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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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befunden worden wäre. Nach Aufhebung der Zwangsarbeit sollte
man nun erwarten, daß ein "unermeßlicher Tagelöhnerbedarf" eintre¬
ten werde. Allein dem ist aus mehreren Gründen nicht so. Theils
nämlich arbeitet der freie Arbeiter weit mehr als der Fröhner, und
schon darum werden weniger Arbeiter als früher gebraucht; theils
wird auch die Arbeit, wenn sie bezahlt werden muß, weit verständiger
vertheilt und verwendet, und dadurch wird sehr viele Arbeit, mithin
auch sehr viele Arbeiter erspart; theils endlich werden die Arbeiten,
die früher rücksichtslos an die reichlich vorhandenen Fröhner verwiesen
wurden, nach Leichtigkeit und Schwierigkeit gesondert, und Vieles
durch halberwachsene junge Leute oder Weiber besorgt, was früher
kräftigen Männern zugewiesen wurde, und dadurch wird nicht blos
eine Menge Arbeitskraft gespart, sondern auch die leichte Arbeit für
billigen Lohn hergestellt. Dies Alles wirkt zusammen, daß eine Menge
Arbeiter entbehrlich werden, daß sehr viele ihre eigenen Felder bestel¬
len, oder auch andern Bauern dienen können, ohne daß Noth um Ar¬
beiter und die gefährliche Concurrenz unter den Arbeitenden eintritt.
Es ist wahr, zur Zeit der Ernte werden kaum Arbeiter überflüssig
vorhanden sein, aber einem redlichen und einsichtsvollen Grundherrn
werden sie dennoch nicht fehlen, denn er wird die Arbeiten auf seinen
Gütern so einzurichten wissen, daß eine Anzahl Arbeiter das ganze
Jahr bei ihm Arbeit haben, wenn er geschickt genug ist, dem Wald¬
arbeiter im Sommer die Sense und dem Ackermann im Winter die
Art in die Hände zu geben. Auf diese Art ist in Sachsen keiner je¬
ner oben befürchtend angedeuteten Uebelstände eingetreten. Die Bau¬
ern, denen man ein Drittel der ermittelten Entschädigung gesetzlich er¬
lassen hat, zahlen pünktlich ihre Renten an die Regierung und die
Grundherren erhalten eben so pünktlich ihre Zinsen wie die Capita¬
lien der ausgelösten Rentenbriefe, und nirgends hat es außerordent¬
licher Geldmittel bedurft. Jeder Theil ist zufrieden, der Bauer mit
dem Erlaß des Drittels und der leichten Abzahlung seines Capitals,
und der Grundherr mit den pünktlichen Zinsen und der Disposition
über bedeutende Capitalien, die er in seinen Nentenbriefen besitzt. Die
Arbeit hat sich vollständig geregelt, die großen Landwirthe sind ein¬
sichtsvoller und besonnener in Verwendung und die Arbeiter in Aus¬
führung derselben geworden, es fehlt nie an fleißigen Arbeitern zu
tüchtiger Arbeit und nie an Arbeit für tüchtige Arbeiter. Das Ver¬
hältniß zwischen den Herren und Dienern ist ein weit milderes und


befunden worden wäre. Nach Aufhebung der Zwangsarbeit sollte
man nun erwarten, daß ein „unermeßlicher Tagelöhnerbedarf" eintre¬
ten werde. Allein dem ist aus mehreren Gründen nicht so. Theils
nämlich arbeitet der freie Arbeiter weit mehr als der Fröhner, und
schon darum werden weniger Arbeiter als früher gebraucht; theils
wird auch die Arbeit, wenn sie bezahlt werden muß, weit verständiger
vertheilt und verwendet, und dadurch wird sehr viele Arbeit, mithin
auch sehr viele Arbeiter erspart; theils endlich werden die Arbeiten,
die früher rücksichtslos an die reichlich vorhandenen Fröhner verwiesen
wurden, nach Leichtigkeit und Schwierigkeit gesondert, und Vieles
durch halberwachsene junge Leute oder Weiber besorgt, was früher
kräftigen Männern zugewiesen wurde, und dadurch wird nicht blos
eine Menge Arbeitskraft gespart, sondern auch die leichte Arbeit für
billigen Lohn hergestellt. Dies Alles wirkt zusammen, daß eine Menge
Arbeiter entbehrlich werden, daß sehr viele ihre eigenen Felder bestel¬
len, oder auch andern Bauern dienen können, ohne daß Noth um Ar¬
beiter und die gefährliche Concurrenz unter den Arbeitenden eintritt.
