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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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dervar vor, baß ein preußischer Lieutenant Hauptredacteur des holländi¬
schen Hofjournals sein soll, während ein Secretär im Ministerium blos
rire untergeordnete Rolle dabei spielt. Er mochte meine Gedanken wohl erra¬
then und suchte sie zu entwaffnen. "Ist es wohl nöthig," begann er-- "daß ich
hier in Leipzig meinen Paß visiren lasse? -- Wohin gedenken Sie zu
reisen? -- Jn's Anhaltische, auf die Güter meiner Verwandten-- warf
?r leicht hin -- ich habe schon in Brüssel einige Schwierigkeiten mit dem
Paß gehabt. -- Dabei zog er wie zufällig den Paß hervor und öffnete
ihn. Richtig, ein Paß vom holländischen Ministerium für Herrn von
Alvensleben, ehemaliger Lieutenant in preußischen Diensten. Aber vom
Redacteur des Journals de la Have stund nichts drin. -- Sie waren
in Brüssel? -- Ich komme von dort, sagte er rasch, als wäre er froh,
ein Thema, auf welchem er sicherer ist, einschlagen zu können. -- Ich
bringe Ihnen viele Grüße von Herrn Muquart (ein deutscher Buchhänd¬
ler in Brüssel), er sagte mir, daß Sie und Freiligrath sehr oft die Abende
bei ihm zubrachten. -- Entschuldigen Sie, da herrscht ein Irrthum. Ich
war nie mit Freiligrath bei Herrn Muquart. -- Richtig, richtig, ich
glaube er hat mir blos gesagt, daß Sie Beide ein Mal zusammen bei
ihm speisten. -- Entschuldigen Sie, auch dies ist unrichtig, wir haben
nie zusammen bei ihm gespeist -- Der Fremde schlug ziemlich verlegen
die Augen nieder und ein Argwohn begann sich in mir zu regen. Herr
Muquart ist der einzige deutsche Buchhändler in Brüssel und es ist na¬
türlich vorauszusetzen, daß deutsche Schriftsteller dort ein- und ausgehen;
daß ich mit Freiligrath, als er in Brüssel war, zusammentraf, war gleich¬
falls leicht vorauszusetzen. Auch war anzunehmen, daß Herr Muquart,
als ein artiger Mann, wahrscheinlich den liebenswürdigen Dichter ein
Mal zu Tische geladen habe und was ist natürlicher, als daß er einen
andern dort ansässigen deutschen Schriftsteller zugleich einlud. Dies ist
so logisch, daß mein ehemaliger Lieutenant gewiß keinen falschen Schluß
zu fürchten schien. Da er sich jedoch zufällig doch gestrandet sah, warf
er schnell ein anderes Nothseil aus. -- Ich kenne noch mehrere Ihrer
Bekannten in Brüssel, namentlich den Professor ... sein Name ist mir
entfallen. -- Was für ein Professor? -- An der Universität, ein Deut¬
scher ... helfen Sie mir gefälligst den Namen finden. -- Es gibt mehrere
deutsche Professoren an der brüsseler Universität -- sagte ick) fest ent¬
schlossen, ihn selbst ankommen zu lassen. Wieder eine ziemliche Pause.
