Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn die Rheinprovinz, als die am reichsten unter allen andern
mit Schankwirthschasten ausgestattete, also, wie wir annehmen zu
müssen glaubten, als die am meisten trinkende, doch zugleich das Mi¬
nimum der Perbrecher der hier beleuchteten Art vor Gericht gestellt
hat, so ist freilich zu erwägen, daß hier das Getränk vorzugsweise der
leichte Landwein, ein wenig Alkohol reiches, ist. Wie ausfallend aber
jedenfalls Pommern, wo so viele, namentlich die meisten fleischlichen
Verbrechen vorkommen, und das am wenigsten Schankwirthschasten
ernährt! Westphalen zählt deren mehr als das dreifache, und hatte
doch weit weniger Verbrechen der Art. Sachsen hat fast die gleiche,
indeß doch eine etwas geringere Anzahl von Schankwirthschasten, als
Schlesien und Brandenburg, aber doch mehr Verbrecher. -- Ebensolche
Verhältnisse ergibt die Begleichung der Selbstmorde. Der Regierungs¬
bezirk Aachen unterhält mehr als viermal so viel Wirthschaften als der
Regierungsbezirk Stettin, welcher doch fast achtmal so viel Selbst¬
morde zählte! Düsseldorf mit mehr als der dreifachen Zahl von Schank-
localen, als (R.-B.) Magdeburg sie aufweist, hat zu Letzterm dennoch
nur ein Verhältniß von Selbstmördern wie 4:18! Bei diesen Bei¬
spielen wird man mit Recht geneigt sein, nach dem, was im vorigen
Artikel ausgeführt worden, an den Gegensatz des verschiedenen Glau¬
bensbekenntnisses bei den verglichenen Bevölkerungen zu denken. Wie
erklärt es sich aber, daß, bei gleicher Anzahl von Schankwirthschasten
in den beiden evangelischen Bezirken Gumbinnen uni> Stralsund, Letz¬
terer mehr als noch einmal soviel Selbstmorde zählt? Daß die katho¬
lischen Bezirke Bromberg und Pose", Ersterer mit sogar etwas mehr
Branntweinwirthschaften als Letzterer, sich mit ihren Selbstmorden ver¬
halten wie 4:7? Es kann hiernach nun wohl nicht geleugnet werden,
daß, wie oft auch in Einzelfällen der Trunk zum Selbstmord führen,
zu tödtlichen Mißhandlungen (Todtschläger) Veranlassung geben mag



Wenn die Rheinprovinz, als die am reichsten unter allen andern
mit Schankwirthschasten ausgestattete, also, wie wir annehmen zu
müssen glaubten, als die am meisten trinkende, doch zugleich das Mi¬
nimum der Perbrecher der hier beleuchteten Art vor Gericht gestellt
hat, so ist freilich zu erwägen, daß hier das Getränk vorzugsweise der
leichte Landwein, ein wenig Alkohol reiches, ist. Wie ausfallend aber
jedenfalls Pommern, wo so viele, namentlich die meisten fleischlichen
Verbrechen vorkommen, und das am wenigsten Schankwirthschasten
ernährt! Westphalen zählt deren mehr als das dreifache, und hatte
doch weit weniger Verbrechen der Art. Sachsen hat fast die gleiche,
indeß doch eine etwas geringere Anzahl von Schankwirthschasten, als
Schlesien und Brandenburg, aber doch mehr Verbrecher. — Ebensolche
Verhältnisse ergibt die Begleichung der Selbstmorde. Der Regierungs¬
bezirk Aachen unterhält mehr als viermal so viel Wirthschaften als der
Regierungsbezirk Stettin, welcher doch fast achtmal so viel Selbst¬
morde zählte! Düsseldorf mit mehr als der dreifachen Zahl von Schank-
localen, als (R.-B.) Magdeburg sie aufweist, hat zu Letzterm dennoch
nur ein Verhältniß von Selbstmördern wie 4:18! Bei diesen Bei¬
spielen wird man mit Recht geneigt sein, nach dem, was im vorigen
Artikel ausgeführt worden, an den Gegensatz des verschiedenen Glau¬
bensbekenntnisses bei den verglichenen Bevölkerungen zu denken. Wie
erklärt es sich aber, daß, bei gleicher Anzahl von Schankwirthschasten
in den beiden evangelischen Bezirken Gumbinnen uni> Stralsund, Letz¬
terer mehr als noch einmal soviel Selbstmorde zählt? Daß die katho¬
lischen Bezirke Bromberg und Pose», Ersterer mit sogar etwas mehr
Branntweinwirthschaften als Letzterer, sich mit ihren Selbstmorden ver¬
halten wie 4:7? Es kann hiernach nun wohl nicht geleugnet werden,
daß, wie oft auch in Einzelfällen der Trunk zum Selbstmord führen,
zu tödtlichen Mißhandlungen (Todtschläger) Veranlassung geben mag


