Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band. Und wickelt' es mit kluger Hand, Das Kindlein, frei geboren, So steif und fest in's Wickelband Vom Fuß bis an die Ohren, Daß es die Hand nicht rühren kann, Die Beinchen nicht bewegen, Daß es zum Höchsten strampeln kann Dem eignen Leib entgegen. Und siehe! so gewickelt scheint'S Ganz wohl ihm zu behagen. Nur jezuweilen schreit's und weint'S Wie in den ersten Tagen; Und macht ein trotzig Angesicht Als wollt' es protestiren -- Doch, wenn es sieht, es hilft ihm nicht, Bleibt's ruhig in den Schnüren. Und alter als dreihundert Jahr Steckt es darin noch heute -- Das größte Wickelkind fürwahr. Deß je die Welt sich freute!--^ Da plötzlich wird der alte Geist Aufs Neu' in ihm lebendig. Es schreit nach Freiheit, zerrt und reißt "in Band ganz unanständig. "Was? Denkt Ihr mich mein Lebelang Im Wickelband zu tragen? Ich dacht', ich könnte nun den Gang Auf eignen Beinen wagen!" So ruft's und red't gewaltiglich. Gestützt auf Paul und Peter. Darob entsetzt die Kindsmagd sich Nicht schlecht, und schreiet Zeter: "O weh, o weh, das Satanskind Fängt an zu rebellirm: Her neue Bänder! Her geschwind. Daß wir's noch fester schnüren!" u. Und wickelt' es mit kluger Hand, Das Kindlein, frei geboren, So steif und fest in's Wickelband Vom Fuß bis an die Ohren, Daß es die Hand nicht rühren kann, Die Beinchen nicht bewegen, Daß es zum Höchsten strampeln kann Dem eignen Leib entgegen. Und siehe! so gewickelt scheint'S Ganz wohl ihm zu behagen. Nur jezuweilen schreit's und weint'S Wie in den ersten Tagen; Und macht ein trotzig Angesicht Als wollt' es protestiren — Doch, wenn es sieht, es hilft ihm nicht, Bleibt's ruhig in den Schnüren. Und alter als dreihundert Jahr Steckt es darin noch heute — Das größte Wickelkind fürwahr. Deß je die Welt sich freute!--^ Da plötzlich wird der alte Geist Aufs Neu' in ihm lebendig. Es schreit nach Freiheit, zerrt und reißt «in Band ganz unanständig. „Was? Denkt Ihr mich mein Lebelang Im Wickelband zu tragen? Ich dacht', ich könnte nun den Gang Auf eignen Beinen wagen!" So ruft's und red't gewaltiglich. Gestützt auf Paul und Peter. Darob entsetzt die Kindsmagd sich Nicht schlecht, und schreiet Zeter: „O weh, o weh, das Satanskind Fängt an zu rebellirm: Her neue Bänder! Her geschwind. Daß wir's noch fester schnüren!" u. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182776"/> <lg xml:id="POEMID_17" type="poem"> <l> Und wickelt' es mit kluger Hand,<lb/> Das Kindlein, frei geboren,<lb/> So steif und fest in's Wickelband<lb/> Vom Fuß bis an die Ohren,</l> <l> Daß es die Hand nicht rühren kann,<lb/> Die Beinchen nicht bewegen,<lb/> Daß es zum Höchsten strampeln kann<lb/> Dem eignen Leib entgegen.</l><lb/> <l> Und siehe! so gewickelt scheint'S<lb/> Ganz wohl ihm zu behagen.<lb/> Nur jezuweilen schreit's und weint'S<lb/> Wie in den ersten Tagen;</l><lb/> <l> Und macht ein trotzig Angesicht<lb/> Als wollt' es protestiren —<lb/> Doch, wenn es sieht, es hilft ihm nicht,<lb/> Bleibt's ruhig in den Schnüren.</l> <l> Und alter als dreihundert Jahr<lb/> Steckt es darin noch heute —<lb/> Das größte Wickelkind fürwahr.<lb/> Deß je die Welt sich freute!--^</l> <l> Da plötzlich wird der alte Geist<lb/> Aufs Neu' in ihm lebendig.<lb/> Es schreit nach Freiheit, zerrt und reißt<lb/> «in Band ganz unanständig.</l><lb/> <l> „Was? Denkt Ihr mich mein Lebelang<lb/> Im Wickelband zu tragen?<lb/> Ich dacht', ich könnte nun den Gang<lb/> Auf eignen Beinen wagen!"</l> <l> So ruft's und red't gewaltiglich.<lb/> Gestützt auf Paul und Peter.<lb/> Darob entsetzt die Kindsmagd sich<lb/> Nicht schlecht, und schreiet Zeter:</l><lb/> <l> „O weh, o weh, das Satanskind<lb/> Fängt an zu rebellirm:<lb/> Her neue Bänder! Her geschwind.<lb/> Daß wir's noch fester schnüren!"<lb/> u.</l> </lg><lb/> <fw type="sig" place="bottom"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0353]
Und wickelt' es mit kluger Hand,
Das Kindlein, frei geboren,
So steif und fest in's Wickelband
Vom Fuß bis an die Ohren, Daß es die Hand nicht rühren kann,
Die Beinchen nicht bewegen,
Daß es zum Höchsten strampeln kann
Dem eignen Leib entgegen.
Und siehe! so gewickelt scheint'S
Ganz wohl ihm zu behagen.
Nur jezuweilen schreit's und weint'S
Wie in den ersten Tagen;
Und macht ein trotzig Angesicht
Als wollt' es protestiren —
Doch, wenn es sieht, es hilft ihm nicht,
Bleibt's ruhig in den Schnüren. Und alter als dreihundert Jahr
Steckt es darin noch heute —
Das größte Wickelkind fürwahr.
Deß je die Welt sich freute!--^ Da plötzlich wird der alte Geist
Aufs Neu' in ihm lebendig.
Es schreit nach Freiheit, zerrt und reißt
«in Band ganz unanständig.
„Was? Denkt Ihr mich mein Lebelang
Im Wickelband zu tragen?
Ich dacht', ich könnte nun den Gang
Auf eignen Beinen wagen!" So ruft's und red't gewaltiglich.
Gestützt auf Paul und Peter.
Darob entsetzt die Kindsmagd sich
Nicht schlecht, und schreiet Zeter:
„O weh, o weh, das Satanskind
Fängt an zu rebellirm:
Her neue Bänder! Her geschwind.
Daß wir's noch fester schnüren!"
u.
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