-- Ach, sagte er endlich, ich habe ein sehr unglückliches Gedächtniß; ich
hätte gern einen Ihrer Freunde als Schutzpatron für eine Angelegen¬
heit angerufen, in der ich mich an Sie wenden muß und bin nun ge¬
nöthigt, mich blos als Ehrenmann zum Ehrenmann, direct an Sie zu
wenden. -- Sprechen Sie, sagte ich gespannt. -- Ich bin in Verle¬
genheit, lispelte er mit fast weiblicher Schüchternheit, eS ist das erste Mal
daß mir im Leben so was passirt. Ich habe mich unterwegs langer auf¬
gehalten, als ich im Voraus dachte, meine Easse ist fast zu Ende, wenn
Sie mir den collegialischen Dienst erweisen wollten, Ill Louisdor auf
mein Ehrenwort vorzustrecken, so würde ich sie Ihnen, sobald ich auf
dem Gute meines Schwagers angelangt bin, sogleich zurückschicken. --


dervar vor, baß ein preußischer Lieutenant Hauptredacteur des holländi¬
schen Hofjournals sein soll, während ein Secretär im Ministerium blos
rire untergeordnete Rolle dabei spielt. Er mochte meine Gedanken wohl erra¬
then und suchte sie zu entwaffnen. „Ist es wohl nöthig," begann er— „daß ich
hier in Leipzig meinen Paß visiren lasse? — Wohin gedenken Sie zu
reisen? — Jn's Anhaltische, auf die Güter meiner Verwandten— warf
?r leicht hin — ich habe schon in Brüssel einige Schwierigkeiten mit dem
Paß gehabt. — Dabei zog er wie zufällig den Paß hervor und öffnete
ihn. Richtig, ein Paß vom holländischen Ministerium für Herrn von
Alvensleben, ehemaliger Lieutenant in preußischen Diensten. Aber vom
Redacteur des Journals de la Have stund nichts drin. — Sie waren
in Brüssel? — Ich komme von dort, sagte er rasch, als wäre er froh,
ein Thema, auf welchem er sicherer ist, einschlagen zu können. — Ich
bringe Ihnen viele Grüße von Herrn Muquart (ein deutscher Buchhänd¬
ler in Brüssel), er sagte mir, daß Sie und Freiligrath sehr oft die Abende
bei ihm zubrachten. — Entschuldigen Sie, da herrscht ein Irrthum. Ich
war nie mit Freiligrath bei Herrn Muquart. — Richtig, richtig, ich
glaube er hat mir blos gesagt, daß Sie Beide ein Mal zusammen bei
ihm speisten. — Entschuldigen Sie, auch dies ist unrichtig, wir haben
nie zusammen bei ihm gespeist — Der Fremde schlug ziemlich verlegen
die Augen nieder und ein Argwohn begann sich in mir zu regen. Herr
Muquart ist der einzige deutsche Buchhändler in Brüssel und es ist na¬
türlich vorauszusetzen, daß deutsche Schriftsteller dort ein- und ausgehen;
daß ich mit Freiligrath, als er in Brüssel war, zusammentraf, war gleich¬
falls leicht vorauszusetzen. Auch war anzunehmen, daß Herr Muquart,
als ein artiger Mann, wahrscheinlich den liebenswürdigen Dichter ein
Mal zu Tische geladen habe und was ist natürlicher, als daß er einen
andern dort ansässigen deutschen Schriftsteller zugleich einlud. Dies ist
so logisch, daß mein ehemaliger Lieutenant gewiß keinen falschen Schluß
zu fürchten schien. Da er sich jedoch zufällig doch gestrandet sah, warf
er schnell ein anderes Nothseil aus. — Ich kenne noch mehrere Ihrer
Bekannten in Brüssel, namentlich den Professor ... sein Name ist mir
entfallen. — Was für ein Professor? — An der Universität, ein Deut¬
scher ... helfen Sie mir gefälligst den Namen finden. — Es gibt mehrere
deutsche Professoren an der brüsseler Universität — sagte ick) fest ent¬
schlossen, ihn selbst ankommen zu lassen. Wieder eine ziemliche Pause.
— Ach, sagte er endlich, ich habe ein sehr unglückliches Gedächtniß; ich
hätte gern einen Ihrer Freunde als Schutzpatron für eine Angelegen¬
heit angerufen, in der ich mich an Sie wenden muß und bin nun ge¬
nöthigt, mich blos als Ehrenmann zum Ehrenmann, direct an Sie zu
wenden. — Sprechen Sie, sagte ich gespannt. — Ich bin in Verle¬
genheit, lispelte er mit fast weiblicher Schüchternheit, eS ist das erste Mal
daß mir im Leben so was passirt. Ich habe mich unterwegs langer auf¬
gehalten, als ich im Voraus dachte, meine Easse ist fast zu Ende, wenn
Sie mir den collegialischen Dienst erweisen wollten, Ill Louisdor auf
mein Ehrenwort vorzustrecken, so würde ich sie Ihnen, sobald ich auf
dem Gute meines Schwagers angelangt bin, sogleich zurückschicken. —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/550>, abgerufen am 24.11.2024.