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182905"/>
            <table facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341550_365120/figures/grenzboten_341550_365120_182905_001.jpg">
              <row>
                <cell> Summe der Verbreche»Vcrbrciuch der SpirituosaSumme der Selbstmorde<lb/>
Sachsen<lb/>
Schlesien<lb/>
Preußen<lb/>
Brandenburg<lb/>
Westphalen<lb/>
Rheinprovinz inPosen<lb/>
SchlesienPommern<lb/>
Schlesien<lb/>
Brandenburg<lb/>
^ ? ^<lb/>
Sachsen<lb/>
Preußen<lb/>
Pommern inPreußen<lb/>
Posen<lb/>
Westphalen<lb/>
Rheinprovinz in</cell>
              </row>
            </table><lb/>
            <p xml:id="ID_1400" next="#ID_1401"> Wenn die Rheinprovinz, als die am reichsten unter allen andern<lb/>
mit Schankwirthschasten ausgestattete, also, wie wir annehmen zu<lb/>
müssen glaubten, als die am meisten trinkende, doch zugleich das Mi¬<lb/>
nimum der Perbrecher der hier beleuchteten Art vor Gericht gestellt<lb/>
hat, so ist freilich zu erwägen, daß hier das Getränk vorzugsweise der<lb/>
leichte Landwein, ein wenig Alkohol reiches, ist. Wie ausfallend aber<lb/>
jedenfalls Pommern, wo so viele, namentlich die meisten fleischlichen<lb/>
Verbrechen vorkommen, und das am wenigsten Schankwirthschasten<lb/>
ernährt! Westphalen zählt deren mehr als das dreifache, und hatte<lb/>
doch weit weniger Verbrechen der Art. Sachsen hat fast die gleiche,<lb/>
indeß doch eine etwas geringere Anzahl von Schankwirthschasten, als<lb/>
Schlesien und Brandenburg, aber doch mehr Verbrecher. &#x2014; Ebensolche<lb/>
Verhältnisse ergibt die Begleichung der Selbstmorde. Der Regierungs¬<lb/>
bezirk Aachen unterhält mehr als viermal so viel Wirthschaften als der<lb/>
Regierungsbezirk Stettin, welcher doch fast achtmal so viel Selbst¬<lb/>
morde zählte! Düsseldorf mit mehr als der dreifachen Zahl von Schank-<lb/>
localen, als (R.-B.) Magdeburg sie aufweist, hat zu Letzterm dennoch<lb/>
nur ein Verhältniß von Selbstmördern wie 4:18! Bei diesen Bei¬<lb/>
spielen wird man mit Recht geneigt sein, nach dem, was im vorigen<lb/>
Artikel ausgeführt worden, an den Gegensatz des verschiedenen Glau¬<lb/>
bensbekenntnisses bei den verglichenen Bevölkerungen zu denken. Wie<lb/>
erklärt es sich aber, daß, bei gleicher Anzahl von Schankwirthschasten<lb/>
in den beiden evangelischen Bezirken Gumbinnen uni&gt; Stralsund, Letz¬<lb/>
terer mehr als noch einmal soviel Selbstmorde zählt? Daß die katho¬<lb/>
lischen Bezirke Bromberg und Pose», Ersterer mit sogar etwas mehr<lb/>
Branntweinwirthschaften als Letzterer, sich mit ihren Selbstmorden ver¬<lb/>
halten wie 4:7? Es kann hiernach nun wohl nicht geleugnet werden,<lb/>
daß, wie oft auch in Einzelfällen der Trunk zum Selbstmord führen,<lb/>
zu tödtlichen Mißhandlungen (Todtschläger) Veranlassung geben mag</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0482] Summe der Verbreche»Vcrbrciuch der SpirituosaSumme der Selbstmorde Sachsen Schlesien Preußen Brandenburg Westphalen Rheinprovinz inPosen SchlesienPommern Schlesien Brandenburg ^ ? ^ Sachsen Preußen Pommern inPreußen Posen Westphalen Rheinprovinz in Wenn die Rheinprovinz, als die am reichsten unter allen andern mit Schankwirthschasten ausgestattete, also, wie wir annehmen zu müssen glaubten, als die am meisten trinkende, doch zugleich das Mi¬ nimum der Perbrecher der hier beleuchteten Art vor Gericht gestellt hat, so ist freilich zu erwägen, daß hier das Getränk vorzugsweise der leichte Landwein, ein wenig Alkohol reiches, ist. Wie ausfallend aber jedenfalls Pommern, wo so viele, namentlich die meisten fleischlichen Verbrechen vorkommen, und das am wenigsten Schankwirthschasten ernährt! Westphalen zählt deren mehr als das dreifache, und hatte doch weit weniger Verbrechen der Art. Sachsen hat fast die gleiche, indeß doch eine etwas geringere Anzahl von Schankwirthschasten, als Schlesien und Brandenburg, aber doch mehr Verbrecher. — Ebensolche Verhältnisse ergibt die Begleichung der Selbstmorde. Der Regierungs¬ bezirk Aachen unterhält mehr als viermal so viel Wirthschaften als der Regierungsbezirk Stettin, welcher doch fast achtmal so viel Selbst¬ morde zählte! Düsseldorf mit mehr als der dreifachen Zahl von Schank- localen, als (R.-B.) Magdeburg sie aufweist, hat zu Letzterm dennoch nur ein Verhältniß von Selbstmördern wie 4:18! Bei diesen Bei¬ spielen wird man mit Recht geneigt sein, nach dem, was im vorigen Artikel ausgeführt worden, an den Gegensatz des verschiedenen Glau¬ bensbekenntnisses bei den verglichenen Bevölkerungen zu denken. Wie erklärt es sich aber, daß, bei gleicher Anzahl von Schankwirthschasten in den beiden evangelischen Bezirken Gumbinnen uni> Stralsund, Letz¬ terer mehr als noch einmal soviel Selbstmorde zählt? Daß die katho¬ lischen Bezirke Bromberg und Pose», Ersterer mit sogar etwas mehr Branntweinwirthschaften als Letzterer, sich mit ihren Selbstmorden ver¬ halten wie 4:7? Es kann hiernach nun wohl nicht geleugnet werden, daß, wie oft auch in Einzelfällen der Trunk zum Selbstmord führen, zu tödtlichen Mißhandlungen (Todtschläger) Veranlassung geben mag

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/482
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/482>, abgerufen am 24.11.2024.