Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.den fetten Bissen entgehen lassen, den der Proceß Beauvallon in Pa¬ Mißtrauisch fragt man jetzt immer bei den Werken über öster¬ Aus Stuttgart bittet man uns um folgende Berichtigung: "Die Nach¬ 'Verlas von Fr. Ludw. Herbig. Redacteur I. Kuranda. den fetten Bissen entgehen lassen, den der Proceß Beauvallon in Pa¬ Mißtrauisch fragt man jetzt immer bei den Werken über öster¬ Aus Stuttgart bittet man uns um folgende Berichtigung: „Die Nach¬ 'Verlas von Fr. Ludw. Herbig. Redacteur I. Kuranda. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0092" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182515"/> <p xml:id="ID_218" prev="#ID_217"> den fetten Bissen entgehen lassen, den der Proceß Beauvallon in Pa¬<lb/> ris darbot; vorzüglich wurde die leckere Phrase: ^mais, je oou-<lb/> eller-ü avant um mois avec toi! fast von allen servirt. Aber jede<lb/> Redaction machte zur Salvirung ihrer Privattugend eine fromme An¬<lb/> wendung mit zum Himmel gewandten Augen: O Frankreich! O So-<lb/> dom und Gomorrah! O Sittenverderbniß! — Thun sie nur nicht so<lb/> heilig, meine Herrschaften, die französische Presse könnte ein Mal<lb/> Revanche nehmen und die Geschichten, die lie dann von manchem hei¬<lb/> ligen deutschen Schriftsteller zu erzählen wüßte, würden kaum in eine<lb/> so kurze Phrase zu bringen sein. Auch wissen wir nicht, ob die deutsche<lb/> Tugend der Tänzerinnen und Choristinnen in Berlin, Wien und Ham¬<lb/> burg derlei Unzartheiten übler nehmen als Mademoiselle Anais Liv-<lb/> venne, und ob, wenn ein Mal unsere Processe öffentlich verhandelt<lb/> würden, die germanischen Tugendscenen bei Peter Ahrens'und seinen<lb/> hunderttausend frommen College» und Colleginnen, die pariser Sitt¬<lb/> lichkeit wirklich in den Schatten stellen möchte.</p><lb/> <p xml:id="ID_219"> Mißtrauisch fragt man jetzt immer bei den Werken über öster¬<lb/> reichische Staatsverhältnisse und Lebenszustände nach ihren wahrschein¬<lb/> lichen Nebenabsichten. Bald sollten sie nur Parteizwecken dienen, bald<lb/> nur der Fanfaronade eines wohlfeilen Liberalismus, ohne den Rück¬<lb/> halt genauer Kenntniß der vorhandenen Dinge, ohne genaueres<lb/> Wissen dessen, was man Heranwünschen muß. Dies Alles paßt nicht<lb/> von einem bei Engelmann in Leipzig erschienenen Büchlein: „Der<lb/> Katholicismus und Protestantismus in Oesterreich."<lb/> Es ist dieses wirklich eines der wenigen österreichischen Schriften von<lb/> bester Absicht und vortrefflich geordnetem statistischen Material. Aber<lb/> freilich fehlt ihm ein Reiz, welcher ähnlichen Büchern sonst selten ent¬<lb/> geht: der Reiz der Darstellung. Das vorliegende Werkchen ist er¬<lb/> schreckend trocken, und eben darum auch sicherlich um jene Kapitel<lb/> zu lang, welche eben nur Betrachtungen und Ansichten über den ka¬<lb/> tholischen Cultus, das Cölibat, die Ohrenbeichte und die Wallfahrten<lb/> enthalten — lauter Betrachtungen und Ansichten, die schon oft an¬<lb/> derwärts vorgebracht und in viel geschickterer Weise zum Abschluß ge¬<lb/> bracht wurden. Das Hauptverdienst des Büchleins bleibt die Auf¬<lb/> sammlung eines erstaunlich reichen kirchlich-statistischen Materials, und<lb/> deshalb mag man es mit Recht in dieser Hinsicht anempfehlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_220"> Aus Stuttgart bittet man uns um folgende Berichtigung: „Die Nach¬<lb/> richt aus Stuttgart in Ur. 2. der Grenzboten ist dahin zu berichtigen, daß<lb/> die königl. Hofschauspielcrin, Madame Lange, die dortige Hofbühne nicht ver¬<lb/> lasse» wird, indem ihr Contract verlängert wird.