Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band. Vor Freuden knarrt die alte Eiche, Wenn sie erfaßt der Sturm der Erde; Ihr Schatten zeigt ihr, wie als Leiche Sie einstens ruhig schlummern werde. Ein Jauchzen ist das Todesächzen Im Feld der Schlacht und auf dem Bette -- Und Durst nach Ruhe ist ihr Lechzen, Um die die Pest warf ihre Kette. Und stille, verscharrte, erloschene Sterne, Grünerde Hügel, trockene Meere, Alle starben und starben gerne, Ob sie die S^lor noch einmal gebäre. Bis hierher erinnere ich mich an das Gedicht; von da an geht Von Völkerhekatomben, die gefallen und weiter von einem achten Schöpfungstage, der uoch hätte Indessen war der tolle Dichter im Laufe des Sommers in Vor Freuden knarrt die alte Eiche, Wenn sie erfaßt der Sturm der Erde; Ihr Schatten zeigt ihr, wie als Leiche Sie einstens ruhig schlummern werde. Ein Jauchzen ist das Todesächzen Im Feld der Schlacht und auf dem Bette — Und Durst nach Ruhe ist ihr Lechzen, Um die die Pest warf ihre Kette. Und stille, verscharrte, erloschene Sterne, Grünerde Hügel, trockene Meere, Alle starben und starben gerne, Ob sie die S^lor noch einmal gebäre. Bis hierher erinnere ich mich an das Gedicht; von da an geht Von Völkerhekatomben, die gefallen und weiter von einem achten Schöpfungstage, der uoch hätte Indessen war der tolle Dichter im Laufe des Sommers in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0075" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182498"/> <lg xml:id="POEMID_9" type="poem" next="#POEMID_10"> <l> Vor Freuden knarrt die alte Eiche,<lb/> Wenn sie erfaßt der Sturm der Erde;<lb/> Ihr Schatten zeigt ihr, wie als Leiche<lb/> Sie einstens ruhig schlummern werde.</l> </lg><lb/> <lg xml:id="POEMID_10" prev="#POEMID_9" type="poem" next="#POEMID_11"> <l> Ein Jauchzen ist das Todesächzen<lb/> Im Feld der Schlacht und auf dem Bette —<lb/> Und Durst nach Ruhe ist ihr Lechzen,<lb/> Um die die Pest warf ihre Kette.</l> </lg><lb/> <lg xml:id="POEMID_11" prev="#POEMID_10" type="poem"> <l> Und stille, verscharrte, erloschene Sterne,<lb/> Grünerde Hügel, trockene Meere,<lb/> Alle starben und starben gerne,<lb/> Ob sie die S^lor noch einmal gebäre.</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_183" prev="#ID_182" next="#ID_184"> Bis hierher erinnere ich mich an das Gedicht; von da an geht<lb/> es in Metrum und Gedanken so fürchterlich wahnsinnig durchein¬<lb/> ander, daß ein Mensch von nur etwas geordnetem Sinn es un¬<lb/> möglich behalten kann. Andere Gedichte, ebenfalls meist Antworten<lb/> auf die Fragen meines Lehrers, waren mir, dem Kinde, noch schwe¬<lb/> rer zu behalten, da sie nicht nur verwirrt in Gedanken, auch noch<lb/> in klassischen OdenverSmaßen abgefaßt waren. Nur so viel weiß<lb/> ich, daß oft mitten aus dem mächtigen Chaos wahrhaft geniale<lb/> Gedankenblitze zuckten und die Herrlichsien Bilder auftauchten. —<lb/> In einer Ode, die das Resultat eines politischen Gespräches war,<lb/> sprach er</p><lb/> <quote> Von Völkerhekatomben, die gefallen<lb/> Ewig erlechzenden Tyranneien</quote><lb/> <p xml:id="ID_184" prev="#ID_183"> und weiter von einem achten Schöpfungstage, der uoch hätte<lb/> kommen sollen, um das Glück zu schaffen für alle Geschöpfe der<lb/> sieben Tage. Aber es blieb aus, da der Mensch, kaum geschaffen,<lb/> dem Schöpfer hemmend die Hand hielt und sich deö Glückes un¬<lb/> würdig zeigte. Dann setzte er hinzu: der Mensch wäre auch nicht<lb/> glücklich im Glücke, da nur das Unglück Anderer sein Glück<lb/> mache! —</p><lb/> <p xml:id="ID_185" next="#ID_186"> Indessen war der tolle Dichter im Laufe des Sommers in<lb/> unserem Dorfe heimisch geworden; Alles kannte ihn, Jeder war gut<lb/> gegen ihn und wußte, wie er zu behandeln sei. Er setzte sich zu<lb/> Tische, wo es ihm beliebte, er übernachtete bald da, bald dort und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0075]
Vor Freuden knarrt die alte Eiche,
Wenn sie erfaßt der Sturm der Erde;
Ihr Schatten zeigt ihr, wie als Leiche
Sie einstens ruhig schlummern werde.
Ein Jauchzen ist das Todesächzen
Im Feld der Schlacht und auf dem Bette —
Und Durst nach Ruhe ist ihr Lechzen,
Um die die Pest warf ihre Kette.
Und stille, verscharrte, erloschene Sterne,
Grünerde Hügel, trockene Meere,
Alle starben und starben gerne,
Ob sie die S^lor noch einmal gebäre.
Bis hierher erinnere ich mich an das Gedicht; von da an geht
es in Metrum und Gedanken so fürchterlich wahnsinnig durchein¬
ander, daß ein Mensch von nur etwas geordnetem Sinn es un¬
möglich behalten kann. Andere Gedichte, ebenfalls meist Antworten
auf die Fragen meines Lehrers, waren mir, dem Kinde, noch schwe¬
rer zu behalten, da sie nicht nur verwirrt in Gedanken, auch noch
in klassischen OdenverSmaßen abgefaßt waren. Nur so viel weiß
ich, daß oft mitten aus dem mächtigen Chaos wahrhaft geniale
Gedankenblitze zuckten und die Herrlichsien Bilder auftauchten. —
In einer Ode, die das Resultat eines politischen Gespräches war,
sprach er
Von Völkerhekatomben, die gefallen
Ewig erlechzenden Tyranneien
und weiter von einem achten Schöpfungstage, der uoch hätte
kommen sollen, um das Glück zu schaffen für alle Geschöpfe der
sieben Tage. Aber es blieb aus, da der Mensch, kaum geschaffen,
dem Schöpfer hemmend die Hand hielt und sich deö Glückes un¬
würdig zeigte. Dann setzte er hinzu: der Mensch wäre auch nicht
glücklich im Glücke, da nur das Unglück Anderer sein Glück
mache! —
Indessen war der tolle Dichter im Laufe des Sommers in
unserem Dorfe heimisch geworden; Alles kannte ihn, Jeder war gut
gegen ihn und wußte, wie er zu behandeln sei. Er setzte sich zu
Tische, wo es ihm beliebte, er übernachtete bald da, bald dort und
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