Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.7et Jahren, und ein junger Bursche waren eingefangen, weil sie Der Inquirent, Criminalrath S. war gerade das Gegentheil Das Verhör fing an; ich hatte meine Feder bereit, und ein -- Wo seid Ihr her? -- fuhr der Inquirent die Beiden an. -- Aus dem Waldeck'schen,erwiederte der Aeltere der beiden 7et Jahren, und ein junger Bursche waren eingefangen, weil sie Der Inquirent, Criminalrath S. war gerade das Gegentheil Das Verhör fing an; ich hatte meine Feder bereit, und ein — Wo seid Ihr her? — fuhr der Inquirent die Beiden an. — Aus dem Waldeck'schen,erwiederte der Aeltere der beiden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0054" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182477"/> <p xml:id="ID_116" prev="#ID_115"> 7et Jahren, und ein junger Bursche waren eingefangen, weil sie<lb/> sich über ihren ehrlichen Lebensunterhalt nicht ausweisen konnten,<lb/> und deshalb nach Allg. Preuß. Landrecht für Vagabonden ange¬<lb/> sehen wurden. Zu dieser Vagabondenqualität der Unglücklichen<lb/> kam noch der Titel „Heide" hinzu, den das Volk dem Zigeuner<lb/> gewöhnlich beilegt, weil er, obwohl dem Namen und den äußern<lb/> Gebräuchen nach Christ, doch immer, der Annahme des Volkes<lb/> nach, seinen heidnischen Gottcsansichten treu bleibt. Heide und<lb/> Vagabond! Kann es einen schrecklichem Menschen in unserm christ¬<lb/> lich-germanischen und königlich-preußischen Staate geben, wo der<lb/> privilegirte Reichthum und der noch privilegirtere Pietismus so¬<lb/> wohl für diese, wie für jene Welt die Zügel der Herrschaft in<lb/> Händen hat! —</p><lb/> <p xml:id="ID_117"> Der Inquirent, Criminalrath S. war gerade das Gegentheil<lb/> von einem „Heiden und Vagabonden." Als ein reicher Mann und<lb/> Besitzer eines Rittergutes, wie auch als Inhaber eines königlich-<lb/> preufi. Rathspatentes war er von einem Vagabonden so weit ent¬<lb/> fernt, wie ein Königsmörder von einem Polizeidiener. Ferner hatte<lb/> er so echt königl. preußische und ministeriell-gläubige Gesin¬<lb/> nungen über das Christenthum und die Gnadenwahl, und ging<lb/> jeden Sonntag mit so zerknirschten Mienen zur Kirche, daß man<lb/> ihn eher für einen bekehrten Philosophen oder Demagogen hätte<lb/> halten können, als für einen Heiden. Der lange, hagere Mann<lb/> mit blassem, eingefallenem Gesichte, auf dem ein grinzendes Lächeln<lb/> hin und wieder mit einem melancholisch-heuchlerischen Zuge wech¬<lb/> selte, hätte füglich für das Urbild des Tartüffe gelten können,<lb/> wenn er nur noch etwas weniger mit Aufrichtigkeit und mehr mit<lb/> Ansehen und Reichthum vom Himmel begnadigt worden wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_118"> Das Verhör fing an; ich hatte meine Feder bereit, und ein<lb/> ganzes Actenheft lag vor mir, um von den Sünden und Verbre¬<lb/> chen der armen Zigeuner vollgeschrieben zu werden. Die „Heiden"<lb/> zitterten sichtlich; sie waren wohl schon mehr, als einmal, vor Ge¬<lb/> richt gewesen, und bange vor Prügeln. Das sah man sowohl in<lb/> der kummervollen Miene und an der sclavisch-gebeugten Haltung<lb/> des Alten, wie an dem furchtsamen Benehmen des Jüngern.</p><lb/> <p xml:id="ID_119"> — Wo seid Ihr her? — fuhr der Inquirent die Beiden an.</p><lb/> <p xml:id="ID_120" next="#ID_121"> — Aus dem Waldeck'schen,erwiederte der Aeltere der beiden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
7et Jahren, und ein junger Bursche waren eingefangen, weil sie
sich über ihren ehrlichen Lebensunterhalt nicht ausweisen konnten,
und deshalb nach Allg. Preuß. Landrecht für Vagabonden ange¬
sehen wurden. Zu dieser Vagabondenqualität der Unglücklichen
kam noch der Titel „Heide" hinzu, den das Volk dem Zigeuner
gewöhnlich beilegt, weil er, obwohl dem Namen und den äußern
Gebräuchen nach Christ, doch immer, der Annahme des Volkes
nach, seinen heidnischen Gottcsansichten treu bleibt. Heide und
Vagabond! Kann es einen schrecklichem Menschen in unserm christ¬
lich-germanischen und königlich-preußischen Staate geben, wo der
privilegirte Reichthum und der noch privilegirtere Pietismus so¬
wohl für diese, wie für jene Welt die Zügel der Herrschaft in
Händen hat! —
Der Inquirent, Criminalrath S. war gerade das Gegentheil
von einem „Heiden und Vagabonden." Als ein reicher Mann und
Besitzer eines Rittergutes, wie auch als Inhaber eines königlich-
preufi. Rathspatentes war er von einem Vagabonden so weit ent¬
fernt, wie ein Königsmörder von einem Polizeidiener. Ferner hatte
er so echt königl. preußische und ministeriell-gläubige Gesin¬
nungen über das Christenthum und die Gnadenwahl, und ging
jeden Sonntag mit so zerknirschten Mienen zur Kirche, daß man
ihn eher für einen bekehrten Philosophen oder Demagogen hätte
halten können, als für einen Heiden. Der lange, hagere Mann
mit blassem, eingefallenem Gesichte, auf dem ein grinzendes Lächeln
hin und wieder mit einem melancholisch-heuchlerischen Zuge wech¬
selte, hätte füglich für das Urbild des Tartüffe gelten können,
wenn er nur noch etwas weniger mit Aufrichtigkeit und mehr mit
Ansehen und Reichthum vom Himmel begnadigt worden wäre.
Das Verhör fing an; ich hatte meine Feder bereit, und ein
ganzes Actenheft lag vor mir, um von den Sünden und Verbre¬
chen der armen Zigeuner vollgeschrieben zu werden. Die „Heiden"
zitterten sichtlich; sie waren wohl schon mehr, als einmal, vor Ge¬
richt gewesen, und bange vor Prügeln. Das sah man sowohl in
der kummervollen Miene und an der sclavisch-gebeugten Haltung
des Alten, wie an dem furchtsamen Benehmen des Jüngern.
— Wo seid Ihr her? — fuhr der Inquirent die Beiden an.
— Aus dem Waldeck'schen,erwiederte der Aeltere der beiden
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