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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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genossen, folgendes harte Urtheil in seinem Menzel, der Franzosen¬
fresser, auszusprechen:

"Der edle, muthige Wirth wurde zum Lohne für seinen Franzo¬
senhaß in's Zuchthaus gesperrt und mußte drei Jahre lang die Uni¬
form der Diebe tragen und Strümpfe stricken. Dort in dem Kerker,
statt seinen Haß der Tyrannei zur heiligen Wuth entflammen zu lassen,
dort aus seinem sichern Versteck hervor, schrieb Wirth über Sonne,
Mond und Sterne und andere Ewigkeiten, ließ sich, wie ein wahres
deutsches Schaf, in den Pferch der Wissenschaft zurücktreiben und
düngte mit seinen philosophischen Erzeugnissen die Felder der Erbpäch¬
ter des deutschen Landes. Und wo Jean Paul lange die Freiheit
lehrte, wohnt jetzt der edle Wirth als Mündel der bairischen Polizei,
und muß ihr von jedem Schritte, den er thut, und von jedem Gedan¬
ken, den er ausgibt, Rechenschaft geben."

Diese Worte, 183V geschrieben, hätte Börne, wäre er nicht gerade
ZU jener Zeit gestorben, wohl zurückgenommen. Am ersten Weihnachts-
tage verließ Wirth nämlich das fränkische Voigtland, und zog über
Weißenburg nach Nancy, dessen Bibliothek ihn im Quellenstudium
deutscher Geschichte sehr unterstützte. Zugleich entschloß er sich zur
Herausgabe einer nicht periodischen Zeitschrift, und zog im Frühjahr
1839 nach Straßburg. Der Absatz des Blattes, von dem Einsender
dieses leider keine Nummern zu Gesicht bekommen konnte, war aber zu
gering, als daß dasselbe hätte fortbestehen können. Er gab es auf,
zog von Srrcißburg weg, und wählte die Schweizerseite des Boden¬
sees, das Dörfchen Emmishofen, zu seinem neuen Wohnorte.

Hier kaufte er sich an und errichtete eine Buchdruckerei, worin er
seine, wie anderer befreundeter und sinnesverwandter Schriftsteller,
Werke drucken ließ, unter der Firma "Literarischeö Institut." Er gab hier
eine vierte Zeitschrift "die Volkshalle" heraus, das die politische Auf¬
klärung in der Umgebung des Bodensees, in der nördlichen Schweiz,
im badischen Seekreiö, im südlichen Schwarzwald sehr verbreiten half.
Herwegh, den Wirth zu einem politischen Dichter erzogen hat, wurde
Redacteur deS literarischen Theils dieser "Volkshalle".

Ferner gab er in Emmishofen seine gesammelten Schriften,
meist aus Aufsätzen seiner frühern Journale bestehend, heraus, seine
Denkwürdigkeiten, seinen Wald er ode, eine Art Selbstbiogra¬
phie in Form einer Novelle, aber lange nicht so anziehend, als seine
Denkwürdigkeiten, die politisch-reformatorische Richtungdes


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genossen, folgendes harte Urtheil in seinem Menzel, der Franzosen¬
fresser, auszusprechen:

„Der edle, muthige Wirth wurde zum Lohne für seinen Franzo¬
senhaß in's Zuchthaus gesperrt und mußte drei Jahre lang die Uni¬
form der Diebe tragen und Strümpfe stricken. Dort in dem Kerker,
statt seinen Haß der Tyrannei zur heiligen Wuth entflammen zu lassen,
dort aus seinem sichern Versteck hervor, schrieb Wirth über Sonne,
Mond und Sterne und andere Ewigkeiten, ließ sich, wie ein wahres
deutsches Schaf, in den Pferch der Wissenschaft zurücktreiben und
düngte mit seinen philosophischen Erzeugnissen die Felder der Erbpäch¬
ter des deutschen Landes. Und wo Jean Paul lange die Freiheit
lehrte, wohnt jetzt der edle Wirth als Mündel der bairischen Polizei,
und muß ihr von jedem Schritte, den er thut, und von jedem Gedan¬
ken, den er ausgibt, Rechenschaft geben."

