Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.Hier ergibt sich nun thatsächlich der merkwürdige Satz, daß die Wir wiederholen es: das behaglichere, wohlhäbige Leben des Endlich noch eine Zeitfrage! Gewiß ist das Gute gut, an sich Hier ergibt sich nun thatsächlich der merkwürdige Satz, daß die Wir wiederholen es: das behaglichere, wohlhäbige Leben des Endlich noch eine Zeitfrage! Gewiß ist das Gute gut, an sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0478" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182901"/> <p xml:id="ID_1393"> Hier ergibt sich nun thatsächlich der merkwürdige Satz, daß die<lb/> Wohlhabenheit keinen entscheidenden, ja in der That<lb/> nicht einmal einen irgend merkbaren Einfluß auf Mes?<lb/> rung oder Minderung der Verbrechen gegen Personen<lb/> h a t. Die wenig begüterte Provinz Posen hat zwar die meisten Morde,<lb/> Todtschläge und Kindermorde gehabt, aber — nach ihr die meisten<lb/> Fälle von Tödtung und Kindermorde in bedeutender Anzahl zählte<lb/> auch die wohlhabendste aller Provinzen, Sachsen. Weit unter dieser<lb/> steht die Provinz Preußen, in Beziehung auf durchschnittlich verbrei¬<lb/> teten Wohlstand, dennoch hatte Preußen weniger Untersuchungen wegen<lb/> Mordes, Kindermordes und fleischlicher Verbrechen, als Sachsen. Die<lb/> begüterte Bevölkerung Westphalens hatte doch erheblich mehr blutige<lb/> Verbrechen der ersten beiden Rubriken zu beklagen, als das weit weni¬<lb/> ger wohlhabende Pommern. — Ebenso wenig geht das Verhältniß<lb/> der Selbstmorde mit dem des Wohlstandes in einer Bevölkerung glei¬<lb/> chen Schrittes. Sachsen und Westphalen sind die wohlhabendsten<lb/> Provinzen des Staates, aber Ersteres zählte mehr als dreimal so viel<lb/> Selbstmorde als Letzteres; die drei östlichen Provinzen, in denen in den<lb/> letztern Jahren das Zusammentreffen von politischen, commerciellen und<lb/> Naturereignissen so wesentlich zur Verarmung des Volkes beigetragen<lb/> hat, und in denen notorisch ganze Landestheile wirklichem Elend preis¬<lb/> gegeben worden sind, das sogar Unterstützungen vom Throne und von<lb/> den Mitbürgern her, im mächtigsten Maßstabe gereicht, nur zum ge¬<lb/> ringen Theil zu heben vermochten, diese Provinzen haben, was tröstend<lb/> genug zu hören ist, doch kaum halb so viele Selbstmorde geliefert, als<lb/> die drei mittlern Provinzen, Pommern, Brandenburg und Sachsen,<lb/> die jenen an allgemeinem Wohlstande so weit voranstehen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1394"> Wir wiederholen es: das behaglichere, wohlhäbige Leben des<lb/> Volkes zieht dasselbe ebenso wenig von der Neigung zu schweren<lb/> Verbrechen ab, als Unbehaglichkeit, Noth und Elend es mehr dazu<lb/> disponiren. Das Herz des Menschen sitzt nicht in seinem Geldbeutel!</p><lb/> <p xml:id="ID_1395" next="#ID_1396"> Endlich noch eine Zeitfrage! Gewiß ist das Gute gut, an sich<lb/> und durch sich selbst, auch ohne weitern praktischen Zweck. Hat es<lb/> einen solchen, desto besser. Kann die wissenschaftliche Forschung, deren<lb/> höchstes und einziges Ziel die Wahrheit bleiben muß, denselben nicht<lb/> zugeben, so kann sie damit nicht beweisen wollen, daß das Gute nicht<lb/> gut, daß das Laster, die Sünde besser sei. Diese Gedanken drängen<lb/> sich auf bei Erwägung der Wirksamkeit der modernen Mäßigkeitsver-<lb/> eine, mit andern Worten bei Erwägung der Frage von dem Einflüsse</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0478]
Hier ergibt sich nun thatsächlich der merkwürdige Satz, daß die
Wohlhabenheit keinen entscheidenden, ja in der That
nicht einmal einen irgend merkbaren Einfluß auf Mes?
rung oder Minderung der Verbrechen gegen Personen
h a t. Die wenig begüterte Provinz Posen hat zwar die meisten Morde,
Todtschläge und Kindermorde gehabt, aber — nach ihr die meisten
Fälle von Tödtung und Kindermorde in bedeutender Anzahl zählte
auch die wohlhabendste aller Provinzen, Sachsen. Weit unter dieser
steht die Provinz Preußen, in Beziehung auf durchschnittlich verbrei¬
teten Wohlstand, dennoch hatte Preußen weniger Untersuchungen wegen
Mordes, Kindermordes und fleischlicher Verbrechen, als Sachsen. Die
begüterte Bevölkerung Westphalens hatte doch erheblich mehr blutige
Verbrechen der ersten beiden Rubriken zu beklagen, als das weit weni¬
ger wohlhabende Pommern. — Ebenso wenig geht das Verhältniß
der Selbstmorde mit dem des Wohlstandes in einer Bevölkerung glei¬
chen Schrittes. Sachsen und Westphalen sind die wohlhabendsten
Provinzen des Staates, aber Ersteres zählte mehr als dreimal so viel
Selbstmorde als Letzteres; die drei östlichen Provinzen, in denen in den
letztern Jahren das Zusammentreffen von politischen, commerciellen und
Naturereignissen so wesentlich zur Verarmung des Volkes beigetragen
hat, und in denen notorisch ganze Landestheile wirklichem Elend preis¬
gegeben worden sind, das sogar Unterstützungen vom Throne und von
den Mitbürgern her, im mächtigsten Maßstabe gereicht, nur zum ge¬
ringen Theil zu heben vermochten, diese Provinzen haben, was tröstend
genug zu hören ist, doch kaum halb so viele Selbstmorde geliefert, als
die drei mittlern Provinzen, Pommern, Brandenburg und Sachsen,
die jenen an allgemeinem Wohlstande so weit voranstehen!
Wir wiederholen es: das behaglichere, wohlhäbige Leben des
Volkes zieht dasselbe ebenso wenig von der Neigung zu schweren
Verbrechen ab, als Unbehaglichkeit, Noth und Elend es mehr dazu
disponiren. Das Herz des Menschen sitzt nicht in seinem Geldbeutel!
Endlich noch eine Zeitfrage! Gewiß ist das Gute gut, an sich
und durch sich selbst, auch ohne weitern praktischen Zweck. Hat es
einen solchen, desto besser. Kann die wissenschaftliche Forschung, deren
höchstes und einziges Ziel die Wahrheit bleiben muß, denselben nicht
zugeben, so kann sie damit nicht beweisen wollen, daß das Gute nicht
gut, daß das Laster, die Sünde besser sei. Diese Gedanken drängen
sich auf bei Erwägung der Wirksamkeit der modernen Mäßigkeitsver-
eine, mit andern Worten bei Erwägung der Frage von dem Einflüsse
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