Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

phalen, Rheinprovinz, Schlesien, Preußen, Posen, wieder mit dem
Minimum an Bildungsmasse, wie denn überhaupt, wie man ficht" beide
Scalen ein fast ganz gleiches Ergebniß liefern.

Was ist nun das Resultat der Vergleichung der Provinzen unter¬
einander bezüglich ihres Bildungsgrades und der darin vorkommenden
schwerern Verbrechen? Kein anderes leider! als das: daß die Cul¬
tur der Intelligenz keinen überwiegenden, ja keinen
erheblichen Einfluß hat auf die Mehrung oder Minde¬
rung der Verbrechen gegen Personen und der Selbst¬
morde, und daß andere Ursache!, hier weit entscheidender wirksam sein
müssen. Die Ermittelung des genossenen Schulunterrichts bei den
militärischen Ersatzmannschaften ist deshalb für diese Untersuchung
besonders werthvoll, weil grade in der Volksschicht, aus der die Ein¬
gestellten stammen, die meisten der hier in Betracht gezogenen Verbre¬
chen vorkommen, und weil das jugendlich kräftige Alter, in welchem
sie sich sämmtlich befinden (die ersten Zwanziger), grade dasjenige ist,
in welchem diese Verbrechen am häufigsten begangen werden (Quetelet),
Hiernach aber findet sich bei keiner einzeln betrachteten Klasse von
Verbrechen hinsichtlich ihres Vorkommens in den einzelnen Provinzen
eine Uebereinstimmung mit deren resp. Bildungsgrad, mit alleiniger
Ausnahme des Umstandes, daß die Provinz Posen, in welcher ver
Unterricht bei weitem am wenigsten verbreitet, auch diejenige ist, in
welcher am meisten Morde und Kindermorde (aber nicht am meisten
fleischliche Verbrechen und Selbstmorde) vorkommen. Dagegen zählt
die so auffallend und erfreulich über alle andere Landestheile hervor¬
ragende Provinz Sachsen, in welcher von hundert schulpflichtigen
Kindern fast 94 wirklich die Schulen besuchen, d. h. wohl Alle, wenn
nur sechs vom Hundert aus körperlich und geistig kranke Kinder ge¬
rechnet werden, und in welcher fast alle Eingestellte ohne Ausnahme,
wie oben gezeigt, Schulunterricht genossen hatten -- diese sehr intelli¬
gente Provinz zählt nach Posen die allermeisten Morde und Todt¬
schläge, liefert noch einmal so viel Untersuchungen wegen Kindermor¬
des als Pommern, in welchem der Schulbesuch schon weit geringer,
und steht endlich in der Scala der Fleischesverbrechen und der Selbst¬
morde in der zweiten Reihe unter den übrigen Provinzen, also fast
obGawdO ,Wu ,nHdi-"unn si-i Mr-K",,in-.u

mj
Andererseits aber darf man auch nicht annehmen, was wohl irrig
behauptet worden ist, daß grade ein verbreiteter Culturzustand in einer
Volksmasse dieselbe verhältnißmäßig mehr zu Verbrechen disponirt,


53 5

phalen, Rheinprovinz, Schlesien, Preußen, Posen, wieder mit dem
Minimum an Bildungsmasse, wie denn überhaupt, wie man ficht» beide
Scalen ein fast ganz gleiches Ergebniß liefern.

