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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Das Sänfterfest zu Hergen
am Züricher Sek.



Die aristokratische Partei des Cantons Zürich, welche man, ohne
große Erbitterung, harmlos die Zöpfe nennt, ist ein Völkchen mit
mittelalterlichen Vorurtheilen des Standes, des Familienvorzugö und
wer weiß welcher andern spielten, die sich in einer kleinen, zierlichen
Republik, welche der großen politischen Wüste und Wäldern Europa'S
gegenüber, einem Lustgärtchen gleicht, recht sonderbar, ja lächerlich aus¬
nimmt. Man kann als Fremder gar nicht begreifen, wo hier Solcher¬
lei Gewächse herkommen und denkt, wenn man der Leute ansichtig wird:
El, um Gotteswillen, ihr -- ihr seid Aristokraten? Ihr seht ja gar
nicht darnach aus. Wo sind eure Rittergüter, wo eure englischen
Pferde und Jokeis? Ihr seid ja nur eben gewöhnliche faule Philister.

Gleichwohl ist diese Partei bösartig genug. Um an's Ruder
der kleinen Staatsmaschine zu kommen, würden sie, wenn sie's ver¬
möchten, vielleicht auch im Canton Zürich das gräßliche Schauspiel
des Canton Luzern einführen. Sie würden den Aufschwung der
Wissenschaft und Kunst, welcher seit der letzten Revolution sich im
Canton Zürich sichtbar gemacht, sie würden Museen, gelehrte Gesell¬
schaften, Bibliotheken, schöne Landstraßen, öffentliche Gärten verfallen
lassen, zerstören und die Nacht mönchischer Stille und socialen Elends
über den Canton ausschütten.

Diese Partei hat es, vor den jüngstverflossenen Märzwahlen, nicht
an Intriguen fehlen lassen, im Volke sür ihre Zwecke zu wirken, wäh¬
rend die Fortschrittspartei ruhig, ohne Bestechung und andere Macht¬
nationen, im Vertrauen auf die gute Sache, der kommenden Dinge
harrte.

In der That glaubte Niemand an einen so glänzenden Wahlsieg
der liberalen Partei, als er um unerwartet dennoch eintrat, der ganze


Das Sänfterfest zu Hergen
am Züricher Sek.



Die aristokratische Partei des Cantons Zürich, welche man, ohne
große Erbitterung, harmlos die Zöpfe nennt, ist ein Völkchen mit
mittelalterlichen Vorurtheilen des Standes, des Familienvorzugö und
wer weiß welcher andern spielten, die sich in einer kleinen, zierlichen
Republik, welche der großen politischen Wüste und Wäldern Europa'S
gegenüber, einem Lustgärtchen gleicht, recht sonderbar, ja lächerlich aus¬
nimmt. Man kann als Fremder gar nicht begreifen, wo hier Solcher¬
lei Gewächse herkommen und denkt, wenn man der Leute ansichtig wird:
El, um Gotteswillen, ihr — ihr seid Aristokraten? Ihr seht ja gar
nicht darnach aus. Wo sind eure Rittergüter, wo eure englischen
Pferde und Jokeis? Ihr seid ja nur eben gewöhnliche faule Philister.

Gleichwohl ist diese Partei bösartig genug. Um an's Ruder
der kleinen Staatsmaschine zu kommen, würden sie, wenn sie's ver¬
möchten, vielleicht auch im Canton Zürich das gräßliche Schauspiel
des Canton Luzern einführen. Sie würden den Aufschwung der
Wissenschaft und Kunst, welcher seit der letzten Revolution sich im
Canton Zürich sichtbar gemacht, sie würden Museen, gelehrte Gesell¬
schaften, Bibliotheken, schöne Landstraßen, öffentliche Gärten verfallen
lassen, zerstören und die Nacht mönchischer Stille und socialen Elends
über den Canton ausschütten.

Diese Partei hat es, vor den jüngstverflossenen Märzwahlen, nicht
an Intriguen fehlen lassen, im Volke sür ihre Zwecke zu wirken, wäh¬
rend die Fortschrittspartei ruhig, ohne Bestechung und andere Macht¬
nationen, im Vertrauen auf die gute Sache, der kommenden Dinge
harrte.

In der That glaubte Niemand an einen so glänzenden Wahlsieg
der liberalen Partei, als er um unerwartet dennoch eintrat, der ganze


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[0394] Das Sänfterfest zu Hergen am Züricher Sek. Die aristokratische Partei des Cantons Zürich, welche man, ohne große Erbitterung, harmlos die Zöpfe nennt, ist ein Völkchen mit mittelalterlichen Vorurtheilen des Standes, des Familienvorzugö und wer weiß welcher andern spielten, die sich in einer kleinen, zierlichen Republik, welche der großen politischen Wüste und Wäldern Europa'S gegenüber, einem Lustgärtchen gleicht, recht sonderbar, ja lächerlich aus¬ nimmt. Man kann als Fremder gar nicht begreifen, wo hier Solcher¬ lei Gewächse herkommen und denkt, wenn man der Leute ansichtig wird: El, um Gotteswillen, ihr — ihr seid Aristokraten? Ihr seht ja gar nicht darnach aus. Wo sind eure Rittergüter, wo eure englischen Pferde und Jokeis? Ihr seid ja nur eben gewöhnliche faule Philister. Gleichwohl ist diese Partei bösartig genug. Um an's Ruder der kleinen Staatsmaschine zu kommen, würden sie, wenn sie's ver¬ möchten, vielleicht auch im Canton Zürich das gräßliche Schauspiel des Canton Luzern einführen. Sie würden den Aufschwung der Wissenschaft und Kunst, welcher seit der letzten Revolution sich im Canton Zürich sichtbar gemacht, sie würden Museen, gelehrte Gesell¬ schaften, Bibliotheken, schöne Landstraßen, öffentliche Gärten verfallen lassen, zerstören und die Nacht mönchischer Stille und socialen Elends über den Canton ausschütten. Diese Partei hat es, vor den jüngstverflossenen Märzwahlen, nicht an Intriguen fehlen lassen, im Volke sür ihre Zwecke zu wirken, wäh¬ rend die Fortschrittspartei ruhig, ohne Bestechung und andere Macht¬ nationen, im Vertrauen auf die gute Sache, der kommenden Dinge harrte. In der That glaubte Niemand an einen so glänzenden Wahlsieg der liberalen Partei, als er um unerwartet dennoch eintrat, der ganze

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/394>, abgerufen am 24.11.2024.