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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Zigeuner, in einer aus dem jüdischen und dem Dialekte der Wald-
eck'schen Bauern gemischten Mundart. -- Ich weiß aber nicht bestimmt,
ob wir dort geboren sind, aber wir haben uns dort aufgehalten und
unsere Leute wohnen dort.

-- Ist dieser Bursche Euer Sohn?

-- Ach, gnädigster Herr, nehmen Sie es nicht übel, er ist
mein Sohn nicht. Ich bin nur sein Ohm.

-- Wer ist denn der Vater des jungen Menschen?

-- Der ist von den Förstern des allergnädigsten Herrn Fürsten
todtgeschossen, weil er in den Wald gegangen ist. Das wollte der
Förster nicht haben. Die Heiden dürfen nicht in den Wald gehen,
die Bäume wachsen nur für die Christen, wie der Herr Pfarrer
uns gesagt hat.

-- Wilddieb! Holzfrevler, -- murmelte der Criminalrach vor
sich hin.

-- Wie heißt Ihr denn?

-- Wir haben so eigentlich keine Namen, wie Andre, gnädiger
Herr,-- meinte der Zigeuner. -- Aber die Leute sagen zu'mir: Spiel¬
heide, weil ich bei den Bauernhochzeiten öfters, wenn keine Musi¬
kanten aus der Stadt da find, auf der Geige etwas ausspiele, und
zu jenem Burschen dort sagen sie --

^ Zu nur sagen sie,-- unterbrach der Jüngere schnell den An¬
dern, und seine Augen leuchteten, wie die einerKatze,-- zu mir sa¬
gen die Leute: Grellauge, und das kommt daher, weil ich Augen
habe, die hell sind und im Dunkeln leuchten, wie ein Stern.

-- Unverschämte! -- kreischte der Inquirent. -- Grellauge, Spiel¬
heide, sind das Namen? wie kann man die in die Acten schreiben?
Hört einmal, Ihr verrücktes Pack, wenn Ihr aus , der Stelle
nicht sagt, wie Ihr heißt, so lasse ich Euch krummschließen und prügeln.

-- Ach, -- antwortete zitternd der Aeltere, -- befehlen der gnä¬
dige Herr nur, wie wir heißen sollen, wir wollen ja gern sagen,
daß wir so heißen. Aber wir wissen es ja nicht.

-- Blödsinniges Volk! Wie alt seid Ihr?

--- Ach, gnädigster Herr, das sehen Sie ja selbst. Ich bin
älter, wie der junge Bursch da, aber um wie viel, das weiß, ich
nicht. Doch ich habe schon manchen Winter gefroren; gewiß schon
wohl siebenzig, es mag auch noch wohl mehr sein, denn es ist


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Zigeuner, in einer aus dem jüdischen und dem Dialekte der Wald-
eck'schen Bauern gemischten Mundart. — Ich weiß aber nicht bestimmt,
ob wir dort geboren sind, aber wir haben uns dort aufgehalten und
unsere Leute wohnen dort.

— Ist dieser Bursche Euer Sohn?

— Ach, gnädigster Herr, nehmen Sie es nicht übel, er ist
mein Sohn nicht. Ich bin nur sein Ohm.

— Wer ist denn der Vater des jungen Menschen?

— Der ist von den Förstern des allergnädigsten Herrn Fürsten
todtgeschossen, weil er in den Wald gegangen ist. Das wollte der
Förster nicht haben. Die Heiden dürfen nicht in den Wald gehen,
die Bäume wachsen nur für die Christen, wie der Herr Pfarrer
uns gesagt hat.

— Wilddieb! Holzfrevler, — murmelte der Criminalrach vor
sich hin.

— Wie heißt Ihr denn?