Was ist nun das Resultat der Vergleichung der Provinzen unter¬
einander bezüglich ihres Bildungsgrades und der darin vorkommenden
schwerern Verbrechen? Kein anderes leider! als das: daß die Cul¬
tur der Intelligenz keinen überwiegenden, ja keinen
erheblichen Einfluß hat auf die Mehrung oder Minde¬
rung der Verbrechen gegen Personen und der Selbst¬
morde, und daß andere Ursache!, hier weit entscheidender wirksam sein
müssen. Die Ermittelung des genossenen Schulunterrichts bei den
militärischen Ersatzmannschaften ist deshalb für diese Untersuchung
besonders werthvoll, weil grade in der Volksschicht, aus der die Ein¬
gestellten stammen, die meisten der hier in Betracht gezogenen Verbre¬
chen vorkommen, und weil das jugendlich kräftige Alter, in welchem
sie sich sämmtlich befinden (die ersten Zwanziger), grade dasjenige ist,
in welchem diese Verbrechen am häufigsten begangen werden (Quetelet),
Hiernach aber findet sich bei keiner einzeln betrachteten Klasse von
Verbrechen hinsichtlich ihres Vorkommens in den einzelnen Provinzen
eine Uebereinstimmung mit deren resp. Bildungsgrad, mit alleiniger
Ausnahme des Umstandes, daß die Provinz Posen, in welcher ver
Unterricht bei weitem am wenigsten verbreitet, auch diejenige ist, in
welcher am meisten Morde und Kindermorde (aber nicht am meisten
fleischliche Verbrechen und Selbstmorde) vorkommen. Dagegen zählt
die so auffallend und erfreulich über alle andere Landestheile hervor¬
ragende Provinz Sachsen, in welcher von hundert schulpflichtigen
Kindern fast 94 wirklich die Schulen besuchen, d. h. wohl Alle, wenn
nur sechs vom Hundert aus körperlich und geistig kranke Kinder ge¬
rechnet werden, und in welcher fast alle Eingestellte ohne Ausnahme,
wie oben gezeigt, Schulunterricht genossen hatten — diese sehr intelli¬
gente Provinz zählt nach Posen die allermeisten Morde und Todt¬
schläge, liefert noch einmal so viel Untersuchungen wegen Kindermor¬
des als Pommern, in welchem der Schulbesuch schon weit geringer,
und steht endlich in der Scala der Fleischesverbrechen und der Selbst¬
morde in der zweiten Reihe unter den übrigen Provinzen, also fast
obGawdO ,Wu ,nHdi-„unn si-i Mr-K»,,in-.u

mj
Andererseits aber darf man auch nicht annehmen, was wohl irrig
behauptet worden ist, daß grade ein verbreiteter Culturzustand in einer
Volksmasse dieselbe verhältnißmäßig mehr zu Verbrechen disponirt,