Es ist wahr, zur Zeit der Ernte werden kaum Arbeiter überflüssig
vorhanden sein, aber einem redlichen und einsichtsvollen Grundherrn
werden sie dennoch nicht fehlen, denn er wird die Arbeiten auf seinen
Gütern so einzurichten wissen, daß eine Anzahl Arbeiter das ganze
Jahr bei ihm Arbeit haben, wenn er geschickt genug ist, dem Wald¬
arbeiter im Sommer die Sense und dem Ackermann im Winter die
Art in die Hände zu geben. Auf diese Art ist in Sachsen keiner je¬
ner oben befürchtend angedeuteten Uebelstände eingetreten. Die Bau¬
ern, denen man ein Drittel der ermittelten Entschädigung gesetzlich er¬
lassen hat, zahlen pünktlich ihre Renten an die Regierung und die
Grundherren erhalten eben so pünktlich ihre Zinsen wie die Capita¬
lien der ausgelösten Rentenbriefe, und nirgends hat es außerordent¬
licher Geldmittel bedurft. Jeder Theil ist zufrieden, der Bauer mit
dem Erlaß des Drittels und der leichten Abzahlung seines Capitals,
und der Grundherr mit den pünktlichen Zinsen und der Disposition
über bedeutende Capitalien, die er in seinen Nentenbriefen besitzt. Die
Arbeit hat sich vollständig geregelt, die großen Landwirthe sind ein¬
sichtsvoller und besonnener in Verwendung und die Arbeiter in Aus¬
führung derselben geworden, es fehlt nie an fleißigen Arbeitern zu
tüchtiger Arbeit und nie an Arbeit für tüchtige Arbeiter. Das Ver¬
hältniß zwischen den Herren und Dienern ist ein weit milderes und


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[0405] befunden worden wäre. Nach Aufhebung der Zwangsarbeit sollte man nun erwarten, daß ein „unermeßlicher Tagelöhnerbedarf" eintre¬ ten werde. Allein dem ist aus mehreren Gründen nicht so. Theils nämlich arbeitet der freie Arbeiter weit mehr als der Fröhner, und schon darum werden weniger Arbeiter als früher gebraucht; theils wird auch die Arbeit, wenn sie bezahlt werden muß, weit verständiger vertheilt und verwendet, und dadurch wird sehr viele Arbeit, mithin auch sehr viele Arbeiter erspart; theils endlich werden die Arbeiten, die früher rücksichtslos an die reichlich vorhandenen Fröhner verwiesen wurden, nach Leichtigkeit und Schwierigkeit gesondert, und Vieles durch halberwachsene junge Leute oder Weiber besorgt, was früher kräftigen Männern zugewiesen wurde, und dadurch wird nicht blos eine Menge Arbeitskraft gespart, sondern auch die leichte Arbeit für billigen Lohn hergestellt. Dies Alles wirkt zusammen, daß eine Menge Arbeiter entbehrlich werden, daß sehr viele ihre eigenen Felder bestel¬ len, oder auch andern Bauern dienen können, ohne daß Noth um Ar¬ beiter und die gefährliche Concurrenz unter den Arbeitenden eintritt. Es ist wahr, zur Zeit der Ernte werden kaum Arbeiter überflüssig vorhanden sein, aber einem redlichen und einsichtsvollen Grundherrn werden sie dennoch nicht fehlen, denn er wird die Arbeiten auf seinen Gütern so einzurichten wissen, daß eine Anzahl Arbeiter das ganze Jahr bei ihm Arbeit haben, wenn er geschickt genug ist, dem Wald¬ arbeiter im Sommer die Sense und dem Ackermann im Winter die Art in die Hände zu geben. Auf diese Art ist in Sachsen keiner je¬ ner oben befürchtend angedeuteten Uebelstände eingetreten. Die Bau¬ ern, denen man ein Drittel der ermittelten Entschädigung gesetzlich er¬ lassen hat, zahlen pünktlich ihre Renten an die Regierung und die Grundherren erhalten eben so pünktlich ihre Zinsen wie die Capita¬ lien der ausgelösten Rentenbriefe, und nirgends hat es außerordent¬ licher Geldmittel bedurft. Jeder Theil ist zufrieden, der Bauer mit dem Erlaß des Drittels und der leichten Abzahlung seines Capitals, und der Grundherr mit den pünktlichen Zinsen und der Disposition über bedeutende Capitalien, die er in seinen Nentenbriefen besitzt. Die Arbeit hat sich vollständig geregelt, die großen Landwirthe sind ein¬ sichtsvoller und besonnener in Verwendung und die Arbeiter in Aus¬ führung derselben geworden, es fehlt nie an fleißigen Arbeitern zu tüchtiger Arbeit und nie an Arbeit für tüchtige Arbeiter. Das Ver¬ hältniß zwischen den Herren und Dienern ist ein weit milderes und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/405>, abgerufen am 24.11.2024.