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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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neue große Rath besteht jetzt, etwa 25 Mitglieder von 210 abgerech¬
net, aus Liberalen.

Seit den dreißiger Jahren bestehen in der ganzen Schweiz, na¬
mentlich in jedem liberalen Canton, und hier wieder in einzelnen Ge¬
meinden, Gesangvereine, welche von Zeit zu Zeit volksthümliche Sän¬
gerfeste feiern, bei denen das Glück und die Freude freier Menschen
auf begeisternde Weise an den Tag tritt.

Am 18. Mai wurde am westlichen Ufer des Züricher Sees, in
dem Dorfe Hergen, ein solches Sängerfest für den Canton Zürich
gefeiert. Begleiten sie mich zunächst auf das zierliche Dampfschiff, wel¬
ches auf dem himmlischen See, in der Nähe des eleganten Hotels
du Lac zu lagern pflegt, welches täglich die beneidenswerther Bewohn
"er dieses Paradieses den unbeschreiblichen, lieben See auf und ab
trägt, welches heute, angefüllt mit freundlichen, frohen Gesichtern, dem
Sängerfeste von Hergen fröhliche Sänger und heitere Gäste zuführt.

Ich wäg' es nicht, von diesen lieblichen Ufern mit ihrem Berg¬
gürtel, von diesen malerischen Gruppen lachender Dörfer, die blühend
mit Rebhügeln, Saatfeldern, Fruchtbäumen umkränzt, im Süden von
bewaldeten Bergen umschattet sind, ich wäg' es nicht von diesen Zau¬
bereien der Natur eine Beschreibung zu machen. Wahrlich, mein Freund
Byron selbst, dieser große Dichtermaler, würde beim Anblicke dieser
Naturschönheiten schwer aufseufzen und, unwillig seinem riesigen Pega¬
sus Rippenstöße gebend, ausrufen: Lieber Gaul, nimm dich zusammen,
du hast nicht die Flügel eines Adlers der Schweizerberge.

Nach der kurzen Fahrt auf diesem See, dieser lebensfrischen Herz¬
kammer des Cantons Zürich, langten wir beim Dorfe Hergen an,
begrüßt von einer harrenden, gastfreundlich uns empfangenden Menge,
die nächste Umgrenzung des Seeufers mit frischem Laubwerk und
Blumenguirlanden schön geschmückt erblickend. Mit der dem Schwei¬
zervolke eigenthümlichen Ruhe und Gesetztheit zerstreuten sich die Gäste
"n die gastlichen Häuser, welche, beiläufig, zum Theil so groß und
elegant sind, daß dies sogenannte Dorf mit Fug ein zierliches Städt¬
chen heißen darf; eben so ruhig begaben sich,' am Rocke mit einem
rothen Bande gezeichnet, alle Theilnehmer des Festes um 12 Uhr, im
Zuge, denn Geläute einer schön tönenden Glockenharmonie, in die
Kirche.

In der Schweiz sind die Kirchen nicht blos zum Gottesdienste,
sondern auch zu Volksfesten ernster Bedeutung und zu den Wahlen
der Volksrepräsentanten bestimmt.


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neue große Rath besteht jetzt, etwa 25 Mitglieder von 210 abgerech¬
net, aus Liberalen.

Seit den dreißiger Jahren bestehen in der ganzen Schweiz, na¬
mentlich in jedem liberalen Canton, und hier wieder in einzelnen Ge¬
meinden, Gesangvereine, welche von Zeit zu Zeit volksthümliche Sän¬
gerfeste feiern, bei denen das Glück und die Freude freier Menschen
auf begeisternde Weise an den Tag tritt.

Am 18. Mai wurde am westlichen Ufer des Züricher Sees, in
dem Dorfe Hergen, ein solches Sängerfest für den Canton Zürich
gefeiert. Begleiten sie mich zunächst auf das zierliche Dampfschiff, wel¬
ches auf dem himmlischen See, in der Nähe des eleganten Hotels
du Lac zu lagern pflegt, welches täglich die beneidenswerther Bewohn
»er dieses Paradieses den unbeschreiblichen, lieben See auf und ab
trägt, welches heute, angefüllt mit freundlichen, frohen Gesichtern, dem
Sängerfeste von Hergen fröhliche Sänger und heitere Gäste zuführt.

