußte vielleicht auch grade ein Kind Lübecks sein, das die schönsten Lieder gegen Dänemark zu singen bestimmt war, da ist es denn gut, daß sich Emanuel Geibel erhob, der für den Norden und seine Zustände und seine Poesie so viel Sinn hat und ihn in schöner südlicher Form besingt wie Keiner. So sind diese zwölf Sonette gegen Dänemark wirkliche politische Gedichte und nicht bloße politische Ex- pectorationen und unharmonisches Gezeter geworden, wie wir an dergleichen leider Gottes schon seit Jahren gewöhnt sind. Als eine Probe, wie groß und wie poetisch Geibel seinen Stoff aufgefaßt, wollen wir nur ein So¬ nett, das dritte, mittheilen. Wer alle zwölf kennen will, mag sie kaufen, sie sind bei Aschenfeldt in Lübeck erschienen und kosten nur vier Groschen.
Es ist ein Ruf ins Niederland gekommen Vom Gau her, wo der Eider Fluten münden. Der jede deutsche Seele muß entzünden, Und war sie nie bis heul' in Zorn entglommen.
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[0129]
hat sich jedoch auch kürzlich hierselbst zugetragen, denn als bei der Anwe¬
senheit des Tenoristen Herrn Kraus aus Wien die Aufführung der Stum¬
men von Portici beabsichtigt wurde, kam auf desfallsige Anfrage höhern
Orts der Bescheid: daß die genannte Oper unter den heutigen Umstan¬
den mißliebig und vom Einstudiren derselben sofort abzustehen sek.
Trotz dieser Beschränkungen gedeiht unsere Tagesliteratur. So brachte
die neuerscheinende Zeitungshalle gestern den ausführlichen Bericht über
die erste Sitzung des hiesigen königl. Kriminalgerichts nach dem neuen
Untersuchungsvecfahren. Wenn es sich auch zuerst um ein paar gewöhn¬
liche Diebstahlsvcrvrechcn handelte, so erblickt der Redacteur des betreffen¬
den Artikels doch mit Recht darin den Embryo eines neun libralen
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Zwölf Sonette vo» Emanuel Geibel.
Emanuel Geibel, in dem wir stets einen rechten Minnesänger von
altem Schlage vermutheten, beweist jetzt, daß er auf jenen schönen Titel
vollen Anspruch habe, indem er sich, wo es Noth thut, ganz nach Art
seiner Brüder aus vergangenen romantischen Zeiten, auch ein schönes,
scharfes, glänzendes Schwert umgürtet: ein ächter Bertrand de Born.
Daß er hier und da gerne in glänzenden Burgen einkehrt und sich an
ihrer romantischen Pracht erfreut, und daß er den Glauben an ver¬
gangene Herrlichkeiten, an die sonst Niemand mehr glaubt, mit Gewalt
festhält — ist vielleicht noch ein Beweis mehr für den romantischen
Troubadour. Die zwölf Sonette, die eben so viele Schwertstreiche gegen
den neuen Feind als Weckrufe und Liebeskusse für's Vaterland sind, wer¬
den gewiß das Schönste bleiben, was die angedrohte Gefahr aus deutschen
Herzen zu Tage rief. Es mußte vielleicht auch grade ein Kind Lübecks
sein, das die schönsten Lieder gegen Dänemark zu singen bestimmt war,
da ist es denn gut, daß sich Emanuel Geibel erhob, der für den Norden
und seine Zustände und seine Poesie so viel Sinn hat und ihn in schöner
südlicher Form besingt wie Keiner. So sind diese zwölf Sonette gegen
Dänemark wirkliche politische Gedichte und nicht bloße politische Ex-
pectorationen und unharmonisches Gezeter geworden, wie wir an dergleichen
leider Gottes schon seit Jahren gewöhnt sind. Als eine Probe, wie groß
und wie poetisch Geibel seinen Stoff aufgefaßt, wollen wir nur ein So¬
nett, das dritte, mittheilen. Wer alle zwölf kennen will, mag sie kaufen,
sie sind bei Aschenfeldt in Lübeck erschienen und kosten nur vier Groschen.
Es ist ein Ruf ins Niederland gekommen
Vom Gau her, wo der Eider Fluten münden.
Der jede deutsche Seele muß entzünden,
Und war sie nie bis heul' in Zorn entglommen.
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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/129>, abgerufen am 24.01.2025.
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