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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Bemerkung machten! n. s. w. Nach der Tafel, die wieder mit einem Ge¬
bete beschlossen wurde, machten ein Herr und eine Dame ihren Besuch.
"Obgleich," sagte mir Herr X., "dieser Mann sehr reich und auch mein
Verwandter und Professor ist, hat er sich doch an die Spitze einer "col"
primsil-o im ^u-ulier 8t. Leiv-us gestellt, um der maßlosen sittlichen
Verwahrlosung dieses Stadttheils entgegen zu treten, c-n-, Monsieur,
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sorti lie co auartim-. Jedoch sei er bereits mit der <?Alisv natur^Is
in Zwiespalt gerathen, obwohl er nicht gerade Methodist sei, son¬
dern nur "les ni-moipes <l<. zws -ums" etwas stärker ausspreche.
Unter exlise oiitionaiv versteht Hr. X. 1-^ innioiitv "Zu clorAv uni est
tont -t knie riition-lie. Die Orthvdoren theilen sich dann in Momiers
und Methodisten, welche letzteren zwar anch lZ<?8 niincines Wut co-m-
Avli^nos haben, sich aber wirklich als separatistische Kirche erklärt und
eine strengere Kirchenzucht eingeführt haben. Jetzt erst gelang es mir,
die Unterhaltung auf einen andern Gegenstand zu leiten. Ich sprach
von der tlo elo k. ^. lioiisseau und der Musik, die ich gestern Abend
da gehört habe. Madame A'. meinte darauf, dieses Rousseaudcnkmal
solle man in den See werfen, worauf ich arglos erwiderte: Aller¬
dings hätte diesem großen Manne ein weit schöneres Monument ge¬
bührt. Madame warf mir einen zweifelhaften Blick zu, hielt einen
Augenblick den Athem an und fuhr dann heraus: Durchaus uicht,
mein Herr, durchaus nicht; es ist eine Schande, daß man diesem ab¬
scheulichen Menschen ein Denkmal gesetzt hat, der nicht einmal Scham
genug hatte, seinen frechen Unglauben zu verschweigen. Und Hr.
und Laharpe stimmten alsbald mit ein, und eiferten fanatisch gegen
Rousseau und seine ce"it'<zssic)n8. Ich begann mit der möglichsten Ruhe
eine Vertheidigung meines lieben Jean Jacques. Aber bald verlor sich
meine erzwungene Kaltblütigkeit und ich brach in eine donnernde Phi-
lippina aus gegen Intoleranz, Fanatismus und pietistichen Hochmuth,
der sich nicht scheue, auch das Erhabenste mit seinem Geifer zu be¬
sudeln. Die Blicke, die sich meine Zuhörer während dessen einander
zuwarfen, zeigten mir an, daß es nun Zeit, sei, mich zu entfernen.
Ich bin nicht wieder in dieses Haus gekommen. Welche Propaganda
des Pietismus haben jene Herren triumphirend vor mir entfaltet!
Welcher Fanatismus spricht sich aus in den zahlreichen Proselyten-
fabriken, von denen sie mir erzählt! Ueberall ist ihnen weit mehr



*) Ein Schimpfname für Radicaler in Genf.
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Bemerkung machten! n. s. w. Nach der Tafel, die wieder mit einem Ge¬
bete beschlossen wurde, machten ein Herr und eine Dame ihren Besuch.
„Obgleich," sagte mir Herr X., „dieser Mann sehr reich und auch mein
Verwandter und Professor ist, hat er sich doch an die Spitze einer «col«
primsil-o im ^u-ulier 8t. Leiv-us gestellt, um der maßlosen sittlichen
Verwahrlosung dieses Stadttheils entgegen zu treten, c-n-, Monsieur,
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in Zwiespalt gerathen, obwohl er nicht gerade Methodist sei, son¬
dern nur „les ni-moipes <l<. zws -ums" etwas stärker ausspreche.
Unter exlise oiitionaiv versteht Hr. X. 1-^ innioiitv «Zu clorAv uni est
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und Methodisten, welche letzteren zwar anch lZ<?8 niincines Wut co-m-
Avli^nos haben, sich aber wirklich als separatistische Kirche erklärt und
eine strengere Kirchenzucht eingeführt haben. Jetzt erst gelang es mir,
die Unterhaltung auf einen andern Gegenstand zu leiten. Ich sprach
von der tlo elo k. ^. lioiisseau und der Musik, die ich gestern Abend
da gehört habe. Madame A'. meinte darauf, dieses Rousseaudcnkmal
solle man in den See werfen, worauf ich arglos erwiderte: Aller¬
dings hätte diesem großen Manne ein weit schöneres Monument ge¬
bührt. Madame warf mir einen zweifelhaften Blick zu, hielt einen
Augenblick den Athem an und fuhr dann heraus: Durchaus uicht,
mein Herr, durchaus nicht; es ist eine Schande, daß man diesem ab¬
scheulichen Menschen ein Denkmal gesetzt hat, der nicht einmal Scham
genug hatte, seinen frechen Unglauben zu verschweigen. Und Hr.
