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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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schaft hielt Sie für einen Gast, da Sie mit mir kamen und ich dort
oft aus- und eingehe. Wir tranken zusammen, ich sah, wie der Wein
Ihr Gehirn schon umnebelt hatte, Sie plauderten mehr, als man mit
einem Fremden plaudern soll, deshalb sperrte ich Sie gar weise ein
und wollte Sie wieder mit mir nehmen, wenn ich mich verabschiedete.
Doch halt! es fällt mir eben ein, führten Sie nicht eine Brieftasche
mit wichtigen Papieren bei sich?"

"Allerdings, sie enthielt einige Papiere von Bedeutung, Briefe
von einigen Mitgliedern unseres Bürgervereinö, die mich und jene leicht
in Unannehmlichkeiten verwickeln könnten. Ich finde die Brieftasche
nirgends und weiß doch genau, daß ich sie an jenem Abend bei mir
getragen, meine einzige Hoffnung ist, daß ich sie zu Hause elaen."

"Auch die bleibt Ihnen nicht mehr," entgegnete mir der Doctor,
"Ihr Zimmer ist durchsucht und Alles versiegelt, jener Brieftasche hat
man sich wahrscheinlich gleich nach Ihrer Verhaftung bemächtigt."

"Großer Gott!" rief ich in Verzweiflung die Hände ringend, "So
ist es wirklich wahr, daß man darauf sinnt, mich in eine Criminalsache
zu verwickeln, sprechen Sie, mein bester Doctor, Sie haben vielleicht
mehr Erfahrung in solchen Angelegenheiten, was soll ich thun, um
diesen mir höchst verderblichen Prozeß zu vermeiden?"

Der befragte Rechtsbeistand zuckte die Achseln.

"Der Minister klagte Sie wegen absichtlichen Anfalls an, er nennt
die Verweigerung Ihres Gesundes um Beförderung als Beweggrund
des Verbrechens, der Schein ist gegen Sie. Man klagt Sie ferner ge¬
heimer Verbindungen gegen die Regierung an, man hat Documente
wider Sie in den Händen, Ihre Sache steht wahrlich nicht gut, Herr
Commilitone, deshalb habe ich Sie auch aufgesucht. Mit Mühe ge¬
lang eS mir, Ihre Wächter zu bestechen, denn sie haben die strengste
Weisung, keine menschliche Seele zu Ihnen zu lassen. Es bleibt nur
no ein We nur no eine onung zur Rettung übrig."

g,
"Nennen Sie sie, mein bester Doctor, Sie sind ein Engel, den
mir der immelurTrötung in den Kerker gesandt."

"Sie müssen sich an den König wenden und bei ihm um Nieder¬
schlagung des Prozesses nachsuchen, er ist ein trefflicher Mann, er wird
es Ihnen nicht verweigern, wenn er mit den Umständen genau bekannt
wird. Ich habe mich mit Ihrem Gefängnißwärter verständigt, man
wird Ihnen Schreibmaterialien bringen. Setzen Sie also eine Supplik
aus und übergeben Sie sie an den Schließer, er ist unterrichtet, wie
er sie weiter befördern soll."


schaft hielt Sie für einen Gast, da Sie mit mir kamen und ich dort
oft aus- und eingehe. Wir tranken zusammen, ich sah, wie der Wein
Ihr Gehirn schon umnebelt hatte, Sie plauderten mehr, als man mit
einem Fremden plaudern soll, deshalb sperrte ich Sie gar weise ein
und wollte Sie wieder mit mir nehmen, wenn ich mich verabschiedete.
Doch halt! es fällt mir eben ein, führten Sie nicht eine Brieftasche
mit wichtigen Papieren bei sich?"

„Allerdings, sie enthielt einige Papiere von Bedeutung, Briefe
von einigen Mitgliedern unseres Bürgervereinö, die mich und jene leicht
in Unannehmlichkeiten verwickeln könnten. Ich finde die Brieftasche
nirgends und weiß doch genau, daß ich sie an jenem Abend bei mir
getragen, meine einzige Hoffnung ist, daß ich sie zu Hause elaen."

„Auch die bleibt Ihnen nicht mehr," entgegnete mir der Doctor,
„Ihr Zimmer ist durchsucht und Alles versiegelt, jener Brieftasche hat
man sich wahrscheinlich gleich nach Ihrer Verhaftung bemächtigt."

„Großer Gott!" rief ich in Verzweiflung die Hände ringend, „So
ist es wirklich wahr, daß man darauf sinnt, mich in eine Criminalsache
zu verwickeln, sprechen Sie, mein bester Doctor, Sie haben vielleicht
mehr Erfahrung in solchen Angelegenheiten, was soll ich thun, um
diesen mir höchst verderblichen Prozeß zu vermeiden?"

Der befragte Rechtsbeistand zuckte die Achseln.

„Der Minister klagte Sie wegen absichtlichen Anfalls an, er nennt
die Verweigerung Ihres Gesundes um Beförderung als Beweggrund
des Verbrechens, der Schein ist gegen Sie. Man klagt Sie ferner ge¬
heimer Verbindungen gegen die Regierung an, man hat Documente
wider Sie in den Händen, Ihre Sache steht wahrlich nicht gut, Herr
Commilitone, deshalb habe ich Sie auch aufgesucht. Mit Mühe ge¬
lang eS mir, Ihre Wächter zu bestechen, denn sie haben die strengste
Weisung, keine menschliche Seele zu Ihnen zu lassen. Es bleibt nur
no ein We nur no eine onung zur Rettung übrig."

g,
„Nennen Sie sie, mein bester Doctor, Sie sind ein Engel, den
mir der immelurTrötung in den Kerker gesandt."

„Sie müssen sich an den König wenden und bei ihm um Nieder¬
schlagung des Prozesses nachsuchen, er ist ein trefflicher Mann, er wird
es Ihnen nicht verweigern, wenn er mit den Umständen genau bekannt
wird. Ich habe mich mit Ihrem Gefängnißwärter verständigt, man
wird Ihnen Schreibmaterialien bringen. Setzen Sie also eine Supplik
aus und übergeben Sie sie an den Schließer, er ist unterrichtet, wie
er sie weiter befördern soll."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/567>, abgerufen am 25.08.2024.