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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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noch lieb. Er erhöhte unsern Sold, er gab uns neue Privilegien,
verstärkte unsre Anzahl und behandelte uns nicht wie Diener, sondern
wie Söhne!"

"O daß er noch lebte!" entgegnete ein Zweiter.

"Und er könnte noch leben, wenn er --" rief ein Dritter.

"Still Paul-)!" fiel rasch ein Vierter ein. "Wenn Du Deinen
Verdacht einmal.ein den unrechten Mann bringst, so sprichst Du Dir
noch den Kopf vom Halse."

"Was!" fing Paul wieder an, "ich muß herausschwatzen, wie eS
mir hier um'S Herz ist. Es ging nicht richtig zu bei seinem Tode. Ich
hatte damals gerade an der Thüre des Vorgemachs die Wache, und
sah Dinge, die mir nicht gefielen."

"Dus mag sein!" rief ein Anderer. "Wir alle glauben sogar,
daß Du vollkommen recht hast. Aber was nützt es, davon zu redend
Wenn wir selbst die Mörder kennen würden (von welchen doch ei¬
gentlich Keiner von uns eine sichere Spur hat), so würde Leo doch
nicht mehr lebendig aus dem Grabe erstehen. Er ist ein für alle Mal
todt."

"Es könnte im Gegentheil nur unheilvollen Skandal absetzen,"
fing in einer Ecke der älteste anwesende Gardist an. "Was würden
die Ketzer im Auslande von der katholischen Religion sagen, wenn
man mitten in Rom den Papst --- Gott bewahre mich, daß ich das
Wort jemals ausspreche! Man würde ganz gewiß dem allein selig¬
machenden Glauben in dir Schuhe schieben, was einige Bösewichter
vielleicht verschuldet haben. Kinder, das ist ein Punkt, über den Ihr
der guten Sache wegen gar nie mehr sprechen solltet!"

"Ja, Vater! Du hast recht," riefen Mehrere dem alten Gardi¬
sten Beifall winkend zu. "Der Vorfall hat mit der Religion zwar
gar nichts zu schaffen, aber es gäbe doch böse Leute genug, die ihn
darauf beziehen würden. Das Ding nützt nichts und ist gefährlich.
Ein anderes Thema!"

Hiermit mußte sich meine mehr gereizte als befriedigte Neugierde
für diesmal begnügen; aber ich suchte von nun an Paul'S innigere



*) Das Publicum mag uns entschuldigen, daß wir hier einen fingirten Na¬
men wählten, um den Mann, welcher sich vielleicht noch jetzt unter der päpstlichen
Garde befindet, nicht den Inquisitions-Gefängnissen zu überantworten. UrbrigrnS
jetzt der ^Verfasser sein deutsches Ehrenwort dafür ein, daß die folgenden Er¬
zählungen treu der Wirklichkeit nachgeschrieben sind.

noch lieb. Er erhöhte unsern Sold, er gab uns neue Privilegien,
verstärkte unsre Anzahl und behandelte uns nicht wie Diener, sondern
wie Söhne!"

„O daß er noch lebte!" entgegnete ein Zweiter.

„Und er könnte noch leben, wenn er —" rief ein Dritter.

„Still Paul-)!" fiel rasch ein Vierter ein. „Wenn Du Deinen
Verdacht einmal.ein den unrechten Mann bringst, so sprichst Du Dir
noch den Kopf vom Halse."

„Was!" fing Paul wieder an, „ich muß herausschwatzen, wie eS
mir hier um'S Herz ist. Es ging nicht richtig zu bei seinem Tode. Ich
hatte damals gerade an der Thüre des Vorgemachs die Wache, und
sah Dinge, die mir nicht gefielen."

„Dus mag sein!" rief ein Anderer. „Wir alle glauben sogar,
daß Du vollkommen recht hast. Aber was nützt es, davon zu redend
Wenn wir selbst die Mörder kennen würden (von welchen doch ei¬
gentlich Keiner von uns eine sichere Spur hat), so würde Leo doch
nicht mehr lebendig aus dem Grabe erstehen. Er ist ein für alle Mal
todt."

„Es könnte im Gegentheil nur unheilvollen Skandal absetzen,"
fing in einer Ecke der älteste anwesende Gardist an. „Was würden
die Ketzer im Auslande von der katholischen Religion sagen, wenn
man mitten in Rom den Papst -— Gott bewahre mich, daß ich das
Wort jemals ausspreche! Man würde ganz gewiß dem allein selig¬
machenden Glauben in dir Schuhe schieben, was einige Bösewichter
vielleicht verschuldet haben. Kinder, das ist ein Punkt, über den Ihr
der guten Sache wegen gar nie mehr sprechen solltet!"

„Ja, Vater! Du hast recht," riefen Mehrere dem alten Gardi¬
sten Beifall winkend zu. „Der Vorfall hat mit der Religion zwar
gar nichts zu schaffen, aber es gäbe doch böse Leute genug, die ihn
darauf beziehen würden. Das Ding nützt nichts und ist gefährlich.
Ein anderes Thema!"

Hiermit mußte sich meine mehr gereizte als befriedigte Neugierde
für diesmal begnügen; aber ich suchte von nun an Paul'S innigere



*) Das Publicum mag uns entschuldigen, daß wir hier einen fingirten Na¬
men wählten, um den Mann, welcher sich vielleicht noch jetzt unter der päpstlichen
Garde befindet, nicht den Inquisitions-Gefängnissen zu überantworten. UrbrigrnS
jetzt der ^Verfasser sein deutsches Ehrenwort dafür ein, daß die folgenden Er¬
zählungen treu der Wirklichkeit nachgeschrieben sind.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/346>, abgerufen am 23.07.2024.