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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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"Oho!" rufen die Herren, versammelt im Congresse, Sie sind einmal
sehr geschwinde, guter Herr; wer schon vierzig-Jahre lang heranf¬
und herunter gedreht wird, worüber sich Männer, die auch keine Nar¬
ren waren, die Köpfe lange zerbrachen und doch nicht zum Beschlüsse
kommen konnten, das wollten Sie, so mir nichts, Dir nichts über die
Kniee abbreche") nein, allervorschnellster Herr Präsident, die Unter¬
handlungen sind noch lange nicht zu Ende, und Sie wollen allerre-
publikanisch'se geruhen, dieselben in aller Bälde wieder aufzunehmen.
Aber wozu sollen sie denn sichren? der Krieg ist ja unvermeidlich." --
"Ach, allerboxlustigster Herr Executive, wer hat Ihnen das in den
Kopf gesetzt; Sie sind ja ans gräulichen Irrwegen; der Friede ist un¬
vermeidlich, der Krieg ist aber sehr vermeidlich!" -- "Aber, mein Gott,
Sie machen mich ja vor der ganzen Welt zu Schanden, lassen Sie
mich wenigstens die Notiz der Kündigung der gemeinschaftlichen Be¬
sitznahme Oregons geben; was werden sonst die europäischen Chief-
Magistrate von den Ihrigen denken?" -- "Das, guter Herr Pott,
kümmert uns sehr wenig; wir sind nicht geneigt, uns für die "Ge¬
rechtigkeit und Beharrlichkeit" zu schlagen; aber damit Ihnen die Thrä¬
nen kindischen Trotzes nicht kommen, geben Sie in Gottes Namen die
Notiz; aber fein sachte und stille, die Notiz soll zum Frieden zwischen
den Gebrüdern John Bull und John Jonathan führen."

Da haben Sie der langen Rede kurzen Sinn; der fünfmonat¬
lichen Debatte endliches Resultat; und frei herausgestanden: Mit den
Blitzen in des russischen Adlers Krallen sieht es weit gefährlicher für
Europa aus, als mit den Gasfünkchen des nordamerikantschen AareS,
dagegen ist dem Oelzweige, den der unsrige trägt, weit mehr zu trauen,
als dem mit Feuerkügelchen durchsäeten des Herrn Nikolaus. Denn
womit sollten wir denn den Krieg beginnen? Soldaten haben wir
so viele, als der allermildeste Juden und Polen, Katholiken und Pro¬
testanten, allergnädigst gewogenste moskautsche Herr tagtäglich in der
Newastadt auf die Wache ziehen läßt; Kriegsschiffe etwas mehr, als
König Ludwig auf dem Donau-Maincanal, wenn wir nicht, wie der
Herr Allen gutherzig meinte, mit 500 Wallfischfangschtffen 40,W0
Meilen blokiren wollten; ja, wenn die Engländer alle, wie einst der
selige Prophet Jona, in Wallfischen sich einquartieren wollten, dann
würde unsere mit Harpunen, statt Kanonen ausgerüstete Flotte noch
fertig werden können; aber da die Herren trotz aller katholisch-mur¬
melnden Orthodoxie auf Wunder heut' zu Tage nicht mehr viel ge¬
ben, und statt in Wallfischen in eisernen Dampfleviathans sich quar-


„Oho!" rufen die Herren, versammelt im Congresse, Sie sind einmal
sehr geschwinde, guter Herr; wer schon vierzig-Jahre lang heranf¬
und herunter gedreht wird, worüber sich Männer, die auch keine Nar¬
ren waren, die Köpfe lange zerbrachen und doch nicht zum Beschlüsse
kommen konnten, das wollten Sie, so mir nichts, Dir nichts über die
Kniee abbreche») nein, allervorschnellster Herr Präsident, die Unter¬
handlungen sind noch lange nicht zu Ende, und Sie wollen allerre-
publikanisch'se geruhen, dieselben in aller Bälde wieder aufzunehmen.
Aber wozu sollen sie denn sichren? der Krieg ist ja unvermeidlich." —
„Ach, allerboxlustigster Herr Executive, wer hat Ihnen das in den
Kopf gesetzt; Sie sind ja ans gräulichen Irrwegen; der Friede ist un¬
vermeidlich, der Krieg ist aber sehr vermeidlich!" — „Aber, mein Gott,
Sie machen mich ja vor der ganzen Welt zu Schanden, lassen Sie
mich wenigstens die Notiz der Kündigung der gemeinschaftlichen Be¬
sitznahme Oregons geben; was werden sonst die europäischen Chief-
Magistrate von den Ihrigen denken?" — „Das, guter Herr Pott,
kümmert uns sehr wenig; wir sind nicht geneigt, uns für die „Ge¬
rechtigkeit und Beharrlichkeit" zu schlagen; aber damit Ihnen die Thrä¬
nen kindischen Trotzes nicht kommen, geben Sie in Gottes Namen die
Notiz; aber fein sachte und stille, die Notiz soll zum Frieden zwischen
den Gebrüdern John Bull und John Jonathan führen."