und Laharpe stimmten alsbald mit ein, und eiferten fanatisch gegen
Rousseau und seine ce»it'<zssic)n8. Ich begann mit der möglichsten Ruhe
eine Vertheidigung meines lieben Jean Jacques. Aber bald verlor sich
meine erzwungene Kaltblütigkeit und ich brach in eine donnernde Phi-
lippina aus gegen Intoleranz, Fanatismus und pietistichen Hochmuth,
der sich nicht scheue, auch das Erhabenste mit seinem Geifer zu be¬
sudeln. Die Blicke, die sich meine Zuhörer während dessen einander
zuwarfen, zeigten mir an, daß es nun Zeit, sei, mich zu entfernen.
Ich bin nicht wieder in dieses Haus gekommen. Welche Propaganda
des Pietismus haben jene Herren triumphirend vor mir entfaltet!
Welcher Fanatismus spricht sich aus in den zahlreichen Proselyten-
fabriken, von denen sie mir erzählt! Ueberall ist ihnen weit mehr



*) Ein Schimpfname für Radicaler in Genf.
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[0115] Bemerkung machten! n. s. w. Nach der Tafel, die wieder mit einem Ge¬ bete beschlossen wurde, machten ein Herr und eine Dame ihren Besuch. „Obgleich," sagte mir Herr X., „dieser Mann sehr reich und auch mein Verwandter und Professor ist, hat er sich doch an die Spitze einer «col« primsil-o im ^u-ulier 8t. Leiv-us gestellt, um der maßlosen sittlichen Verwahrlosung dieses Stadttheils entgegen zu treten, c-n-, Monsieur, tont co rin'it ^ :r lie ni>,8 1',-ulicilI et «to »Ins I)«u88inA!mIt ^!) est sorti lie co auartim-. Jedoch sei er bereits mit der <?Alisv natur^Is in Zwiespalt gerathen, obwohl er nicht gerade Methodist sei, son¬ dern nur „les ni-moipes <l<. zws -ums" etwas stärker ausspreche. Unter exlise oiitionaiv versteht Hr. X. 1-^ innioiitv «Zu clorAv uni est tont -t knie riition-lie. Die Orthvdoren theilen sich dann in Momiers und Methodisten, welche letzteren zwar anch lZ<?8 niincines Wut co-m- Avli^nos haben, sich aber wirklich als separatistische Kirche erklärt und eine strengere Kirchenzucht eingeführt haben. Jetzt erst gelang es mir, die Unterhaltung auf einen andern Gegenstand zu leiten. Ich sprach von der tlo elo k. ^. lioiisseau und der Musik, die ich gestern Abend da gehört habe. Madame A'. meinte darauf, dieses Rousseaudcnkmal solle man in den See werfen, worauf ich arglos erwiderte: Aller¬ dings hätte diesem großen Manne ein weit schöneres Monument ge¬ bührt. Madame warf mir einen zweifelhaften Blick zu, hielt einen Augenblick den Athem an und fuhr dann heraus: Durchaus uicht, mein Herr, durchaus nicht; es ist eine Schande, daß man diesem ab¬ scheulichen Menschen ein Denkmal gesetzt hat, der nicht einmal Scham genug hatte, seinen frechen Unglauben zu verschweigen. Und Hr. und Laharpe stimmten alsbald mit ein, und eiferten fanatisch gegen Rousseau und seine ce»it'<zssic)n8. Ich begann mit der möglichsten Ruhe eine Vertheidigung meines lieben Jean Jacques. Aber bald verlor sich meine erzwungene Kaltblütigkeit und ich brach in eine donnernde Phi- lippina aus gegen Intoleranz, Fanatismus und pietistichen Hochmuth, der sich nicht scheue, auch das Erhabenste mit seinem Geifer zu be¬ sudeln. Die Blicke, die sich meine Zuhörer während dessen einander zuwarfen, zeigten mir an, daß es nun Zeit, sei, mich zu entfernen. Ich bin nicht wieder in dieses Haus gekommen. Welche Propaganda des Pietismus haben jene Herren triumphirend vor mir entfaltet! Welcher Fanatismus spricht sich aus in den zahlreichen Proselyten- fabriken, von denen sie mir erzählt! Ueberall ist ihnen weit mehr *) Ein Schimpfname für Radicaler in Genf. 15*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/115>, abgerufen am 23.07.2024.