Ich wäg' es nicht, von diesen lieblichen Ufern mit ihrem Berg¬
gürtel, von diesen malerischen Gruppen lachender Dörfer, die blühend
mit Rebhügeln, Saatfeldern, Fruchtbäumen umkränzt, im Süden von
bewaldeten Bergen umschattet sind, ich wäg' es nicht von diesen Zau¬
bereien der Natur eine Beschreibung zu machen. Wahrlich, mein Freund
Byron selbst, dieser große Dichtermaler, würde beim Anblicke dieser
Naturschönheiten schwer aufseufzen und, unwillig seinem riesigen Pega¬
sus Rippenstöße gebend, ausrufen: Lieber Gaul, nimm dich zusammen,
du hast nicht die Flügel eines Adlers der Schweizerberge.

Nach der kurzen Fahrt auf diesem See, dieser lebensfrischen Herz¬
kammer des Cantons Zürich, langten wir beim Dorfe Hergen an,
begrüßt von einer harrenden, gastfreundlich uns empfangenden Menge,
die nächste Umgrenzung des Seeufers mit frischem Laubwerk und
Blumenguirlanden schön geschmückt erblickend. Mit der dem Schwei¬
zervolke eigenthümlichen Ruhe und Gesetztheit zerstreuten sich die Gäste
»n die gastlichen Häuser, welche, beiläufig, zum Theil so groß und
elegant sind, daß dies sogenannte Dorf mit Fug ein zierliches Städt¬
chen heißen darf; eben so ruhig begaben sich,' am Rocke mit einem
rothen Bande gezeichnet, alle Theilnehmer des Festes um 12 Uhr, im
Zuge, denn Geläute einer schön tönenden Glockenharmonie, in die
Kirche.

In der Schweiz sind die Kirchen nicht blos zum Gottesdienste,
sondern auch zu Volksfesten ernster Bedeutung und zu den Wahlen
der Volksrepräsentanten bestimmt.


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[0395] neue große Rath besteht jetzt, etwa 25 Mitglieder von 210 abgerech¬ net, aus Liberalen. Seit den dreißiger Jahren bestehen in der ganzen Schweiz, na¬ mentlich in jedem liberalen Canton, und hier wieder in einzelnen Ge¬ meinden, Gesangvereine, welche von Zeit zu Zeit volksthümliche Sän¬ gerfeste feiern, bei denen das Glück und die Freude freier Menschen auf begeisternde Weise an den Tag tritt. Am 18. Mai wurde am westlichen Ufer des Züricher Sees, in dem Dorfe Hergen, ein solches Sängerfest für den Canton Zürich gefeiert. Begleiten sie mich zunächst auf das zierliche Dampfschiff, wel¬ ches auf dem himmlischen See, in der Nähe des eleganten Hotels du Lac zu lagern pflegt, welches täglich die beneidenswerther Bewohn »er dieses Paradieses den unbeschreiblichen, lieben See auf und ab trägt, welches heute, angefüllt mit freundlichen, frohen Gesichtern, dem Sängerfeste von Hergen fröhliche Sänger und heitere Gäste zuführt. Ich wäg' es nicht, von diesen lieblichen Ufern mit ihrem Berg¬ gürtel, von diesen malerischen Gruppen lachender Dörfer, die blühend mit Rebhügeln, Saatfeldern, Fruchtbäumen umkränzt, im Süden von bewaldeten Bergen umschattet sind, ich wäg' es nicht von diesen Zau¬ bereien der Natur eine Beschreibung zu machen. Wahrlich, mein Freund Byron selbst, dieser große Dichtermaler, würde beim Anblicke dieser Naturschönheiten schwer aufseufzen und, unwillig seinem riesigen Pega¬ sus Rippenstöße gebend, ausrufen: Lieber Gaul, nimm dich zusammen, du hast nicht die Flügel eines Adlers der Schweizerberge. Nach der kurzen Fahrt auf diesem See, dieser lebensfrischen Herz¬ kammer des Cantons Zürich, langten wir beim Dorfe Hergen an, begrüßt von einer harrenden, gastfreundlich uns empfangenden Menge, die nächste Umgrenzung des Seeufers mit frischem Laubwerk und Blumenguirlanden schön geschmückt erblickend. Mit der dem Schwei¬ zervolke eigenthümlichen Ruhe und Gesetztheit zerstreuten sich die Gäste »n die gastlichen Häuser, welche, beiläufig, zum Theil so groß und elegant sind, daß dies sogenannte Dorf mit Fug ein zierliches Städt¬ chen heißen darf; eben so ruhig begaben sich,' am Rocke mit einem rothen Bande gezeichnet, alle Theilnehmer des Festes um 12 Uhr, im Zuge, denn Geläute einer schön tönenden Glockenharmonie, in die Kirche. In der Schweiz sind die Kirchen nicht blos zum Gottesdienste, sondern auch zu Volksfesten ernster Bedeutung und zu den Wahlen der Volksrepräsentanten bestimmt. 49-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/395>, abgerufen am 24.11.2024.