Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schon lange her, daß mir die Füße vom vielen Gehen und Laufen
müde werden, und das geschieht nicht, wenn man jung ist.

-- Welcher Religion gehört Ihr an?

Die Beiden schwiegen.

-- In welche Kirche geht Ihr?

-- Ach, gnädiger Herr, in keine; wir haben kein Geld, das
wir dem Herrn Pfarrer und dem Küster geben könnten, wie die
reichen Baucröleut' thun, und keine Aecker, wovon der Herr Pfar¬
rer den Zehnten nehmen könnte. Wir dürfen freilich wohl in die
Kirche gehe", aber man sieht es doch nicht gern, und dann haben
wir auch keinen Sonntagskittel.

-- Seid Ihr Christen?

-- Nein, aber katholisch.

-- Ha, ha, ha! -- lachte der Criminalmann. -- Das Heiden-
Volk will katholisch sein. Warum nicht lieber deutsch-katholisch, oder
lichtfreundlich? Darnach sieht es mir geradeaus. Habt Ihr, -- fuhr
er mit dem Jnquii iren fort, -- habt Ihr Eurer Militairpflicht genügt?

Die beiden Zigeuner sahen einander an.

-- Seid Ihr Soldaten gewesen? -- wiederholte der Inquirent.

-- Ach bewahre,-- antwortete der Jüngere.-- Unser gnädigster
Herr kann so arme Leute, wie wir sind, nicht gebrauchen zum Sol¬
daten. Die Herren Bauerssöhne, von den reichen Höfen, die dürfen
die Uniform anziehen, wir nicht.

-- Womit beschäftigt Ihr Euch?

-- Ach, gnädiger Herr, mit gar Vielerlei, mitBotenlause", Holz¬
sägen, auch mit Arbeiten an der Chaussee, aber -- wir haben nicht
oft Arbeit, die Leute wollen uns nicht im Hause haben, wir sollen
nur solche Arbeit thun, die draußen geschieht, und da können wir im
Winter nichts verdienen.

-- Wovon lebt Ihr denn im Winter?

-- Ja, dann müssen wir frieren und hungern. Wir gehen
dann zu den reichen Leuten hin, die ein Haus haben, und sagen
Gebete her, dann geben uns die Leute Brod und lassen uns in den
Scheunen schlafen.

-- Gebete? -- Des Inquirenten Auge leuchtete; er faltete die
Hände und schaute zum Himmel. -- Was das Volk doch wohl für


schon lange her, daß mir die Füße vom vielen Gehen und Laufen
müde werden, und das geschieht nicht, wenn man jung ist.

— Welcher Religion gehört Ihr an?

Die Beiden schwiegen.

— In welche Kirche geht Ihr?

— Ach, gnädiger Herr, in keine; wir haben kein Geld, das
wir dem Herrn Pfarrer und dem Küster geben könnten, wie die
reichen Baucröleut' thun, und keine Aecker, wovon der Herr Pfar¬
rer den Zehnten nehmen könnte. Wir dürfen freilich wohl in die
Kirche gehe», aber man sieht es doch nicht gern, und dann haben
wir auch keinen Sonntagskittel.

— Seid Ihr Christen?

— Nein, aber katholisch.

— Ha, ha, ha! — lachte der Criminalmann. — Das Heiden-
Volk will katholisch sein. Warum nicht lieber deutsch-katholisch, oder
lichtfreundlich? Darnach sieht es mir geradeaus. Habt Ihr, — fuhr
er mit dem Jnquii iren fort, — habt Ihr Eurer Militairpflicht genügt?

Die beiden Zigeuner sahen einander an.

— Seid Ihr Soldaten gewesen? — wiederholte der Inquirent.

— Ach bewahre,— antwortete der Jüngere.— Unser gnädigster
Herr kann so arme Leute, wie wir sind, nicht gebrauchen zum Sol¬
daten. Die Herren Bauerssöhne, von den reichen Höfen, die dürfen
die Uniform anziehen, wir nicht.

— Womit beschäftigt Ihr Euch?

— Ach, gnädiger Herr, mit gar Vielerlei, mitBotenlause», Holz¬
sägen, auch mit Arbeiten an der Chaussee, aber — wir haben nicht
oft Arbeit, die Leute wollen uns nicht im Hause haben, wir sollen
nur solche Arbeit thun, die draußen geschieht, und da können wir im
Winter nichts verdienen.

— Wovon lebt Ihr denn im Winter?

— Ja, dann müssen wir frieren und hungern. Wir gehen
dann zu den reichen Leuten hin, die ein Haus haben, und sagen
Gebete her, dann geben uns die Leute Brod und lassen uns in den
Scheunen schlafen.