Da haben Sie der langen Rede kurzen Sinn; der fünfmonat¬
lichen Debatte endliches Resultat; und frei herausgestanden: Mit den
Blitzen in des russischen Adlers Krallen sieht es weit gefährlicher für
Europa aus, als mit den Gasfünkchen des nordamerikantschen AareS,
dagegen ist dem Oelzweige, den der unsrige trägt, weit mehr zu trauen,
als dem mit Feuerkügelchen durchsäeten des Herrn Nikolaus. Denn
womit sollten wir denn den Krieg beginnen? Soldaten haben wir
so viele, als der allermildeste Juden und Polen, Katholiken und Pro¬
testanten, allergnädigst gewogenste moskautsche Herr tagtäglich in der
Newastadt auf die Wache ziehen läßt; Kriegsschiffe etwas mehr, als
König Ludwig auf dem Donau-Maincanal, wenn wir nicht, wie der
Herr Allen gutherzig meinte, mit 500 Wallfischfangschtffen 40,W0
Meilen blokiren wollten; ja, wenn die Engländer alle, wie einst der
selige Prophet Jona, in Wallfischen sich einquartieren wollten, dann
würde unsere mit Harpunen, statt Kanonen ausgerüstete Flotte noch
fertig werden können; aber da die Herren trotz aller katholisch-mur¬
melnden Orthodoxie auf Wunder heut' zu Tage nicht mehr viel ge¬
ben, und statt in Wallfischen in eisernen Dampfleviathans sich quar-


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[0530] „Oho!" rufen die Herren, versammelt im Congresse, Sie sind einmal sehr geschwinde, guter Herr; wer schon vierzig-Jahre lang heranf¬ und herunter gedreht wird, worüber sich Männer, die auch keine Nar¬ ren waren, die Köpfe lange zerbrachen und doch nicht zum Beschlüsse kommen konnten, das wollten Sie, so mir nichts, Dir nichts über die Kniee abbreche») nein, allervorschnellster Herr Präsident, die Unter¬ handlungen sind noch lange nicht zu Ende, und Sie wollen allerre- publikanisch'se geruhen, dieselben in aller Bälde wieder aufzunehmen. Aber wozu sollen sie denn sichren? der Krieg ist ja unvermeidlich." — „Ach, allerboxlustigster Herr Executive, wer hat Ihnen das in den Kopf gesetzt; Sie sind ja ans gräulichen Irrwegen; der Friede ist un¬ vermeidlich, der Krieg ist aber sehr vermeidlich!" — „Aber, mein Gott, Sie machen mich ja vor der ganzen Welt zu Schanden, lassen Sie mich wenigstens die Notiz der Kündigung der gemeinschaftlichen Be¬ sitznahme Oregons geben; was werden sonst die europäischen Chief- Magistrate von den Ihrigen denken?" — „Das, guter Herr Pott, kümmert uns sehr wenig; wir sind nicht geneigt, uns für die „Ge¬ rechtigkeit und Beharrlichkeit" zu schlagen; aber damit Ihnen die Thrä¬ nen kindischen Trotzes nicht kommen, geben Sie in Gottes Namen die Notiz; aber fein sachte und stille, die Notiz soll zum Frieden zwischen den Gebrüdern John Bull und John Jonathan führen." Da haben Sie der langen Rede kurzen Sinn; der fünfmonat¬ lichen Debatte endliches Resultat; und frei herausgestanden: Mit den Blitzen in des russischen Adlers Krallen sieht es weit gefährlicher für Europa aus, als mit den Gasfünkchen des nordamerikantschen AareS, dagegen ist dem Oelzweige, den der unsrige trägt, weit mehr zu trauen, als dem mit Feuerkügelchen durchsäeten des Herrn Nikolaus. Denn womit sollten wir denn den Krieg beginnen? Soldaten haben wir so viele, als der allermildeste Juden und Polen, Katholiken und Pro¬ testanten, allergnädigst gewogenste moskautsche Herr tagtäglich in der Newastadt auf die Wache ziehen läßt; Kriegsschiffe etwas mehr, als König Ludwig auf dem Donau-Maincanal, wenn wir nicht, wie der Herr Allen gutherzig meinte, mit 500 Wallfischfangschtffen 40,W0 Meilen blokiren wollten; ja, wenn die Engländer alle, wie einst der selige Prophet Jona, in Wallfischen sich einquartieren wollten, dann würde unsere mit Harpunen, statt Kanonen ausgerüstete Flotte noch fertig werden können; aber da die Herren trotz aller katholisch-mur¬ melnden Orthodoxie auf Wunder heut' zu Tage nicht mehr viel ge¬ ben, und statt in Wallfischen in eisernen Dampfleviathans sich quar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/530>, abgerufen am 24.11.2024.