Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band."Ach nein," sagte er mit einer beschämter Miene; "aber wenn meine Er kam am andern Morgen wieder, und er war es, der unsere Aber man sah es ihm an, wie viel ihm das Opfer gekostet. „Ach nein," sagte er mit einer beschämter Miene; „aber wenn meine Er kam am andern Morgen wieder, und er war es, der unsere Aber man sah es ihm an, wie viel ihm das Opfer gekostet. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0467" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182890"/> <p xml:id="ID_1367" prev="#ID_1366"> „Ach nein," sagte er mit einer beschämter Miene; „aber wenn meine<lb/> Berufswahl erst spät erfolgte, wenn sie durch Ursachen bestimmt wor¬<lb/> den . . . ." Er ward verlegen und konnte nicht vollenden. Ich<lb/> faßte nun Muth. „Ich will wetten," sagte ich, „daß ein gewisses<lb/> Bouquet, das ich gesehen, an dieser Bestimmung nicht ohne Schuld<lb/> sei." — Kaum war die impertinente Frage ausgesprochen, als ich mich<lb/> in die Zunge biß, daß ich sie auf diese Art hervorgestoßen; aber es<lb/> war zu spät. „Ja, gnädige Frau, es ist wahr; ich werde Ihnen dies<lb/> Alles sagen, aber nicht jetzt, ein anderes Mal. Das Angelus muß<lb/> bald läuten." Und er war fort vor dem ersten Glockenschlage. Ich<lb/> war auf eine schreckliche Geschichte gefaßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1368"> Er kam am andern Morgen wieder, und er war es, der unsere<lb/> Unterhaltung von gestern wieder aufnahm. Er gestand mir, daß er<lb/> eine junge Person aus N. geliebt, aber sie hatte ein wenig Vermögen<lb/> und er war ein Student ohne andere Hilfsquellen als seinen Geist.<lb/> Er ist ein Böhme und kannte die-Landessprache nicht. Um aber in<lb/> dem Orte, den seine Geliebte bewohnte, eine Anstellung zu finden, saß<lb/> er Nächte lang, um die Sprache ihrer Nation sich zu eigen zu machen.<lb/> Nach anderthalb Jahren hatte ihn die Liebe in einen Magyaren um¬<lb/> gewandelt und eines Tages brach er auf: Ich gehe nach Wien, um<lb/> es dahin zu bringen, in meiner neuen Heimath eine Stelle zu erhalten,<lb/> wirst Du, während ich Tag und Nacht arbeite, mich nicht vergessen?<lb/> Die junge Person war siebzehn Jahre alt und für Liebe sehr empfäng¬<lb/> lich. Sie gab ihm ein Bouquet zum Zeichen der Treue. Ein halb<lb/> Jahr darauf erfuhr er ihre Ehe mit einem Edelmann in N. Dieser<lb/> Schlag drückte ihn nieder, er entsagte der Welt. Jahre lang hat er<lb/> an nichts Anderes denken können, und nun er sich dieses einfache<lb/> Abenteuer wieder zurückrief, schien er so bewegt, als wäre es ihm<lb/> eben erst begegnet. Das Bouquet aus der Tasche ziehend, sagte er.-<lb/> „ES war Kinderei, es zu behalten, vielleicht war es sogar eine Sünde,"<lb/> und vor meinen Augen warf er es in's Feuer. Als die armen Blu¬<lb/> men zu brennen aufgehört, fuhr er mit mehr Ruhe fort.- „Ich danke<lb/> Ihnen, daß Sie diese Erzählung von mir verlangt. Ihnen verdanke<lb/> ich es, mich von einer Erinnerung getrennt zu haben, die festzuhalten<lb/> mir nicht mehr ziemte."</p><lb/> <p xml:id="ID_1369" next="#ID_1370"> Aber man sah es ihm an, wie viel ihm das Opfer gekostet.<lb/> Welches Leben, mein Gott, führen diese armen Priester! Die unschul¬<lb/> digsten Gedanken müssen sie sich versagen. Sie sind genöthigt, aus<lb/> ihrem Herzen alle jene Gefühle zu verbannen, die das Glück der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0467]
„Ach nein," sagte er mit einer beschämter Miene; „aber wenn meine
Berufswahl erst spät erfolgte, wenn sie durch Ursachen bestimmt wor¬
den . . . ." Er ward verlegen und konnte nicht vollenden. Ich
faßte nun Muth. „Ich will wetten," sagte ich, „daß ein gewisses
Bouquet, das ich gesehen, an dieser Bestimmung nicht ohne Schuld
sei." — Kaum war die impertinente Frage ausgesprochen, als ich mich
in die Zunge biß, daß ich sie auf diese Art hervorgestoßen; aber es
war zu spät. „Ja, gnädige Frau, es ist wahr; ich werde Ihnen dies
Alles sagen, aber nicht jetzt, ein anderes Mal. Das Angelus muß
bald läuten." Und er war fort vor dem ersten Glockenschlage. Ich
war auf eine schreckliche Geschichte gefaßt.
Er kam am andern Morgen wieder, und er war es, der unsere
Unterhaltung von gestern wieder aufnahm. Er gestand mir, daß er
eine junge Person aus N. geliebt, aber sie hatte ein wenig Vermögen
und er war ein Student ohne andere Hilfsquellen als seinen Geist.
Er ist ein Böhme und kannte die-Landessprache nicht. Um aber in
dem Orte, den seine Geliebte bewohnte, eine Anstellung zu finden, saß
er Nächte lang, um die Sprache ihrer Nation sich zu eigen zu machen.
Nach anderthalb Jahren hatte ihn die Liebe in einen Magyaren um¬
gewandelt und eines Tages brach er auf: Ich gehe nach Wien, um
es dahin zu bringen, in meiner neuen Heimath eine Stelle zu erhalten,
wirst Du, während ich Tag und Nacht arbeite, mich nicht vergessen?
Die junge Person war siebzehn Jahre alt und für Liebe sehr empfäng¬
lich. Sie gab ihm ein Bouquet zum Zeichen der Treue. Ein halb
Jahr darauf erfuhr er ihre Ehe mit einem Edelmann in N. Dieser
Schlag drückte ihn nieder, er entsagte der Welt. Jahre lang hat er
an nichts Anderes denken können, und nun er sich dieses einfache
Abenteuer wieder zurückrief, schien er so bewegt, als wäre es ihm
eben erst begegnet. Das Bouquet aus der Tasche ziehend, sagte er.-
„ES war Kinderei, es zu behalten, vielleicht war es sogar eine Sünde,"
und vor meinen Augen warf er es in's Feuer. Als die armen Blu¬
men zu brennen aufgehört, fuhr er mit mehr Ruhe fort.- „Ich danke
Ihnen, daß Sie diese Erzählung von mir verlangt. Ihnen verdanke
ich es, mich von einer Erinnerung getrennt zu haben, die festzuhalten
mir nicht mehr ziemte."
Aber man sah es ihm an, wie viel ihm das Opfer gekostet.
Welches Leben, mein Gott, führen diese armen Priester! Die unschul¬
digsten Gedanken müssen sie sich versagen. Sie sind genöthigt, aus
ihrem Herzen alle jene Gefühle zu verbannen, die das Glück der
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