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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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derer Meinung gewesen zu sein, denn er hat die schone Jüdin endlich ge-
heirathet. Aber seitdem ist sie nicht mehr im Cass6 zu sehen, denn er
halt sie sorgfaltig unter Schloß und Riegel.


V.
Aus Wien.

Der Geheimnißvolle. -- Der Selbstmord im Burgtheater. -- Taktlosigkeit
der Direction. -- Das Franzensdcnkmal. -- Pikante oder unglaubliche
Schnitzer. -- Jenny Lind und Tichatschek. --

Sie werden sich erinnern, daß ich Ihnen schon im verflossenen Jahre
über die mystischen Verhältnisse des Herrn Büky von Felsöbük schrieb,
welche dermalen fast alle deutschen Blätter in Anspruch nehmen und
dabei erwähnte, daß derselbe der österreichischen Botschaft in Paris bei¬
gegeben werden solle. Als vor einigen Tagen Graf Appony aus Frank¬
reich hier anlangte und nach kurzem Aufenthalt in der Residenz auf seine
Güter im Tolner Comitate reiste, passirte er auch Preßburg, wo
sich Herr Büky befindet und stattete demselben einen Besuch ab, wobei
er im Auftrage des Königs der Franzosen die Einladung nach Paris
wiederholte, wo für ihn im tgi. Palais eine Wohnung eingerichtet sei.
Der räthselhafte Schimmer, welcher die Stellung dieses Emporkömmlings
umgibt, der ohne bedeutendes Talent und ohne eine eclatante Leistung
plötzlich zu unerklärlichen Ehren emporstieg, gewinnt neuerdings durch die
Verleihung des Commandeurkreuzes vom sicilianischen Ferdinand Eivil-
verdienstorden, womit Herr Büky von Seite des Königs von Neapel
bedacht wurde und die ganze europäische Presse hat da eine Nuß auf¬
zuknacken, die noch manche Journalspalte ausfüllen wird.

Weil ich schon einmal im Gebiet des Geheimnißvollen weile, so
muß ich auch der seltsamen Selbstmordsgeschichte Erwähnung thun, die
sich am 16, Mai, Abends, während der Vorstellung des deutschen Krie¬
gers von Bauernfcld, im Hofburgtheater zutrug und unerhörtes Aufsehen
erregte. Bei der Scene, wo der Kurfürst von Sachsen auf einen Hasen
schießt, knallte fast gleichzeitig mit dem Schuß auf der Bühne ein
Pistolenschuß im Parterre und in der vierten Reihe der Sperrsitze sank
plötzlich ein junger Mann mit zerschmettertem Schädel einer nebensitzen¬
den Dame aus Frankfurt in den Schooß, so daß die Halbohnmächtige
ganz mit Blut übergössen wurde. Die Nahesttzcnden entfernten sich aus
dem Hause und besonders ergriffen die Damen sehr eilig die Flucht und
da Niemand sich dazu verstand, die Leiche aus den Vorderreihen wenig¬
stens bis zur Thür zu tragen, so bemächtigten sich zwei Offiziere des
Todten und zerrten ihn bis zur Parterrethüre, wo ihn die Wache über¬
nahm. Obschon nun der größere Theil der Zuschauer sich entfernt hatte
und die Fortsetzung der Vorstellung süglich hätte unterbleiben können, so
fand es die Direction doch für gut das Stück, trotz der mit Blut und
Gehirn bespritzten Wände und Bänke, zu Ende spielen zu lassen und
legte dadurch keinen glänzenden Beweis ihres Zartgefühls ab, indem sie
den kleinen Ausfall der Theatercasse, der ihr durch Vertheilung von Re-


derer Meinung gewesen zu sein, denn er hat die schone Jüdin endlich ge-
heirathet. Aber seitdem ist sie nicht mehr im Cass6 zu sehen, denn er
halt sie sorgfaltig unter Schloß und Riegel.


V.
Aus Wien.

Der Geheimnißvolle. — Der Selbstmord im Burgtheater. — Taktlosigkeit
der Direction. — Das Franzensdcnkmal. — Pikante oder unglaubliche
Schnitzer. — Jenny Lind und Tichatschek. —

Sie werden sich erinnern, daß ich Ihnen schon im verflossenen Jahre
über die mystischen Verhältnisse des Herrn Büky von Felsöbük schrieb,
welche dermalen fast alle deutschen Blätter in Anspruch nehmen und
dabei erwähnte, daß derselbe der österreichischen Botschaft in Paris bei¬
gegeben werden solle. Als vor einigen Tagen Graf Appony aus Frank¬
reich hier anlangte und nach kurzem Aufenthalt in der Residenz auf seine
Güter im Tolner Comitate reiste, passirte er auch Preßburg, wo
sich Herr Büky befindet und stattete demselben einen Besuch ab, wobei
er im Auftrage des Königs der Franzosen die Einladung nach Paris
wiederholte, wo für ihn im tgi. Palais eine Wohnung eingerichtet sei.
Der räthselhafte Schimmer, welcher die Stellung dieses Emporkömmlings
umgibt, der ohne bedeutendes Talent und ohne eine eclatante Leistung
plötzlich zu unerklärlichen Ehren emporstieg, gewinnt neuerdings durch die
Verleihung des Commandeurkreuzes vom sicilianischen Ferdinand Eivil-
verdienstorden, womit Herr Büky von Seite des Königs von Neapel
bedacht wurde und die ganze europäische Presse hat da eine Nuß auf¬
zuknacken, die noch manche Journalspalte ausfüllen wird.

Weil ich schon einmal im Gebiet des Geheimnißvollen weile, so
muß ich auch der seltsamen Selbstmordsgeschichte Erwähnung thun, die
sich am 16, Mai, Abends, während der Vorstellung des deutschen Krie¬
gers von Bauernfcld, im Hofburgtheater zutrug und unerhörtes Aufsehen
erregte. Bei der Scene, wo der Kurfürst von Sachsen auf einen Hasen
schießt, knallte fast gleichzeitig mit dem Schuß auf der Bühne ein
Pistolenschuß im Parterre und in der vierten Reihe der Sperrsitze sank
plötzlich ein junger Mann mit zerschmettertem Schädel einer nebensitzen¬
den Dame aus Frankfurt in den Schooß, so daß die Halbohnmächtige
ganz mit Blut übergössen wurde. Die Nahesttzcnden entfernten sich aus
dem Hause und besonders ergriffen die Damen sehr eilig die Flucht und
da Niemand sich dazu verstand, die Leiche aus den Vorderreihen wenig¬
stens bis zur Thür zu tragen, so bemächtigten sich zwei Offiziere des
Todten und zerrten ihn bis zur Parterrethüre, wo ihn die Wache über¬
nahm. Obschon nun der größere Theil der Zuschauer sich entfernt hatte
und die Fortsetzung der Vorstellung süglich hätte unterbleiben können, so
fand es die Direction doch für gut das Stück, trotz der mit Blut und
Gehirn bespritzten Wände und Bänke, zu Ende spielen zu lassen und
legte dadurch keinen glänzenden Beweis ihres Zartgefühls ab, indem sie
den kleinen Ausfall der Theatercasse, der ihr durch Vertheilung von Re-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/366>, abgerufen am 24.11.2024.