53 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0427" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182850"/>
            <p xml:id="ID_1224" prev="#ID_1223"> phalen, Rheinprovinz, Schlesien, Preußen, Posen, wieder mit dem<lb/>
Minimum an Bildungsmasse, wie denn überhaupt, wie man ficht» beide<lb/>
Scalen ein fast ganz gleiches Ergebniß liefern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1225"> Was ist nun das Resultat der Vergleichung der Provinzen unter¬<lb/>
einander bezüglich ihres Bildungsgrades und der darin vorkommenden<lb/>
schwerern Verbrechen? Kein anderes leider! als das: daß die Cul¬<lb/>
tur der Intelligenz keinen überwiegenden, ja keinen<lb/>
erheblichen Einfluß hat auf die Mehrung oder Minde¬<lb/>
rung der Verbrechen gegen Personen und der Selbst¬<lb/>
morde, und daß andere Ursache!, hier weit entscheidender wirksam sein<lb/>
müssen. Die Ermittelung des genossenen Schulunterrichts bei den<lb/>
militärischen Ersatzmannschaften ist deshalb für diese Untersuchung<lb/>
besonders werthvoll, weil grade in der Volksschicht, aus der die Ein¬<lb/>
gestellten stammen, die meisten der hier in Betracht gezogenen Verbre¬<lb/>
chen vorkommen, und weil das jugendlich kräftige Alter, in welchem<lb/>
sie sich sämmtlich befinden (die ersten Zwanziger), grade dasjenige ist,<lb/>
in welchem diese Verbrechen am häufigsten begangen werden (Quetelet),<lb/>
Hiernach aber findet sich bei keiner einzeln betrachteten Klasse von<lb/>
Verbrechen hinsichtlich ihres Vorkommens in den einzelnen Provinzen<lb/>
eine Uebereinstimmung mit deren resp. Bildungsgrad, mit alleiniger<lb/>
Ausnahme des Umstandes, daß die Provinz Posen, in welcher ver<lb/>
Unterricht bei weitem am wenigsten verbreitet, auch diejenige ist, in<lb/>
welcher am meisten Morde und Kindermorde (aber nicht am meisten<lb/>
fleischliche Verbrechen und Selbstmorde) vorkommen.  Dagegen zählt<lb/>
die so auffallend und erfreulich über alle andere Landestheile hervor¬<lb/>
ragende Provinz Sachsen, in welcher von hundert schulpflichtigen<lb/>
Kindern fast 94 wirklich die Schulen besuchen, d. h. wohl Alle, wenn<lb/>
nur sechs vom Hundert aus körperlich und geistig kranke Kinder ge¬<lb/>
rechnet werden, und in welcher fast alle Eingestellte ohne Ausnahme,<lb/>
wie oben gezeigt, Schulunterricht genossen hatten &#x2014; diese sehr intelli¬<lb/>
gente Provinz zählt nach Posen die allermeisten Morde und Todt¬<lb/>
schläge, liefert noch einmal so viel Untersuchungen wegen Kindermor¬<lb/>
des als Pommern, in welchem der Schulbesuch schon weit geringer,<lb/>
und steht endlich in der Scala der Fleischesverbrechen und der Selbst¬<lb/>
morde in der zweiten Reihe unter den übrigen Provinzen, also fast<lb/>
obGawdO ,Wu ,nHdi-&#x201E;unn si-i Mr-K»,,in-.u</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1226" next="#ID_1227"> mj<lb/>
Andererseits aber darf man auch nicht annehmen, was wohl irrig<lb/>
behauptet worden ist, daß grade ein verbreiteter Culturzustand in einer<lb/>
Volksmasse dieselbe verhältnißmäßig mehr zu Verbrechen disponirt,</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 53 5</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0427] phalen, Rheinprovinz, Schlesien, Preußen, Posen, wieder mit dem Minimum an Bildungsmasse, wie denn überhaupt, wie man ficht» beide Scalen ein fast ganz gleiches Ergebniß liefern. Was ist nun das Resultat der Vergleichung der Provinzen unter¬ einander bezüglich ihres Bildungsgrades und der darin vorkommenden schwerern Verbrechen? Kein anderes leider! als das: daß die Cul¬ tur der Intelligenz keinen überwiegenden, ja keinen erheblichen Einfluß hat auf die Mehrung oder Minde¬ rung der Verbrechen gegen Personen und der Selbst¬ morde, und daß andere Ursache!, hier weit entscheidender wirksam sein müssen. Die Ermittelung des genossenen Schulunterrichts bei den militärischen Ersatzmannschaften ist deshalb für diese Untersuchung besonders werthvoll, weil grade in der Volksschicht, aus der die Ein¬ gestellten stammen, die meisten der hier in Betracht gezogenen Verbre¬ chen vorkommen, und weil das jugendlich kräftige Alter, in welchem sie sich sämmtlich befinden (die ersten Zwanziger), grade dasjenige ist, in welchem diese Verbrechen am häufigsten begangen werden (Quetelet), Hiernach aber findet sich bei keiner einzeln betrachteten Klasse von Verbrechen hinsichtlich ihres Vorkommens in den einzelnen Provinzen eine Uebereinstimmung mit deren resp. Bildungsgrad, mit alleiniger Ausnahme des Umstandes, daß die Provinz Posen, in welcher ver Unterricht bei weitem am wenigsten verbreitet, auch diejenige ist, in welcher am meisten Morde und Kindermorde (aber nicht am meisten fleischliche Verbrechen und Selbstmorde) vorkommen. Dagegen zählt die so auffallend und erfreulich über alle andere Landestheile hervor¬ ragende Provinz Sachsen, in welcher von hundert schulpflichtigen Kindern fast 94 wirklich die Schulen besuchen, d. h. wohl Alle, wenn nur sechs vom Hundert aus körperlich und geistig kranke Kinder ge¬ rechnet werden, und in welcher fast alle Eingestellte ohne Ausnahme, wie oben gezeigt, Schulunterricht genossen hatten — diese sehr intelli¬ gente Provinz zählt nach Posen die allermeisten Morde und Todt¬ schläge, liefert noch einmal so viel Untersuchungen wegen Kindermor¬ des als Pommern, in welchem der Schulbesuch schon weit geringer, und steht endlich in der Scala der Fleischesverbrechen und der Selbst¬ morde in der zweiten Reihe unter den übrigen Provinzen, also fast obGawdO ,Wu ,nHdi-„unn si-i Mr-K»,,in-.u mj Andererseits aber darf man auch nicht annehmen, was wohl irrig behauptet worden ist, daß grade ein verbreiteter Culturzustand in einer Volksmasse dieselbe verhältnißmäßig mehr zu Verbrechen disponirt, 53 5

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/427
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/427>, abgerufen am 23.07.2024.