Diese Worte, 183V geschrieben, hätte Börne, wäre er nicht gerade
ZU jener Zeit gestorben, wohl zurückgenommen. Am ersten Weihnachts-
tage verließ Wirth nämlich das fränkische Voigtland, und zog über
Weißenburg nach Nancy, dessen Bibliothek ihn im Quellenstudium
deutscher Geschichte sehr unterstützte. Zugleich entschloß er sich zur
Herausgabe einer nicht periodischen Zeitschrift, und zog im Frühjahr
1839 nach Straßburg. Der Absatz des Blattes, von dem Einsender
dieses leider keine Nummern zu Gesicht bekommen konnte, war aber zu
gering, als daß dasselbe hätte fortbestehen können. Er gab es auf,
zog von Srrcißburg weg, und wählte die Schweizerseite des Boden¬
sees, das Dörfchen Emmishofen, zu seinem neuen Wohnorte.

Hier kaufte er sich an und errichtete eine Buchdruckerei, worin er
seine, wie anderer befreundeter und sinnesverwandter Schriftsteller,
Werke drucken ließ, unter der Firma „Literarischeö Institut." Er gab hier
eine vierte Zeitschrift „die Volkshalle" heraus, das die politische Auf¬
klärung in der Umgebung des Bodensees, in der nördlichen Schweiz,
im badischen Seekreiö, im südlichen Schwarzwald sehr verbreiten half.
Herwegh, den Wirth zu einem politischen Dichter erzogen hat, wurde
Redacteur deS literarischen Theils dieser „Volkshalle".

Ferner gab er in Emmishofen seine gesammelten Schriften,
meist aus Aufsätzen seiner frühern Journale bestehend, heraus, seine
Denkwürdigkeiten, seinen Wald er ode, eine Art Selbstbiogra¬
phie in Form einer Novelle, aber lange nicht so anziehend, als seine
Denkwürdigkeiten, die politisch-reformatorische Richtungdes


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[0339] genossen, folgendes harte Urtheil in seinem Menzel, der Franzosen¬ fresser, auszusprechen: „Der edle, muthige Wirth wurde zum Lohne für seinen Franzo¬ senhaß in's Zuchthaus gesperrt und mußte drei Jahre lang die Uni¬ form der Diebe tragen und Strümpfe stricken. Dort in dem Kerker, statt seinen Haß der Tyrannei zur heiligen Wuth entflammen zu lassen, dort aus seinem sichern Versteck hervor, schrieb Wirth über Sonne, Mond und Sterne und andere Ewigkeiten, ließ sich, wie ein wahres deutsches Schaf, in den Pferch der Wissenschaft zurücktreiben und düngte mit seinen philosophischen Erzeugnissen die Felder der Erbpäch¬ ter des deutschen Landes. Und wo Jean Paul lange die Freiheit lehrte, wohnt jetzt der edle Wirth als Mündel der bairischen Polizei, und muß ihr von jedem Schritte, den er thut, und von jedem Gedan¬ ken, den er ausgibt, Rechenschaft geben." Diese Worte, 183V geschrieben, hätte Börne, wäre er nicht gerade ZU jener Zeit gestorben, wohl zurückgenommen. Am ersten Weihnachts- tage verließ Wirth nämlich das fränkische Voigtland, und zog über Weißenburg nach Nancy, dessen Bibliothek ihn im Quellenstudium deutscher Geschichte sehr unterstützte. Zugleich entschloß er sich zur Herausgabe einer nicht periodischen Zeitschrift, und zog im Frühjahr 1839 nach Straßburg. Der Absatz des Blattes, von dem Einsender dieses leider keine Nummern zu Gesicht bekommen konnte, war aber zu gering, als daß dasselbe hätte fortbestehen können. Er gab es auf, zog von Srrcißburg weg, und wählte die Schweizerseite des Boden¬ sees, das Dörfchen Emmishofen, zu seinem neuen Wohnorte. Hier kaufte er sich an und errichtete eine Buchdruckerei, worin er seine, wie anderer befreundeter und sinnesverwandter Schriftsteller, Werke drucken ließ, unter der Firma „Literarischeö Institut." Er gab hier eine vierte Zeitschrift „die Volkshalle" heraus, das die politische Auf¬ klärung in der Umgebung des Bodensees, in der nördlichen Schweiz, im badischen Seekreiö, im südlichen Schwarzwald sehr verbreiten half. Herwegh, den Wirth zu einem politischen Dichter erzogen hat, wurde Redacteur deS literarischen Theils dieser „Volkshalle". Ferner gab er in Emmishofen seine gesammelten Schriften, meist aus Aufsätzen seiner frühern Journale bestehend, heraus, seine Denkwürdigkeiten, seinen Wald er ode, eine Art Selbstbiogra¬ phie in Form einer Novelle, aber lange nicht so anziehend, als seine Denkwürdigkeiten, die politisch-reformatorische Richtungdes 42-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/339>, abgerufen am 24.11.2024.