— Gebete? — Des Inquirenten Auge leuchtete; er faltete die
Hände und schaute zum Himmel. — Was das Volk doch wohl für


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0056" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182479"/>
          <p xml:id="ID_134"> schon lange her, daß mir die Füße vom vielen Gehen und Laufen<lb/>
müde werden, und das geschieht nicht, wenn man jung ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_135"> &#x2014; Welcher Religion gehört Ihr an?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_136"> Die Beiden schwiegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_137"> &#x2014; In welche Kirche geht Ihr?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_138"> &#x2014; Ach, gnädiger Herr, in keine; wir haben kein Geld, das<lb/>
wir dem Herrn Pfarrer und dem Küster geben könnten, wie die<lb/>
reichen Baucröleut' thun, und keine Aecker, wovon der Herr Pfar¬<lb/>
rer den Zehnten nehmen könnte. Wir dürfen freilich wohl in die<lb/>
Kirche gehe», aber man sieht es doch nicht gern, und dann haben<lb/>
wir auch keinen Sonntagskittel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_139"> &#x2014; Seid Ihr Christen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_140"> &#x2014; Nein, aber katholisch.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_141"> &#x2014; Ha, ha, ha! &#x2014; lachte der Criminalmann. &#x2014; Das Heiden-<lb/>
Volk will katholisch sein. Warum nicht lieber deutsch-katholisch, oder<lb/>
lichtfreundlich? Darnach sieht es mir geradeaus. Habt Ihr, &#x2014; fuhr<lb/>
er mit dem Jnquii iren fort, &#x2014; habt Ihr Eurer Militairpflicht genügt?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_142"> Die beiden Zigeuner sahen einander an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_143"> &#x2014; Seid Ihr Soldaten gewesen? &#x2014; wiederholte der Inquirent.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_144"> &#x2014; Ach bewahre,&#x2014; antwortete der Jüngere.&#x2014; Unser gnädigster<lb/>
Herr kann so arme Leute, wie wir sind, nicht gebrauchen zum Sol¬<lb/>
daten. Die Herren Bauerssöhne, von den reichen Höfen, die dürfen<lb/>
die Uniform anziehen, wir nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_145"> &#x2014; Womit beschäftigt Ihr Euch?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_146"> &#x2014; Ach, gnädiger Herr, mit gar Vielerlei, mitBotenlause», Holz¬<lb/>
sägen, auch mit Arbeiten an der Chaussee, aber &#x2014; wir haben nicht<lb/>
oft Arbeit, die Leute wollen uns nicht im Hause haben, wir sollen<lb/>
nur solche Arbeit thun, die draußen geschieht, und da können wir im<lb/>
Winter nichts verdienen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_147"> &#x2014; Wovon lebt Ihr denn im Winter?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_148"> &#x2014; Ja, dann müssen wir frieren und hungern. Wir gehen<lb/>
dann zu den reichen Leuten hin, die ein Haus haben, und sagen<lb/>
Gebete her, dann geben uns die Leute Brod und lassen uns in den<lb/>
Scheunen schlafen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_149" next="#ID_150"> &#x2014; Gebete? &#x2014; Des Inquirenten Auge leuchtete; er faltete die<lb/>
Hände und schaute zum Himmel. &#x2014; Was das Volk doch wohl für</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0056] schon lange her, daß mir die Füße vom vielen Gehen und Laufen müde werden, und das geschieht nicht, wenn man jung ist. — Welcher Religion gehört Ihr an? Die Beiden schwiegen. — In welche Kirche geht Ihr? — Ach, gnädiger Herr, in keine; wir haben kein Geld, das wir dem Herrn Pfarrer und dem Küster geben könnten, wie die reichen Baucröleut' thun, und keine Aecker, wovon der Herr Pfar¬ rer den Zehnten nehmen könnte. Wir dürfen freilich wohl in die Kirche gehe», aber man sieht es doch nicht gern, und dann haben wir auch keinen Sonntagskittel. — Seid Ihr Christen? — Nein, aber katholisch. — Ha, ha, ha! — lachte der Criminalmann. — Das Heiden- Volk will katholisch sein. Warum nicht lieber deutsch-katholisch, oder lichtfreundlich? Darnach sieht es mir geradeaus. Habt Ihr, — fuhr er mit dem Jnquii iren fort, — habt Ihr Eurer Militairpflicht genügt? Die beiden Zigeuner sahen einander an. — Seid Ihr Soldaten gewesen? — wiederholte der Inquirent. — Ach bewahre,— antwortete der Jüngere.— Unser gnädigster Herr kann so arme Leute, wie wir sind, nicht gebrauchen zum Sol¬ daten. Die Herren Bauerssöhne, von den reichen Höfen, die dürfen die Uniform anziehen, wir nicht. — Womit beschäftigt Ihr Euch? — Ach, gnädiger Herr, mit gar Vielerlei, mitBotenlause», Holz¬ sägen, auch mit Arbeiten an der Chaussee, aber — wir haben nicht oft Arbeit, die Leute wollen uns nicht im Hause haben, wir sollen nur solche Arbeit thun, die draußen geschieht, und da können wir im Winter nichts verdienen. — Wovon lebt Ihr denn im Winter? — Ja, dann müssen wir frieren und hungern. Wir gehen dann zu den reichen Leuten hin, die ein Haus haben, und sagen Gebete her, dann geben uns die Leute Brod und lassen uns in den Scheunen schlafen. — Gebete? — Des Inquirenten Auge leuchtete; er faltete die Hände und schaute zum Himmel. — Was das Volk doch wohl für

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/56
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/56>, abgerufen am 24.11.2024.