Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.sige, nichts Eignes erzeugt, -- wenn nur die Leute so bescheiden wä¬ sige, nichts Eignes erzeugt, — wenn nur die Leute so bescheiden wä¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0490" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182913"/> <p xml:id="ID_1420" prev="#ID_1419" next="#ID_1421"> sige, nichts Eignes erzeugt, — wenn nur die Leute so bescheiden wä¬<lb/> re», dies anzuerkennen; aber nein — man ist kein Bauer, man hat<lb/> eine Ressource, einen Tümpel, der Markt heißt und natürlich macht<lb/> man dann ganz andere und weit höhere Ansprüche an das Leben, als<lb/> ein Dorfbewohner. Es geht nichts über die Eitelkeit solcher An¬<lb/> maßung. Die Unfähigkeit, durch eine gediegene Bildung und geistige<lb/> Vorzüge Geltung zu gewinnen, wird zu der wahnsinnigen Anfor¬<lb/> derung, unter jeder Bedingung eine Rolle zu spielen. — Du solltest<lb/> sie nur von ihrer Geselligkeit reden hören, von der Nothwendigkeit, nur<lb/> mit den gebildetsten Familien Umgang zu Pflegen — die Verachtung<lb/> solltest Dit in ihren Mienen lesen, mit welcher sie auf den „Pöbel"<lb/> herabsehen. — Der Nessourcegesellschaft gehört ein Adliger an, der<lb/> Besitzer eines benachbarten kleinen Gütchens, ein Umstand, der an und<lb/> sür sich doch wohl durchaus gleichgiltig ist, nur nicht für die hiesige<lb/> denn »xmktv. Wohl an die zehn Mal ist es mir schon erzählt wor¬<lb/> den und jedes Mal mit einem Tone der Wohlgefälligkeit und ge¬<lb/> schmeichelter Eitelkeit, wie er gar nicht zu beschreiben ist. Vorgestern<lb/> hatte ich die Ehre, jenen Gefeierten von Angesicht zu Angesicht ken-<lb/> nen zu lernen. Mail saß im Freien je nach Familien all einzelnen<lb/> Tischen, da trat er in den Garten. Die zwei jungen Leute der Stadt<lb/> stiegen mit ziemlich lauten und, wie ich meine, absichtlich lauten Be¬<lb/> grüßungen auf ihn zu. Er empfing ihr Willkommen mit der Miene<lb/> eines Mannes, welcher dergleichen Achtungsbezeugungen längst ge¬<lb/> wohnt ist und becomplimentirte sie darauf mit den verschiedenen Tischen.<lb/> Welche plötzliche, merkwürdige Veränderung in den Gesichtern. Alles<lb/> wurde lebendig und erregt, die Meisten zeigten eine affectirte Ver¬<lb/> traulichkeit, welche doch wieder eine gewisse vornehme Gleichgiltigkeit<lb/> durchscheinen lassen sollte, oder eine wahrhaft himmlische Freundlich¬<lb/> keit, mit der eine recht gesuchte Miene des Stolzes wundersam und<lb/> ziemlich lächerlich contrastirte. Andre wurden ganz und gar verlegen,<lb/> wie Leute, die beim Unrechtthun ertappt werden und ließen die ver¬<lb/> stohlener Weise vom Hause mitgebrachten Butterbrode in den Sand<lb/> fallen. Das Spaßhafteste bet dem Allen ist, daß Jeder diese Komödie<lb/> wie für sich selber nur spielt, denn da ist Keiner, der nicht des An¬<lb/> dern gesellige, heimliche und wirthliche Verhältnisse grade so gut, wie<lb/> dieser selbst kennte und in vielen, wo nicht den meisten Fällen, gar<lb/> noch besser. — Nichtsdestoweniger will Jeder den Ander» glauben<lb/> mache», und zwar mit jedem neue» Jahre von Neuem, daß grade er<lb/> mit dem ganz besondern Vertrauen des adligen Herrn Gutsbesitzers</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0490]
sige, nichts Eignes erzeugt, — wenn nur die Leute so bescheiden wä¬
re», dies anzuerkennen; aber nein — man ist kein Bauer, man hat
eine Ressource, einen Tümpel, der Markt heißt und natürlich macht
man dann ganz andere und weit höhere Ansprüche an das Leben, als
ein Dorfbewohner. Es geht nichts über die Eitelkeit solcher An¬
maßung. Die Unfähigkeit, durch eine gediegene Bildung und geistige
Vorzüge Geltung zu gewinnen, wird zu der wahnsinnigen Anfor¬
derung, unter jeder Bedingung eine Rolle zu spielen. — Du solltest
sie nur von ihrer Geselligkeit reden hören, von der Nothwendigkeit, nur
mit den gebildetsten Familien Umgang zu Pflegen — die Verachtung
solltest Dit in ihren Mienen lesen, mit welcher sie auf den „Pöbel"
herabsehen. — Der Nessourcegesellschaft gehört ein Adliger an, der
Besitzer eines benachbarten kleinen Gütchens, ein Umstand, der an und
sür sich doch wohl durchaus gleichgiltig ist, nur nicht für die hiesige
denn »xmktv. Wohl an die zehn Mal ist es mir schon erzählt wor¬
den und jedes Mal mit einem Tone der Wohlgefälligkeit und ge¬
schmeichelter Eitelkeit, wie er gar nicht zu beschreiben ist. Vorgestern
hatte ich die Ehre, jenen Gefeierten von Angesicht zu Angesicht ken-
nen zu lernen. Mail saß im Freien je nach Familien all einzelnen
Tischen, da trat er in den Garten. Die zwei jungen Leute der Stadt
stiegen mit ziemlich lauten und, wie ich meine, absichtlich lauten Be¬
grüßungen auf ihn zu. Er empfing ihr Willkommen mit der Miene
eines Mannes, welcher dergleichen Achtungsbezeugungen längst ge¬
wohnt ist und becomplimentirte sie darauf mit den verschiedenen Tischen.
Welche plötzliche, merkwürdige Veränderung in den Gesichtern. Alles
wurde lebendig und erregt, die Meisten zeigten eine affectirte Ver¬
traulichkeit, welche doch wieder eine gewisse vornehme Gleichgiltigkeit
durchscheinen lassen sollte, oder eine wahrhaft himmlische Freundlich¬
keit, mit der eine recht gesuchte Miene des Stolzes wundersam und
ziemlich lächerlich contrastirte. Andre wurden ganz und gar verlegen,
wie Leute, die beim Unrechtthun ertappt werden und ließen die ver¬
stohlener Weise vom Hause mitgebrachten Butterbrode in den Sand
fallen. Das Spaßhafteste bet dem Allen ist, daß Jeder diese Komödie
wie für sich selber nur spielt, denn da ist Keiner, der nicht des An¬
dern gesellige, heimliche und wirthliche Verhältnisse grade so gut, wie
dieser selbst kennte und in vielen, wo nicht den meisten Fällen, gar
noch besser. — Nichtsdestoweniger will Jeder den Ander» glauben
mache», und zwar mit jedem neue» Jahre von Neuem, daß grade er
mit dem ganz besondern Vertrauen des adligen Herrn Gutsbesitzers
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