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_221"> 'Verlas von Fr. Ludw. Herbig. Redacteur I. Kuranda.<lb/> Druck von Friedrich Andrä.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0092]
den fetten Bissen entgehen lassen, den der Proceß Beauvallon in Pa¬
ris darbot; vorzüglich wurde die leckere Phrase: ^mais, je oou-
eller-ü avant um mois avec toi! fast von allen servirt. Aber jede
Redaction machte zur Salvirung ihrer Privattugend eine fromme An¬
wendung mit zum Himmel gewandten Augen: O Frankreich! O So-
dom und Gomorrah! O Sittenverderbniß! — Thun sie nur nicht so
heilig, meine Herrschaften, die französische Presse könnte ein Mal
Revanche nehmen und die Geschichten, die lie dann von manchem hei¬
ligen deutschen Schriftsteller zu erzählen wüßte, würden kaum in eine
so kurze Phrase zu bringen sein. Auch wissen wir nicht, ob die deutsche
Tugend der Tänzerinnen und Choristinnen in Berlin, Wien und Ham¬
burg derlei Unzartheiten übler nehmen als Mademoiselle Anais Liv-
venne, und ob, wenn ein Mal unsere Processe öffentlich verhandelt
würden, die germanischen Tugendscenen bei Peter Ahrens'und seinen
hunderttausend frommen College» und Colleginnen, die pariser Sitt¬
lichkeit wirklich in den Schatten stellen möchte.
Mißtrauisch fragt man jetzt immer bei den Werken über öster¬
reichische Staatsverhältnisse und Lebenszustände nach ihren wahrschein¬
lichen Nebenabsichten. Bald sollten sie nur Parteizwecken dienen, bald
nur der Fanfaronade eines wohlfeilen Liberalismus, ohne den Rück¬
halt genauer Kenntniß der vorhandenen Dinge, ohne genaueres
Wissen dessen, was man Heranwünschen muß. Dies Alles paßt nicht
von einem bei Engelmann in Leipzig erschienenen Büchlein: „Der
Katholicismus und Protestantismus in Oesterreich."
Es ist dieses wirklich eines der wenigen österreichischen Schriften von
bester Absicht und vortrefflich geordnetem statistischen Material. Aber
freilich fehlt ihm ein Reiz, welcher ähnlichen Büchern sonst selten ent¬
geht: der Reiz der Darstellung. Das vorliegende Werkchen ist er¬
schreckend trocken, und eben darum auch sicherlich um jene Kapitel
zu lang, welche eben nur Betrachtungen und Ansichten über den ka¬
tholischen Cultus, das Cölibat, die Ohrenbeichte und die Wallfahrten
enthalten — lauter Betrachtungen und Ansichten, die schon oft an¬
derwärts vorgebracht und in viel geschickterer Weise zum Abschluß ge¬
bracht wurden. Das Hauptverdienst des Büchleins bleibt die Auf¬
sammlung eines erstaunlich reichen kirchlich-statistischen Materials, und
deshalb mag man es mit Recht in dieser Hinsicht anempfehlen.
Aus Stuttgart bittet man uns um folgende Berichtigung: „Die Nach¬
richt aus Stuttgart in Ur. 2. der Grenzboten ist dahin zu berichtigen, daß
die königl. Hofschauspielcrin, Madame Lange, die dortige Hofbühne nicht ver¬
lasse» wird, indem ihr Contract verlängert wird.
'Verlas von Fr. Ludw. Herbig. Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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