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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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-- Man schreibt uns aus Wien: Die Gründung einer Akademie
der Wissenschaften, die vielleicht zur Zeit als Leibniz sie beantragte, auf
die künftige Hebung der österreichischen Volksintelligenz segensreich ein¬
gewirkt hatte, ist in unsern Tagen, wo das Stabilitätsprincip in alle
Zweige österreichischer Institutionen eingedrungen, nur ein Spielzeug vor¬
nehmer Herablassung zu den Bestrebungen der Gegenwart, mit dem Be¬
wußtsein, daß dadurch dem angebornen Princip nichts vergeben wird,
weil man die Macht besitzt, den vornehm begnadeten Gedanken in die
engsten Schranken zurückzuweisen. Diese Schranken zeigen sich noch vor
der Ausarbeitung und Bekanntmachung der Statuten i" comüüoix! sine
lM!l non. daß die Philosophie, "die Wissenschaft der Wissenschaften",
keinen Vertreter in dieser Akademie finden darf und alle Verhandlungen,
die an ihr Gebiet streifen, streng ausgeschlossen bleiben werden. Wenn
man bedenkt, daß der Zweck einer Akademie der Wissenschaften darin
besteht dem Staat, dem sie angehört, die schönsten, duftigsten Blüthen des
Menschengeistes zu vermitteln, und den seit Vi^ton von Verulam zur
Erkenntniß gebrachten innern Zusammenhang aller Wissenschaften der
Intelligenz der Nation insofern? zugänglich zu machen, daß eS auch in
den abstractesten Gegenständen gelehrter Verhandlungen die Verbindung
mir den erhabensten geistigen Zwecken der Menschheit erkenne und einen
theoretischen fort und fort reifenden Samen in sich aufnehme, so kann
man sich einen Begriff machen, welche Auffassung Geschichte und Litera¬
tur in einer Akademie, in einer Versammlung von Gelehrten erdulden
werden, die sich vor den letzten Consequenzen aller Wissenschaft, vor
den sonnigsten Resultaten menschlicher Forschung scheu die Augen ver¬
hüllen müssen. Oesterreich erkennt keinen Orzmud und Ahriman, kei¬
nen guten und bösen Geist, sondern der Geist überhaupt ist schon
vom Uebel und wo man ihm denn doch den Zugang nicht versperren
kann, darf er nicht in freien, erquickenden Strömen fließen, sondern von
den Faßreifen des Materialismus umklammert durch ein kleines Spund¬
loch eine spärliche Nahrung geben.

Daß die Gründung der Akademie bereits ihre falschen Enthusiasten
gefunden hat, ist bei der Gedankenlosigkeit öffentlicher Organe erklärlich.
So beging ein wiener Journal die Lächerlichkeit, eine ganze Seite, auf
der sich die Nachricht von der Gründung der Akademie befand, roth
drucken zu lassen, was, minder kostspielig als der Golddruck des Sun,
sich wahrscheinlich eben so festlich ausnehmen sollte, aber ganz andere
Deutungen zuläßt, wie etwa, daß einem wiener Journal auch einmal
eine Farbe gestattet war. Wir erwarten nun die Statuten Wenn sich
die Akademie nicht von den bestehenden Censurgesetzen eine gewisse Un¬
abhängigkeit in Rede und Schrift erringt, so wäre das Wenige, was sie
vielleicht auf spirituellen Gebieten Ersprießliches leisten könnte, schon im
ersten Keim unterdrückt.

-- In den "Jahrbüchern der preußischen Monarchie unter der Negie¬
rung Friedrich Wilhelms des Dritten" (Berlin bei Unger, Jahrgang
t"vo, Bd. M.) steht ein Gedicht, das betitelt ist und anhebt wie folgt:


— Man schreibt uns aus Wien: Die Gründung einer Akademie
der Wissenschaften, die vielleicht zur Zeit als Leibniz sie beantragte, auf
die künftige Hebung der österreichischen Volksintelligenz segensreich ein¬
gewirkt hatte, ist in unsern Tagen, wo das Stabilitätsprincip in alle
Zweige österreichischer Institutionen eingedrungen, nur ein Spielzeug vor¬
nehmer Herablassung zu den Bestrebungen der Gegenwart, mit dem Be¬
wußtsein, daß dadurch dem angebornen Princip nichts vergeben wird,
weil man die Macht besitzt, den vornehm begnadeten Gedanken in die
engsten Schranken zurückzuweisen. Diese Schranken zeigen sich noch vor
der Ausarbeitung und Bekanntmachung der Statuten i» comüüoix! sine
lM!l non. daß die Philosophie, „die Wissenschaft der Wissenschaften",
keinen Vertreter in dieser Akademie finden darf und alle Verhandlungen,
die an ihr Gebiet streifen, streng ausgeschlossen bleiben werden. Wenn
man bedenkt, daß der Zweck einer Akademie der Wissenschaften darin
besteht dem Staat, dem sie angehört, die schönsten, duftigsten Blüthen des
Menschengeistes zu vermitteln, und den seit Vi^ton von Verulam zur
Erkenntniß gebrachten innern Zusammenhang aller Wissenschaften der
Intelligenz der Nation insofern? zugänglich zu machen, daß eS auch in
den abstractesten Gegenständen gelehrter Verhandlungen die Verbindung
mir den erhabensten geistigen Zwecken der Menschheit erkenne und einen
theoretischen fort und fort reifenden Samen in sich aufnehme, so kann
man sich einen Begriff machen, welche Auffassung Geschichte und Litera¬
tur in einer Akademie, in einer Versammlung von Gelehrten erdulden
werden, die sich vor den letzten Consequenzen aller Wissenschaft, vor
den sonnigsten Resultaten menschlicher Forschung scheu die Augen ver¬
hüllen müssen. Oesterreich erkennt keinen Orzmud und Ahriman, kei¬
nen guten und bösen Geist, sondern der Geist überhaupt ist schon
vom Uebel und wo man ihm denn doch den Zugang nicht versperren
kann, darf er nicht in freien, erquickenden Strömen fließen, sondern von
den Faßreifen des Materialismus umklammert durch ein kleines Spund¬
loch eine spärliche Nahrung geben.

Daß die Gründung der Akademie bereits ihre falschen Enthusiasten
gefunden hat, ist bei der Gedankenlosigkeit öffentlicher Organe erklärlich.
So beging ein wiener Journal die Lächerlichkeit, eine ganze Seite, auf
der sich die Nachricht von der Gründung der Akademie befand, roth
drucken zu lassen, was, minder kostspielig als der Golddruck des Sun,
sich wahrscheinlich eben so festlich ausnehmen sollte, aber ganz andere
Deutungen zuläßt, wie etwa, daß einem wiener Journal auch einmal
eine Farbe gestattet war. Wir erwarten nun die Statuten Wenn sich
die Akademie nicht von den bestehenden Censurgesetzen eine gewisse Un¬
abhängigkeit in Rede und Schrift erringt, so wäre das Wenige, was sie
vielleicht auf spirituellen Gebieten Ersprießliches leisten könnte, schon im
ersten Keim unterdrückt.

— In den „Jahrbüchern der preußischen Monarchie unter der Negie¬
rung Friedrich Wilhelms des Dritten" (Berlin bei Unger, Jahrgang
t»vo, Bd. M.) steht ein Gedicht, das betitelt ist und anhebt wie folgt:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/591>, abgerufen am 24.11.2024.