— Wir haben so eigentlich keine Namen, wie Andre, gnädiger
Herr,— meinte der Zigeuner. — Aber die Leute sagen zu'mir: Spiel¬
heide, weil ich bei den Bauernhochzeiten öfters, wenn keine Musi¬
kanten aus der Stadt da find, auf der Geige etwas ausspiele, und
zu jenem Burschen dort sagen sie —

^ Zu nur sagen sie,— unterbrach der Jüngere schnell den An¬
dern, und seine Augen leuchteten, wie die einerKatze,— zu mir sa¬
gen die Leute: Grellauge, und das kommt daher, weil ich Augen
habe, die hell sind und im Dunkeln leuchten, wie ein Stern.

— Unverschämte! — kreischte der Inquirent. — Grellauge, Spiel¬
heide, sind das Namen? wie kann man die in die Acten schreiben?
Hört einmal, Ihr verrücktes Pack, wenn Ihr aus , der Stelle
nicht sagt, wie Ihr heißt, so lasse ich Euch krummschließen und prügeln.

— Ach, — antwortete zitternd der Aeltere, — befehlen der gnä¬
dige Herr nur, wie wir heißen sollen, wir wollen ja gern sagen,
daß wir so heißen. Aber wir wissen es ja nicht.

— Blödsinniges Volk! Wie alt seid Ihr?

-— Ach, gnädigster Herr, das sehen Sie ja selbst. Ich bin
älter, wie der junge Bursch da, aber um wie viel, das weiß, ich
nicht. Doch ich habe schon manchen Winter gefroren; gewiß schon
wohl siebenzig, es mag auch noch wohl mehr sein, denn es ist


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[0055] Zigeuner, in einer aus dem jüdischen und dem Dialekte der Wald- eck'schen Bauern gemischten Mundart. — Ich weiß aber nicht bestimmt, ob wir dort geboren sind, aber wir haben uns dort aufgehalten und unsere Leute wohnen dort. — Ist dieser Bursche Euer Sohn? — Ach, gnädigster Herr, nehmen Sie es nicht übel, er ist mein Sohn nicht. Ich bin nur sein Ohm. — Wer ist denn der Vater des jungen Menschen? — Der ist von den Förstern des allergnädigsten Herrn Fürsten todtgeschossen, weil er in den Wald gegangen ist. Das wollte der Förster nicht haben. Die Heiden dürfen nicht in den Wald gehen, die Bäume wachsen nur für die Christen, wie der Herr Pfarrer uns gesagt hat. — Wilddieb! Holzfrevler, — murmelte der Criminalrach vor sich hin. — Wie heißt Ihr denn? — Wir haben so eigentlich keine Namen, wie Andre, gnädiger Herr,— meinte der Zigeuner. — Aber die Leute sagen zu'mir: Spiel¬ heide, weil ich bei den Bauernhochzeiten öfters, wenn keine Musi¬ kanten aus der Stadt da find, auf der Geige etwas ausspiele, und zu jenem Burschen dort sagen sie — ^ Zu nur sagen sie,— unterbrach der Jüngere schnell den An¬ dern, und seine Augen leuchteten, wie die einerKatze,— zu mir sa¬ gen die Leute: Grellauge, und das kommt daher, weil ich Augen habe, die hell sind und im Dunkeln leuchten, wie ein Stern. — Unverschämte! — kreischte der Inquirent. — Grellauge, Spiel¬ heide, sind das Namen? wie kann man die in die Acten schreiben? Hört einmal, Ihr verrücktes Pack, wenn Ihr aus , der Stelle nicht sagt, wie Ihr heißt, so lasse ich Euch krummschließen und prügeln. — Ach, — antwortete zitternd der Aeltere, — befehlen der gnä¬ dige Herr nur, wie wir heißen sollen, wir wollen ja gern sagen, daß wir so heißen. Aber wir wissen es ja nicht. — Blödsinniges Volk! Wie alt seid Ihr? -— Ach, gnädigster Herr, das sehen Sie ja selbst. Ich bin älter, wie der junge Bursch da, aber um wie viel, das weiß, ich nicht. Doch ich habe schon manchen Winter gefroren; gewiß schon wohl siebenzig, es mag auch noch wohl mehr sein, denn es ist 6*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/55>, abgerufen am 24.11.2024.